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Dr. F.C. Andreas.

 

 

 

Die

Babi's in Persien.

 

Ihre Geschichte und Lehre

 quellenmäßig und

nach eigener Anschauung dargestellt.

 

 

 

Preis 1 Mark

 

 

 

Leibzig 1896

Verlag der Akademischen Buchhandlung (W. Faber).

 

 


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Die

Babi's in Persien.

 

 

 

Ihre Geschichte und Lehre

 

 

quellenmäßig und nach eigener Anschauung dargestellt.

 

Von

 

Dr. F.C. Andreas,

früher Dozent am Orientalischem Seminar Berlin.

 

 

 

Leibzig

Verlag der Akademischen Buchhandlung (W. Faber).

1896.


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Vorwort

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Es ist mir eine ganz besondere Freude, die nachfolgende Darstellung des Babismus weiteren Kreisen zugänglich machen zu dürfen. Die Nachricht von der Ermordung Nasireddin Schah's hat die Aufmerksamkeit der gesamten gebildeten Welt auf die Religionsgemeinschaft der Babi's  gelenkt.  Leider fußen alle Mitteilungen der Presse auf höchst mangelhafter Information, da es außerordentlich wenig zuverlässige Nachrichten über die Babi's giebt.

   In zahllosen Zeitungen sind die Babi's als "geheime Verbrecherbande" in den letzten Tagen dargestellt, während sie in der That die beste, dem Christentum am nächsten stehende Religionsgesellschaft des Orients sind. Ist eine sittliche Erneuerung des so verrotteten Persiens möglich, so wird sie nur von den  Kreisen der Babi's ausgehen können.

   Nasireddin Schah war für die Babi's, was Nero für die ersten Christen. Die folgenden Blätter geben ein grausiges Bild von der Hinmordung von ganzen Scharen der Bekenner des Glaubens der Babi's, welche an Märtyrerfreudigkeit nicht hinter den ersten Christen zurückstehen. Die Gemeinschaft der Babi's als solche steht sicher der Ermordung des Schah völlig fern. Wie sehr die Leiter des Babismus vom Ausüben persönlicher Rache gegen den Schah entfernt waren, zeigt folgende, dem englischen Erforscher des Babismus E. Browne von einem der angesehensten Babi's


 

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inbezug auf das frühere Attentat auf den Schah kund gewordene Aeußerung. {E.G.Browne Taríkh-i-Jadid. The new history of the Bab p. 315 f.}:

   Ich schwöre bei der Wahrheit dessen, der in seiner Hand das Weltregiment hat, daß diese Uebelthat niemals von der Leitung des Babismus gutgeheißen oder befohlen ist. Aber man findet in jedem Stande beide: Weise und Narren; so haben auch hier zwei oder drei ungebildete Thoren, durch Satan und ihre eigene Selbstsucht angetrieben, unter dem Druck des schwer lastenden Mißgeschicks und der allenthalben drohenden Gefahren diese erbärmliche That vollführt, ohne daß auch nur einer ihrer besonneneren Glaubensgenossen darum gewußt hätte. Diese That hat im höchsten Grade unserem Meister mißfallen. Mit Entrüstung weisen alle Babi's die Verantwortung dafür von sich.

   Danach wurde ein Gebet für das Wohl seiner Majestät des Königs von der höchsten Leitung des Babismus veröffentlicht, um die Leute zu ermahnen, und jedermann wurde verpflichtet, es alle Morgen dreimal zu beten. Das Gebet lautet folgendermaßen:

   "O Du barmherziger Gott, der Du Macht hast über alle Dinge, ich rufe Dich flehend in Deinem Namen an: Schütze den König. Und danach bitte ich Dich, nicht seine Irrtümer, noch auch die seines Vorgängers auf dem Thron anzusehen, sondern nur das Meer Deiner Güte, den Himmel Deiner Gnade und die Sonne Deines Erbarmens. O Herr, halte von ihm fern des Uebels Hände, mit der Hand, die Du über alle Menschenhände gesetzt hast. Wahrlich, Du bist der Allmächtige, Erhabene, der Allwissende, Allweise!"

   Unter den deutschen Gelehrten, welche den Orient bereisten, ist Herr Dr. Andreas, früher Dozent am orientalischen Seminar in Berlin, unbestritten der erste Kenner Persiens.

   Sein Urteil über die Babi's, welchem die persönlichen Eindrücke meines Aufenthalts unter den Babi's in Kurdistan im Jahre 1892 allseitig entsprechen, ist so maßgebend, daß ich die dringende Bitte an ihn richtete, mir seinen im Jahre 1891 in dem


 

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Verein für Handelsgeografie über den Babismus gehaltenen und in der Zeitschrift "Der Export", Jahrgang 13, Nr. 24-29 erstmalig publizierten Vortrag zum Neudruck zu überlassen.

 

   Ich bin überzeugt, daß der Sache der Wahrheit mit der Veröffentlichung dieser Abhandlung, deren besonderer Wert darin liegt, daß hier eine gründliche Spezialuntersuchung eines Fachgelehrten ersten Ranges in einer jedem Gebildeten verständlichen Form gegeben ist, ein Dienst geschieht. Es ist unwürdig, daß eine der edelsten religiösen und sozialen Bewegungen, welche die Geschichte der Menschheit kennt, wie wir sie im Babismus haben, in Europa mit dem Makel des Königsmordes behaftet wird. Die Babi's für die Tötung Nasireddin Schah's verantwortlich zu machen, hieße dieselbe Thorheit begehen, als das am Ende des 19. Jahrhunderts von böswilliger Seite neu aufgewärmte Märlein zu glauben, daß die Juden zu rituellen Zwecken Christenblut brauchten, oder alle Protestanten für die That des aus streng protestantischem Hause stammenden Nobiling verantwortlich zu machen. Es sei hier noch ein kompetentes Urteil aus der Feder eines französischen Gelehrten angeführt. J. de Morgan schreibt in seinem großen, am Schluß des vorigen Jahres erschienenen Werke "Mission scientifique en Perse" pag. 64:

 

La religion la plus belle de l' Iran est celle des Babis. Les Babis condamnent la plupart des coutumes musulmanes telles que le divorce, la polygamie, la séquestration des femmes. Ils préconisent la bonté sous toutes ses formes, envers l'homme, l'enfant, les animaux. Ils ne sont pas pour le partage des biens et la communauté, mais ils engagent le riche à faire l'aumône. Ces maximes, très favorables au sexe faible, aujourd'hui opprimé en Perse, aux pauvres et aux petits, furent accueillies avec enthousiasme par ces

populations naturellement douces, et se répandirent sur le plateau persan et le Mazandérán avec une incroyable rapidité mais elles touchaient au pouvoir des prêtres musulmans et à ce titre, devenaient crime d'Etat. Le Babisme fut poursuivi et presque anéanti dans des cruautés


 

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ignobles. Aujourd'hui, le Babisme renaît de ses cendres. Il est secret, par suite, à l'abri des persécutions et prend, de jour en jour, une importance plus considérable, tant en Perse qu'en Turquie d'Asie.

   Es ist sehr fraglich, ob Mirza Muhammed Riza, der Mörder Nasireddin Schah's, überhaupt ein Babi ist. Weder mir noch irgend einem andern der wenigen europäischen Kenner des Babismus ist jemals etwas davon bekannt geworden, daß der 1891 aus Persien verbannte Djemal Eddin, zu dessen Anhänger der Mörder gehört, ein Babi war.

   Wahrscheinlich hat die Ermordung des Schah, welcher trotz seiner Grausamkeit gegen die Babi's eine der erfreulichsten Erscheinungen unter den dunklen Despoten der Herrscherreihe Persiens in den letzten Jahrhunderten war, politische Gründe.

   Es wird aber wahrscheinlich nach der alten Regel gehen: Non pluit deus, Christianos ad leones. Die blutige Verfolgung der Babi's wird in Persien mit neuer Wut von der Regierung fortgesetzt werden.

   Gelingt es der Persischen Regierung, die Babi's auszurotten, so wird völlige geistige Finsternis das unglückliche Persien bedecken, denn der Babismus ist ohne Frage die Morgenröte einer besseren Zeit, durch welche die Strahlen der aufgehenden Sonne des Christentums hindurchleuchten.

   Zum Glück aber hat der Babismus weit über Persiens Grenze hinaus bereits Millionen von Anhängern. Wenn auch blutroter Schein weiter die aufgehende Sonne trüben sollte: die Wahrheit wird und muß auch in Persien siegen. Die Zukunft wird zeigen, daß der Babismus eine mächtige Vorbewegung auf das Christentum hin war.

Berlin, den 9. Mai 1896.

W., Wormserstr. 9.

                                                  Pastor W. Faber.


 

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Für alle gebildeten Europäer meines Erachtens besonders für diejenigen, welche wie der  Kaufmann und der Industrielle in außereuropäischen Ländern praktische Interessen verfolgen, ist es nicht nur wünschenswert, sondern geradezu nützlich, wenn sie nach möglichst vielen Seiten über das Volk, in dessen Mitte sie ihrem Berufe nachgehen wollen, orientiert sind. Ganz besonders wichtig ist dies aber, wenn es sich um ein altes Kulturvolk mit sehr bestimmt ausgeprägten Charakterzügen handelt.

   Hier trägt Kenntnis und Verständnis seines Denkens und Empfindens ganz außerordentlich dazu bei, die Thätigkeit des bei ihm weilenden Europäers zu einer erfolgreichen zu gestalten und ein Gefühl des Heimischseins zu erzeugen, das jedes lähmende Heimweh mit allen seinen Folgen fernzuhalten geeignet ist.

   Bei denjenigen Völkern jedoch, welche wie die Perser außerhalb unserer abendländischen Kultur stehen, aber bereits eine lange Entwicklung hinter sich haben, sind dasjenige, was vor allem kennen zu lernen not thut, ihre religiösen Anschauungen, denn dieselben bestimmen in ganz anderem Grade, wie bei uns das ganze Leben. Dort sind Religion und Weltanschauung noch zwei zusammenfallende Kreise, während bei uns diese sich im besten Falle schneiden, in den meisten Fällen aber gar nicht mehr berühren.


 

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   Alles dies trifft in ganz besonderem Maße bei den Persern zu. Sie sind ein Volk von außerordentlich starker religiöser Empfindung, die sich bei ihnen zu der höchsten Exaltation, zu dem rückhaltlosesten Opfermut und Fanatismus zu steigern imstande ist. Das zeigt die Geschichte der zahlreichen religiösen Sekten, welche seit 12 Jahrhunderten auf dem Boden Irans entstanden sind.

   Und selbst wenn man hierbei von den mehr innerlichen Vorgängen des Empfindungslebens absieht, so ist es im hohen Grade überraschend zu beobachten, wie stark die Neigung des Persers ist, sich mit übersinnlichen Dingen zu beschäftigen und sie zum Gegenstand des Gespräches und der Diskussion zu machen. Und dies ist ein Zug, der sich bis in die untersten Klassen des Volkes verfolgen läßt, so daß man auf dem langsamen Marsch mit der Karawane oft Gelegenheit hat, einem Gespräch zwischen Maultiertreibern und Dorfbewohnern zuzuhören, in welchem höchst subtile metaphysische und religiöse Fragen mit Eifer, wenn auch nicht mit der ausreichenden Sachkenntnis erörtert werden.

   So mag es denn gerechtfertigt erscheinen, wenn ich einiges über die letzte religiöse Bewegung, welche in Persien stattgefunden, über den Babismus mitteile. Ich werde hierbei das Hauptgewicht auf die Darstellung der äußeren Ereignisse legen, die in allen Hauptpunkten feststehen; man wird an ihnen zu erkennen vermögen, wie stark die bewegende Kraft war, die solche Thaten hervorzurufen imstande war; dagegen werde ich mich in der Darlegung der Lehren des Bab auf das Notwendigste beschränken, weil über dieselben in vielen Beziehungen noch nicht die nötige Klarheit herrscht - erst in neuerer Zeit hat ein Engländer Granville Browne, der selbst in Persien gewesen und mit den Babi's in Verbindung getreten ist, sich auf Grund genügenderen Materials


 

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und reicherer Information der Untersuchung und Feststellung derselben zugewendet. In der Hauptsache genügt es, wenn man erkennt, wie die Lehren des Bab auf die Lebensführung seiner Anhänger gewirkt haben; das ist ein handgreifliches, praktisches Resultat und ein Prüfstein für den Wert dessen, was er ins Leben gerufen hat.

   Bevor ich jedoch meinen Bericht über seine Lebensgeschichte beginne, möchte ich zur Orientierung ganz kurz einiges über die religiösen Verhältnisse Persiens sagen; sie bilden die naturgemäße Voraussetzung für den Babismus, den Boden, aus dem er emporgewachsen.

   Die Bevölkerung Persiens bekennt sich, wenn wir von einer sehr geringen Anzahl von Christen, Juden und Gebern absehen, zum Islam, und zwar sind sie, mit Ausnahme einiger Küstenstriche am persischen Golf und einer Anzahl kurdischer Stämme im Nordwesten des Landes, Schiiten.

   Diese sind aus einer ursprünglich politischen Partei - das Wort Schiah bedeutet nichts anderes als Partei  - hervorgegangen, welche ein göttliches Recht Ali's, des Vetters und Schwiegersohnes des Muhammed, auf die Herrschergewalt vertrat und die drei ersten Nachfolger des Propheten Abu Bekr, Omar und Othman für Usurpatoren erklärte. Frühzeitig gesellte sich hierzu eine geradezu abgöttische Verehrung sowohl der Person Ali's wie der seiner Nachkommen.

   Vielfach ging man soweit anzunehmen, daß Ali geradezu eine Verkörperung Gottes sei. Den Imam, d.h. das Religionshaupt, den religiösen Führer, betrachtete man als eine fortlaufende göttliche Offenbarung und glaubte, daß nach dem Tode desselben der Geist Gottes auf seinen Nachfolger übergehe. Als der erste Imam gilt Ali, der rechtmäßige Nachfolger des Propheten. Sein


 

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zweiter Sohn ist Husein, der im Jahre 683 mit etwa 20 seiner männlichen Verwandten von den Truppen des zweiten omayyadischen Chalifen Jezid bei Kerbela, in kurzer Entfernung westlich vom Euphrat, abgeschlachtet wurde. Seine Todesstätte ist der heiligste Wallfahrtsort der Schiiten, und sein Todestag wird noch jetzt in Persien durch Trauerfestspiele, die sogenannten Taziehs begangen, welche die gesamte Bevölkerung auf das heftigste ergreifen und erregen.

   Die Nachkommen Ali's von der Fatimeh, der Tochter des Propheten, gelten den Schiiten als Imame, d.h. als die rechtmäßigen Häupter der Religion; die überwiegende Mehrzahl derselben zählt deren zwölf. Von dem letzten derselben, dem Muhammed Abul Kasim, den sie den Mahdi, d.h. den gutgeleiteten, oder Sahib azzeman, den Herrn der Zeit, und mit noch manchen anderen Namen nennen, nehmen sie an, daß er verschwunden sei, im Verborgenen fortlebe und am Ende der Zeiten wiederkehren werde wie ein Messias, um die Welt zu beherrschen und ein goldenes Zeitalter einzuleiten. Es ist dies, wie sich nachweisen läßt, ein Niederschlag der weitverbreiteten, auch in Persien vorhandenen Sage vom Kaiser Rotbart im Kyffhäuser.

   Diese Vorstellung von einem verborgenen Imam, der zu einem gewissen Zeitpunkte aus seiner Verborgenheit hervortreten wird, spielt in der Geschichte des Islam eine wichtige Rolle und wirkt bis in die Gegenwart herab, wie das Auftreten des Mahdi im Sudan zeigt. In Verbindung mit der Ansicht, daß Gott sich in den Nachkommen Ali's verkörpere, mußte gar mancher, der sich mit Recht oder Unrecht für einen solchen hielt, geneigt sein, sich für den erwarteten Imam, den Mahdi, zu halten oder auszugeben und in dieser Eigenschaft auf Erden die Führerschaft in geistlichen und weltlichen Dingen zu


 

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beanspruchen. Hierzu war aber schließlich die alidische Abkunft keineswegs eine durchaus notwendige Voraussetzung, denn war einmal eine Verkörperung Gottes als möglich gegeben, so konnten überhaupt religiöse Schwärmer, die sich von Gott inspiriert oder mit ihm eins glaubten, leicht auf den Gedanken kommen, als Imam aufzutreten. Wesentlich sind solche Vorgänge auch durch die Lehren des Sufismus unterstützt worden, die fast noch mehr als der Islam dazu beigetragen haben, den persischen Volksgeist zu dem zu machen, was er ist. Mit den Ghazelen der großen persischen Dichter, die zum großen Teile sufistischen Anschauungen huldigten, sind diese bis in die untersten Schichten des Volkes gedrungen, das die Gedichte eines Hafiz, Sadi, Dschelal addin Rumi auswendig weiß und mit Begeisterung vortragen hört.

   Ursprünglich zweifellos durch den Einfluß indischer Ideen entstanden, suchte der Sufismus auf dem Wege der Extase zu einer Erkenntnis Gottes und seiner Gebote zu gelangen. Indem die Sufi's sich in Gott zu versenken, mit ihm eins zu werden, die Schranken des Irdischen zu überwinden suchten, gelangten sie zu einer pantheistischen Lehre von der Emanation aller Dinge aus Gott und ihrer endlichen Wiedervereinigung mit Gott, welche ihren schärfsten Ausdruck in dem berühmten Wort des Halladsch "Ana-lhakk", ich bin die Wahrheit, d. i. Gott" gefunden hat. In ihrer Moral legen die Sufi's kein Gewicht auf die Beobachtung äußerlicher Formen und Zeremonien, sondern predigen Herzensreinheit und Nächstenliebe, Selbstentäußerung und die Bezähmung der Begierden. Ohne sich im direkten Gegensatz zu dem Islam zu stellen, tritt doch bei ihnen der Gedanke hervor, daß alle Offenbarungen aus einer einzigen Quelle stammen, daß alle Propheten die selben ewigen Wahrheiten verkünden.


 

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   Aus dem Sufismus haben sich auch die zahlreichen im Orient vorhandenen Derwischorden entwickelt, die noch heutzutage eine weitgehende Wirkung in einem unserem Freimaurertum ähnlichen Sinne ausüben und die, wovon ich mich selbst habe überzeugen können, Gefühle gegenseitiger Brüderlichkeit und Hilfsbereitwilligkeit unterhalten, die ein erwünschtes Gegengewicht zu den Schattenseiten des orientalischen Charakters bilden. Hiermit darf man aber nicht jene Karrikatur des Derwischtums verwechseln, welche sich bettelnd auf den Landstraßen umhertreiben und ihren Gott im Opium- oder Haschischrausch sucht.

   Nachdem ich so die allgemeinen geistigen Voraussetzungen des Babismus angedeutet habe, wird es notwendig sein, auf seine unmittelbaren Vorgänger einzugehen.

   Am Anfang dieses Jahrhunderts lehrte in Persien ein gewisser Scheich Achmed Achsai (geb. 1752, + 1826), der, wie der Zusatz Achsai zeigt, aus der bekannten arabischen Küstenlandschaft am persischen Golf stammte. Er hatte zahlreiche Schüler, obgleich seine Lehren für nicht orthodox galten. Nach seinem Tode wurde Hadschi Seyyid Kazim aus Nescht, der Hafenstadt am Kaspischen Meere, sein Nachfolger und lehrte mehrere Jahre in Kerbela. Unter seinen Schülern befanden sich Mirza Ali Muhammed, der spätere Bab, damals ein junger Mensch von 17 bis 18 Jahren, und eine Anzahl anderer Männer, welche später in der Bewegung der Babi's eine hervorragende Rolle spielten. In der Zeit kurz vor seinem Tode pflegte Hadschi Seyyid Kazim  viel von dem nahe bevorstehenden Auftreten des Imam Mahdi zu reden, aber als einziges Zeichen, woran man diesen erkennen werde, gab er an, daß es ein Jüngling sein werde, unbewandert in der Gelehrsamkeit der Schulen


 

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und aus dem Geschlechte des Haschim, d. i. des Propheten. Vor seinem Tode ernannte er keinen Nachfolger, so daß seine Schüler schwankten, wen sie an seine Stelle setzen sollten. Zwei Bewerber traten auf; der eine war Mirza Ali Muhammed, der Bab, der andere Hadschi Muhammed Kerim Chan aus Kirmán. Die Anhänger dieses letzteren sind noch jetzt in großer Anzahl vorhanden und nennen sich Scheichi's nach dem Begründer der Schule, Scheich Achmed Achsai, auf dessen Lehre sowohl die ihrige wie die der Babi's zurückgeht. Bekannt ist in Persien, daß der jetzige Throninhaber, Muzaffer ed-din Schah, sehr starke Sympathien für die Scheichi's hat. Zwischen Babi's und Scheichi's aber herrscht erklärlicherweise die größte Feindschaft, da die Mehrzahl der ursprünglichen Schüler des Scheich Achmed sich später dem Bab anschlossen. Die Hauptpunkte der von den eigentlichen Scheichi's vertretenen Lehre des Scheich Achsai sind folgende: Er behauptet, daß alle Wissenschaften im Koran enthalten seien, daß daher zum vollen Verständnis desselben ihre Kenntnis notwendig sei; er hegte die übertriebene Verehrung für die Imame, und ganz besonders für den sechsten derselben, den Imam Dschafar i Sadik, dessen Aussprüche er oft anzuführen pflegte. Die Imame galten ihm als schöpferische Kräfte und als Werkzeuge Gottes bei der Regierung der Welt. Er führte ein sittenstrenges Leben und glaubte in seinen Träumen mit den Imamen zu verkehren und von ihnen Unterweisungen zu empfangen. Er bestritt die leibliche Auferstehung im Sinne der gewöhnlichen muslimischen Theologie, indem er annahm, daß der menschliche Körper aus 2 heterogenen Bestandteilen zusammengesetzt sei, von denen nur der eine der geistigere, unsterblich und unzerstörbar sei.

   Diese selben Anschauungen, welche die Keime [des]


 

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Babismus enthalten, wurden auch von dem unmittelbaren Lehrer des Bab, Hadschi Seyyid Kazim, gelehrt.

     Wenden wir uns nunmehr zu dem Bab selber.

    Mirza Ali Muhammed - dies ist sein Name - wurde im Jahre 1820 in Schiraz geboren. Er stammte aus einer Familie, welche Anspruch darauf erhob, Seyyids zu sein, d. h. von dem Propheten abzustammen. Sein Vater war ein Kaufmann, der den Handel mit Baumwollstoffen betrieb; er bestimmte seinen Sohn ebenfalls für den Kaufmannsstand und schickte ihn zu diesem Zwecke nach Buschehr, der Hafenstadt am persischen Golf, wo er eine Reihe von Jahren blieb. Von dort machte er die Wallfahrt nach Kerbela, zum Grabe des Imam Husein, wo er den Unterricht des bereits erwähnten Hadschi Seyyid Kazim erhielt und durch sein eigenartiges Auftreten nicht minder als durch seinen strengen Lebenswandel die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog. Nach Schiraz, seiner Heimat, zurückgekehrt, gelang es ihm allmählich, Schüler und Anhänger um sich zu sammeln. Der Eindruck, den seine Reden hervorriefen, beruhte einerseits auf seiner rücksichtslosen Bloßlegung der Korruption der Geistlichkeit, andererseits darauf, daß er beständig die Leiden und Schmerzen des Lebens zum Gegenstand seiner Betrachtungen machte. Seine Beredsamkeit muß erschütternd gewirkt haben, denn sogar rechtgläubige Muslime, welche ihn reden hörten, behielten davon eine unvergeßliche Erinnerung und gedachten ihrer mit Schrecken. Sie erklärten, daß niemand sich eine Vorstellung von der Macht seines Wortes machen könne, der dasselbe nicht selbst vernommen. Zu dieser Zeit (1844) war es, daß er in seinem 24. Lebensjahr den Titel "Bab", d. h. "Pforte", annahm: indem er sich für die Pforte, durch die man zur Erkenntnis der Wahrheit gelangt, erklärte. Unter denen, die sich ihm an[schlossen],


 

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zeichnete sich durch Geist und Energie ganz besonders Mulla Husein aus Buschru in Khurasan (nordöstlich von Tebes) aus, der nachmals eine hervorragende Rolle bei der Verbreitung des Babismus spielen sollte. Er war ein Freund und ehemaliger Mitschüler des Bab bei Hadschi Seyyid Kazim  in Kerbela. Wegen eines Herzleidens kam er von Kerbela nach Schiraz und besuchte dort den Bab. Nach wiederholter Prüfung überzeugte er sich, daß dieser die für die geistige Führerschaft notwendigen Eigenschaften und Merkmale besitze und nahm seine Lehre mit der größten Hingebung und Begeisterung auf, wie dies auch seine späteren Thaten beweisen sollten.

 

   Nach diesen ersten Erfolgen in Schiraz unternahm der Bab in größter Heimlichkeit die Wallfahrt nach Mekka. Als er bei seiner Rückkehr in Buschehr anlangte, wurde er auf Befehl des damaligen Gouverneurs von Fars, Husein Chan, festgenommen. Nach Schiraz gebracht, erhielt er den Befehl, sein Haus nicht zu verlassen. Aber auch so, da seine Schüler Zutritt zu ihm hatten, nahm die Anzahl seiner Jünger zu - ja, in dieser Zeit der Abschließung und geheimen Wirksamkeit steigerte sich noch in dem ganzen Kreise die religiöse Exaltation. Ali Muhammed erklärte nunmehr, daß er nicht, wie er bisher selbst geglaubt, der Bab, d. h. die Pforte zur wahren Erkenntnis, sondern daß er Nukte i Ula oder Nukte i Beyan, d. h. der erste Punkt oder der Punkt der Erklärung, und geradezu eine göttliche Erscheinung sei. Der Titel Bab, der jetzt frei geworden war, wurde seinem eifrigsten Anhänger, dem Mulla Husein, verliehen; er ernannte diesen zu seinem ersten Vertreter und sandte ihn als seinen Apostel aus, indem er ihn den Befehl gab, nach Irak und Khurasan zu gehen und dort


 

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die neue Lehre zu predigen. Als Legitimation gab ihm Ali Muhammed zwei seiner Werke mit.

   Nach sechsmonatlicher Abschließung gelang es dem ursprünglichen Bab von Schiraz zu entweichen und sich nach Isfahan zu flüchten, dessen Gouverneur Minutschihr Chan Mutamad Addaule, ein georgischer Renegat, sich für seine Lehre interessierte und ihn gut aufnahm. Er schützte ihn gegen die Angriffe der Geistlichkeit, so daß bis zum Tode Minutschihr Chans der Bab unbehelligt in Isfahan blieb. Als jener aber starb, wurde der Bab auf Befehl der Regierung in Tehran nach Maku, im äußersten Nordwesten des Landes, gebracht. Dies geschah im Anfang des Jahres 1847, und mit Ausnahme von 6 Monaten, während derer er in Tschihrik in der Nähe von Urumiye war, ist er dort bis zu seiner Hinrichtung im Jahre 1850 verblieben.

   Während der Gefangenschaft des Bab entwickelten seine Schüler in allen Teilen des Landes eine außerordentliche Rührigkeit. Mulla Husein wandte sich zunächst nach Isfahan und Kaschan und von dort über Tehran nach Khurasan; überall glückte es ihm, Anhänger zu gewinnen, unter denen selbst Männer der höchsten Geistlichkeit vertreten waren. Neben Mulla Husein verdienen unter den Aposteln des Bab noch zwei besonders hervorgehoben zu werden. Der eine dieser Getreuen war Hadschi Mulla Muhammed Ali aus Barfurusch, die zweite eine Frau. Ersterer, der große Verehrung bei den Babi's genießt, wurde in seine Heimat Mazenderan geschickt und erzielte dort die größten Erfolge. Der weibliche Apostel, eine der auffallendsten und fesselndsten Erscheinungen in dieser Bewegung, ist Zerrin Tadsch, d. h. die "goldene Krone", bekannter unter ihrem Beinamen Qurret ul Ain, d. h. "Augenfreude". Sie stammte aus Kazvin, aus einer Familie von Geistlichen; ihr Vater


 

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galt für einen hervorragenden Theologen, auch ihr Vetter, mit dem sie verheiratet war, zeichnete sich durch Gelehrsamkeit aus, und ihr Onkel und Schwiegervater war einer der berühmtesten Geistlichen des Landes. So groß auch ihre Schönheit gewesen sein soll, so scheint diese doch von ihrem Geist und Charakter noch übertroffen worden zu sein. Frühzeitig an den gelehrten Gesprächen der Ihrigen teilnehmend, fiel sie bald durch die überraschende Schärfe ihres Verstandes und den Reichtum ihres Geistes auf: ein Umstand, der in einem Lande wie Persien doppelt überrascht, wo die Frauen geistigen Dingen ferner stehen, als irgendwo sonst. In ihrer eigenen Familie vernahm sie zuerst von den Lehren des Bab und tief davon berührt setzte sie sich mit ihm in Verbindung. Mit so glühender Begeisterung nahm sie seine Ideen auf, daß es sie hinriß, öffentlich aufzutreten, den Schleier, der dort in der Öffentlichkeit eine jede Frau verhüllt, abzuwerfen und die Lehre ihres Meisters zu verkünden. Umsonst waren die Bemühungen der Ihrigen, sie auf den Weg der Sitte zurückzuführen und von ihrem Vorhaben abzubringen; sie setzte allem unerschütterlichen Widerstand entgegen. Ihre Gegner haben ihr sogar, aber durchaus mit Unrecht, vorgeworfen, bei der Ermordung ihres Schwiegervaters durch die Babi's beteiligt gewesen zu sein. Dieser Mann, der stets den Scheich Achmed Achsai und dessen Anhänger für Ketzer erklärt hatte, wurde durch die Verbreitung der Lehren des Bab und durch den Abfall seiner Schwiegertochter so erbittert, daß er den Scheich Achmed Achsai, den er für den eigentlichen Urheber aller dieser Irrlehren ansah, öffentlich verfluchte. Er zahlte dafür mit seinem Leben, denn er wurde von einem Babi in der Moschee von Kazvin erstochen. Nach seinem Tode verließ Qurret ul Ain Kazvin, um sich ganz der Verbreitung(2) der Lehre


 

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des Bab zu weihen. Sie traf mit den beiden andern oben erwähnten Aposteln in dem Dorfe Bedescht in der Nähe von Bistam zusammen und hielt dort eine berühmt gewordene Predigt.

   Dann wandten sich die drei in verschiedener Richtung nach der Provinz Mazenderan, in der sie beschlossen hatten, die neue Lehre zu verbreiten. Ihre Bemühungen waren von Erfolg gekrönt; aber als es in Barfurusch zu einem Kampfe zwischen der Schar des Mulla Husein und den Leuten des Chans von Laridschan gekommen war, zog sich Mulla Husein nach dem als Wallfahrtsort bekannten Grabe des Scheich Tebersi, ca. 22 Kilometer südöstlich von Barfurusch, zurück und befestigte dasselbe mit einer hohen Mauer und einem tiefen Graben. Nachdem er sich und den Seinen so einen sichern Zufluchtsort geschaffen hatte, fuhr er sowie der jetzt mit ihm vereinigte Hadschi Mulla Muhammed Ali eifriger den je mit ihren Bekehrungsversuchen fort. Aber eine ganz bestimmte Änderung machte sich von nun an in ihren Predigten bemerkbar: hatten sie bisher immer nur von der neuen Religion des Bab gesprochen und ihre neuen Wahrheiten gelehrt, so redeten sie jetzt von den weltlichen Konsequenzen dieser Religion, von der Notwendigkeit, sich dem Bab und seinem Apostel Mulla Husein zu unterwerfen, da binnen kurzem die Erde ihnen unterthan sein werde. Von der Höhe ihrer Burg herab erhielt ihre Religionslehre eine Umwandlung ins Politische. Doch ihre Wirkung gewann dadurch nur an Kraft: rings umher umgab die Apostel eine schrankenlose Begeisterung, ein innerer Aufruhr der Gemüter, der Arm und Reich ergriff.

   Inzwischen war im Oktober 1848 Muhammed Schah gestorben, und sein Nachfolger, Nasireddin Schah, hatte


 

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bei seinem Regierungsantritt zu seinem ersten Minister einen der thatkräftigsten und hervorragendsten Männer ernannt, die der Orient in diesem Jahrhundert hervorgebracht hat: Mirza Teki Chan, Emiri Nizam. Dieser war entschlossen, den durch die Babi's in Mazenderan hervorgerufenen Unruhen ein Ende zu machen. Eine Anzahl der Chefs dieser Provinz erhielt den Auftrag, die Babi's in Scheich Tebersi anzugreifen. Allein kurz vor Tagesanbruch wurden sie von Mulla Husein überrascht und in die Flucht gejagt. Jetzt sandte man einen Prinzen, Mehdi Kuli Mirza, mit außergewöhnlichen Vollmachten in die Provinz ab, aber wiederum gelang es Mulla Husein und Hadschi Mulla Muhammed Ali während eines Schneesturmes die königlichen Truppen zu überraschen, wobei der prinzliche Führer nur mit Mühe sein Leben rettete; zwei andere Prinzen fielen in diesem Nachtgefecht. Darauf entschloß sich Abbas Kuli Chan von Laridschan die Babi's in Scheich Tebersi anzugreifen; aber, als er, durch Scheinunterhandlungen vonseiten der Babi's sicher gemacht, in seiner Wachsamkeit nachließ, wurde er in einer Nacht von ihnen überfallen. Schon waren die Soldaten des Chans in voller Flucht, als Mulla Husein, der an der Spitze der Seinen ritt, zwei Schüsse, den einen in die Brust, den andern in die Seite erhielt. Trotzdem hielt er sich aufrecht zu Pferde, bis er seine Truppen wieder zurückgeführt hatte; aber am Thor der Burg angelangt, brach er zusammen. Noch auf seinem Sterbelager beschwor er seine Getreuen, bis zum äußersten auszuharren und unbeirrt an ihrem Glauben festzuhalten. Er verbot ihnen an seinen Tod zu glauben, es sei dies nur ein trügerischer Schein, denn in vierzehn Tagen werde er wieder auferstehen. Seinen vertrautesten Freunden aber trug er auf, ihn in größter Heimlichkeit zu begraben(2*),   damit


 

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niemand den Ort erfahre, wo sein Körper bestattet sei. Ohne Zweifel wollte er so der Gefahr entgehen, noch nach seinem Tode von den Feinden geschändet zu werden. Mit ihm starb der erste Märtyrer für die Sache des Bab, ein Mann von der größten Charakterstärke und Unerschrockenheit, der bei längerem Leben dem Babismus außerordentliche Dienste geleistet haben würde. Er ist es gewesen, der dem neuen Glauben jene Bedeutung verliehen, die ein solcher immer erst durch das Blut der für ihn Gefallenen erhält.

   Nach dem Tode ihres großen Führers nahmen die Babi's mit verdoppeltem Fanatismus den Kampf wieder auf. Sie erhöhten die Befestigungen ihrer Burg, während die Truppen des Schahs rings um dieselbe eine hohe Mauer aufführten. Von dort aus beschossen sie die Burg mit Kanonen und setzten durch hineingeschleuderte explosive Stoffe das Innere derselben in Brand. Doch die Babi's verloren nicht den Mut, besserten ihre zerstörten Verschanzungen aus und verteidigten sich mit dem größten Heroismus. Inzwischen war man aber in Tehran im höchsten Grade erzürnt über die Leiter der Belagerung, denn dieselbe dauerte bereits 4 Monate, ohne entscheidende Fortschritte gemacht zu haben. Man beauftragte daher mit der Belagerung den Suleiman Chan aus dem türkischen Stamme der Afscharen, einen der tüchtigsten und tapfersten Führer in Persien. Die Belagerungsarbeiten wurden nun mit Eifer betrieben, und sobald eine Bresche geschossen war, ließ er Sturm laufen. Trotz der entschlossenen Haltung der Babi's gelangten einige von den Königlichen auf die Höhe der Burgmauer, wurden aber durch ein von Mehdi Kuli Mirza in kopfloser Weise gegebenes Rückzugssignal zurückgerufen. Selbst als unmittelbar darauf sich unter den Babi's der erste Verräter fand, der dem Prinzen


 

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seine Hilfe anbot, mißlang der Versuch, sich so in den Besitz der Burg zu setzen. Zwar war der Verräter in die Burg zurückgekehrt, ohne daß man dort seine Abwesenheit bemerkt hatte, und hatte eine kleine Schar von Männern, die durch ihn selbst zum Babismus bekehrt worden waren, überredet, heimlich mit ihm zu entfliehen und zu den königlichen Truppen überzugehen. Aber unterwegs wurden sie von den Soldaten von Laridschan, welche an dem Tage die Wache hatten, und welche man nicht rechtzeitig von dem Vorhaben in Kenntnis gesetzt hatte, niedergeschossen. Noch einmal fand sich ein Überläufer unter den Babi's, welcher der ausbrechenden Hungersnot gegenüber auszuharren nicht imstande war, - aber auch sein Verrat vermochte nichts gegen sie. Einigen anderen Babi's gelang es, sich während der Nacht durch die feindlichen Truppen zu schleichen und zu entkommen. Der Rest der Besatzung war gezwungen, sich von Gras und einem Mehl zu ernähren, das sie aus den Knochen der Leichen herstellten, aber als selbst dieses ausging, trieb die Verzweiflung sie zu einem Entschluß, der für sie einer Profanation gleichkam: sie gruben das Pferd Mulla Huseins aus, das seinen Wunden erlegen war, und verteilten es unter sich.

   Noch einmal unternahmen die Belagerten einen Ausfall, der aber mißlang. Nun gab Suleiman Chan den Befehl zu einem allgemeinen Sturm auf die Burg. Vergebens versuchten die Babi's sich durch die Feinde durchzuschlagen und sich in die Wälder zu retten. Schließlich schritt man zu Unterhandlungen und verbürgte ihnen das Leben, falls sie die Burg räumen und sich ergeben wollten. Es waren ihrer nur noch 214, darunter einige Frauen. Da sie sich im Zustande höchster Erschöpfung befanden, gab man ihnen zu essen, und während dieses ersten Tages wurden sie mit Rücksicht


 

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behandelt. Aber den nächsten Tag überfiel man sie, streckte sie, einen neben den andern auf die Erde und schlitzte ihnen den Bauch auf. Bei vielen bemerkte man, daß ihre Eingeweide mit Gras angefüllt waren. Auch die Überläufer, die Frauen und Kinder wurden abgeschlachtet. Hadschi Mulla Muhammed Ali und einige andere Führer der Babi's wurden öffentlich in Barfurusch hingerichtet. Die Einnahme von Scheich Tebersi fällt in den Sommer 1849; die Belagerung hatte nahezu 9 Monate gedauert.

   Unterdessen war dem Babismus bereits ein neuer, eifriger Apostel erstanden, den Mulla Husein seinerseits noch persönlich während seines Aufenthaltes in Tehran bekehrt hatte. Es war dies ein hoher Geistlicher, namens Mulla Muhammed Ali, aus Zendschan, der Hauptstadt der kleinen Provinz Chamse, die auf dem Wege von Tehran nach Tebriz liegt. Dieser hatte in Mazenderan bei einem berühmten Lehrer mit großem Erfolg studiert, genoß eines großen Ansehens und besaß viele Anhänger. Indessen war er der Geistlichkeit durch seinen unruhigen und neuerungssüchtigen Sinn unbequem geworden. Es gelang ihr, ihn in Tehran zu verdächtigen, sodaß er dorthin gerufen wurde und den Befehl erhielt, die Hauptstadt nicht wieder zu verlassen. Hier lernte er Mulla Husein kennen und wandte sich mit ganzer Seele dem Babismus zu. Dies war noch während der Regierung des Muhammed Schah geschehen. Als dieser aber starb, benutze Mulla Muhammed Ali die unruhige Zwischenzeit bis zum Regierungsantritt Nasireddin Schahs, um in Soldatenkleidern aus Tehran zu entfliehen und nach Zendschan zurückzukehren, wo er noch immer großen Einfluß und einen zahlreichen Anhang besaß. In der That glich seine Rückkehr einem Triumphzug; an seine früheren Anhänger schlossen sich nun auch die Jünger der neuen


 

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Lehre, unter denen viele angesehene Personen waren. Binnen kurzem hatte sich eine Schar von 15000 Mann um ihn gesammelt. Vom ersten Augenblick an suchte er den Erfolg auf gewaltsamem Wege. An der Spitze Bewaffneter erschien er in den Straßen und predigte in der heftigsten Weise in den Moscheen, ohne die geringste Rücksicht auf den Gouverneur oder die Geistlichkeit zu nehmen. In Tehran erregte die Nachricht von diesen Vorgängen große Unruhe. Mirza Teki Chan gab sofort Befehl, sich der Person des Unruhestifters zu bemächtigen. Doch vermochte der Gouverneur von Zendschan, Emir Arslan Chan, nicht diesem Befehle nachzukommen, da ein solcher Schritt von seiner Seite den sofortigen Ausbruch des Kampfes zur Folge gehabt hätte. So begnügten sich die beiden Parteien längere Zeit damit, einander argwöhnisch zu beobachten. Endlich ergriff der Gouverneur einen an sich nichtigen Vorwand, um einzuschreiten. Einer der Anhänger Mulla Muhammed Ali's gab durch ein Vergehen in einer Steuerangelegenheit willkommenen Anlaß, ihn gefangen zu nehmen. Erbittert forderte Mulla Muhammed Ali seine Freilassung, und als hierauf keine Rücksicht genommen wurde, gab er den Befehl, die Pforten des Gefängnisses zu zertrümmern. Emir Arslan-Chan aber, der die Folgen seiner Weigerung vorausgesehen, hatte Truppen nach dem Gefängnis beordert, und als die Unruhestifter in großen Scharen heranzogen, fanden sie den Platz besetzt. Es entspann sich ein wütender Straßenkampf, der allmählich die ganze Stadt in Mitleidenschaft zog und zu ihrer teilweisen Zerstörung führte; er währte den ganzen Tag hindurch, und die einbrechende Nacht fand alle in Waffen, jeden auf dem Posten, dessen er sich gerade hatte bemächtigen können, und ungeduldig des Morgens und des erneuten Kampfes harrend. Mehrere


 

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Tage hindurch war der Erfolg den Babi's so günstig, daß Mulla Muhammed Ali den Plan fassen konnte, sich selbst der Person des Gouverneurs zu bemächtigen; aber als bei dem Versuch, dies ins Werk zu setzen, der Führer der von ihm abgeschickten Truppe, Mirza Salich, fiel, zogen die Babi's sich unverrichteter Sache zurück. Beide Teile hatten so zahlreiche Opfer zu beklagen, daß sie sich eine Zeit lang ruhig verhielten. Nun aber kamen, zur großen Freude der Muslims, von allen Seiten Truppen ihnen zur Hilfe, so daß von jetzt an bei den wiederaufgenommenen Kämpfen das numerische Verhältnis für die Babi's ein immer ungünstigeres wurde. Trotzdem gelang es nur äußerst langsam, einzelne von ihnen besetzte Stadtteile einzunehmen, indem man dieselben unterminierte und in die Luft sprengte. Als Mulla Muhammed Ali erkannte, daß die Seinen allmählich an Terrain verloren, entschloß er sich dazu, die Bazars in Brand zu stecken, um den Feind momentan abzulenken und zu beschäftigen. Und in der That gewannen die Babi's, während die um sich greifenden Flammen einen Teil ihrer Gegner zum Löschen zwangen, die meisten der verlorenen Positionen wieder zurück. Aber die große Zahl der neu heranmarschierten königlichen Truppen stellte den Erfolg wieder in Frage. Die ungeheuren Verluste auf beiden Seiten veranlaßten schließlich den Führer dieser letzteren Muhammed Chan, mit den Babi's in Unterhandlung zu treten. Dies geschah in außerordentlich entgegenkommender Weise; allein die Babi's, welche das Schicksal ihrer Glaubensgenossen in Scheich Tebersi kannten, wiesen alle Vorschläge zurück. Der Kampf wurde daher wieder aufgenommen und von beiden Seiten mit der größten Erbitterung und Grausamkeit geführt. Es erschien jedoch unabwendbar, daß die Babi's endlich der gewaltigen


 

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Ueberzahl erliegen würden. Wie zu Scheich Tebersi gab es in diesen Tagen einzelne Ueberläufer unter ihnen, und, wie dort, versuchte es ein halbes Hundert Mann zu entweichen und sich durch die Feinde durchzuschlagen. Sie wurden indessen in den umliegenden Ortschaften festgenommen, zurückgeführt und abgeschlachtet. Der Rest in Zendschan hielt, trotz Hunger und Wunden, heldenmütig Stand und bewies eine nicht geringere Selbstverleugnung, als die Schar Mulla Husein in Scheich Tebersi.

   Mulla Muhammed Ali hatte in den letzten Kämpfen eine Armwunde erhalten und war in ein Haus getragen worden, das gleich darauf der Zielpunkt des Angriffs der feindlichen Truppen wurde. Sie beschossen es, und eine Kanonenkugel zertrümmerte es so, daß die Mauern zusammen stürzten; trotzdem gelang es nicht, die mit Löwenmut verteidigte Ruine zu nehmen. Aber die Wunde Mulla Muhammed Ali's hatte infolge des Zusammensturzes des Hauses einen gefährlichen Charakter angenommen, so daß er ihr nach einer Woche erlag. Gleich Mulla Husein versammelte er vor seinem Tode noch einmal die Seinen um sich und empfahl ihnen Standhaftigkeit und Glaubenstreue bis in den Tod. Er lächelte, während er seine letzten Worte an sie richtete, und bemühte sich, ihnen den Eindruck heiterer Zuversicht und Fassung zu hinterlassen. Als er jedoch gestorben, machte sich sofort die furchtbare Lücke fühlbar, die sein Tod gerissen hatte; die Babi's waren so gut wie führerlos. In einem hastig zusammenberufenen Kriegsrat beschlossen sie, einen Brief an die Befehlshaber der königlichen Truppen abzusenden, in welchem sie sich verpflichteten, die Waffen niederzulegen, falls man ihnen das Leben verbürge. Da der Tod Mulla Muhammed Ali's  dem Feinde glücklicherweise noch unbekannt geblieben war,


 

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gelang es den Babi's, so günstige Bedingungen zu erlangen, daß ihr Leben vollkommen sichergestellt schien. Als sie aber daraufhin die Stadt räumten, ließ der Tod ihres gefürchteten Führers sich nicht länger verheimlichen. Sein Grab wurde auf Befehl der feindlichen Generale geöffnet, sein Leichnam durch die Straßen geschleift und dann den Hunden vorgeworfen. Gleichzeitig ergriff eine so wilde und rachsüchtige Stimmung die Befehlshaber der Truppen, daß, anstatt des zugesicherten freien Abzugs, die Babi's überfallen und in grausamster Weise niedergemetzelt wurden.

   Die Vorgänge in Zendschan hatten sich bis gegen Ende des Jahres 1850 hingezogen. In demselben Jahre hatten auch die Babi-Aufstände im südlichen Persien, in Jezd und Neiriz, stattgefunden, und in Tehran waren 7 Babi's, unter ihnen der Onkel mütterlicherseits des Bab, hingerichtet worden. Das wichtigste Ereignis war aber die Hinrichtung des Bab selbst, zu dessen letzten Schicksalen wir uns nunmehr wenden.

   Der Bab war, wie bereits erwähnt, seit Anfang des Jahres 1847 in Maku; man bewachte ihn dort, ohne ihn jedoch vollständig von der Außenwelt abzusperren, so daß er, wenn auch in beschränktem Maße, seine Lehre predigen konnte. Mirza Teki Chan, der um jeden Preis Ruhe im Lande schaffen wollte, beschloß, das Uebel an der Wurzel anzugreifen und durch die Hinrichtung des Bab der Bewegung ein für allemal ein Ende zu setzen. Doch sollte die Hinrichtung nicht gleich stattfinden, sondern es sollte ihr noch der Versuch vorhergehen, den Bab, ehe man ihn körperlich tötete, auch geistig und moralisch zu vernichten: d. h. das begeisternde und vergötterte Phantasiebild, welches seine Anhänger von ihm im Herzen trugen, zu zerstören. Mirza Teki Chan hatte nämlich eine überaus geringe Meinung von


 

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der geistigen Ueberlegenheit und der Charaktergröße des Bab, der die furchtbaren Kämpfe der Seinen weder hatte teilen noch leiten können und in seiner Abgeschlossenheit ein stilles, beschauliches Dasein führte. Er wähnte ihm am meisten dadurch schaden zu können, wenn er ihn der Oeffentlichkeit preisgäbe, indem er ihn nach Tehran führen ließ und aller Augen auf den gefangenen und vielleicht linkisch und schüchtern auftretenden Mann lenkte, der schwerlich imstande sein würde, der Redegewandtheit und Dialektik muslimischer Theologen Stand zu halten. Aber die Besorgnis, daß der Bab, in dieser Weise herausgefordert, schließlich doch die sanfte Passivität,die er bisher gezeigt, abstreifen und durch sein Auftreten oder gar durch Wunderthaten die Bevölkerung hinreißen könnte, ließen den Minister von diesem Plan Abstand nehmen.

   Anstatt dessen wurde Mirza Ali Muhammed nach Tebriz gebracht, wo er vor dem Prinzen Hamze Mirza, dem damaligen Gouverneur der Provinz Azerbeidschan, ein Verhör zu bestehen hatte. Zu diesem war die Geistlichkeit dringend aufgefordert worden, sich einzufinden, damit sie sich ein Urteil über seinen falschen Glauben und seine Irrlehren bilde. Die Geistlichen verlangten jedoch kurzweg seine Hinrichtung und weigerten sich auf eine Diskussion einzugehen. Laien waren es, die während der Versammlung Fragen an den Bab stellten und ihn der Häresie zu überführen suchten. Hierbei bewies aber dieser eine so große Beredsamkeit und Überlegenheit, daß es geraten schien, ohne weiteres zu seiner Hinrichtung zu schreiten. Mit ihm sollten zwei seiner vertrautesten Schüler, die seine Gefangenschaft in Maku mit ihm geteilt hatten, Aka Seyyid Husein aus Jezd und Mirza Muhammed Ali, ein junger Kaufmann aus Tebriz, getötet werden.


 

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   Am Morgen des 8. Juli 1850 wurden die Pforten des Gefängnisses geöffnet und der Bab nebst seinen beiden Schülern aus dem selben herausgeführt. Man prüfte noch einmal die Stärke der Eisenfesseln, die sie um den Hals und die Handgelenke trugen, und befestigte an dem Halsring eines jeden einen langen Strick, an dem die Gerichtsdiener sie durch die Straßen und Bazare der Stadt führten, damit jeder sie betrachten könne. Man überschüttete sie mit Schimpfworten und Schmähungen, und vergebens versuchten die in der Volksmenge vorhandenen Babi's Teilnahme für ihren Meister zu erwecken. Nach diesem Gang durch die Stadt brachte man die drei Gefährten zu zwei der hervorragendsten Geistlichen von Tebriz, von denen sie verhört und befragt werden sollten. Die Gegner des Bab behaupteten, er habe bei dieser Gelegenheit nicht nur thatsächlich den Widerruf geleistet, sondern auch geweint und um Gnade gefleht.

 

   Als ihnen dann das Todesurteil verlesen wurde, fiel der eine der beiden Jünger des Bab, Aka Seyyid Husein, von ihm ab. Er warf sich weinend auf die Erde, bat um Verzeihung für seine Lehren und erklärte, daß er am Ende seiner Kräfte sei. Es wurde ihm bedeutet, er werde begnadigt und sofort freigelassen, wenn er den Bab verfluchen und ihm in das Gesicht speien wolle. Dem Bab gegenübergestellt, fluchte er ihm zitternd und spie ihm ins Gesicht, worauf die Ketten ihm abgenommen und er freigegeben wurde. Er verließ sofort die Stadt und wandte sich nach Tehran, wo wir ihn später wiederfinden werden. Man bemühte sich nun, auch den zweiten Schüler zur Verleugnung seines Meisters zu bewegen, und der Umstand, daß seine Familie in Tebriz anwesend war, sein Reichtum und seine Jugend schienen das Vorhaben zu begünstigen. Seine junge


 

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Frau, umgeben von ihren kleinen Kindern, wurde ihm in der Mitte des Bazars vorgeführt; sie beschwor ihn jammernd, seinem Glauben zu entsagen; doch er blieb unerschütterlich und bat nur, daß man ihn vor seinem Meister töten möge. Endlich gegen Sonnenuntergang geleitete man beide auf den Wall der Citadelle, zog einen Strick unter ihre Achseln durch und ließ sie dergestalt daran hinab, daß sie einige Fuß über dem Boden schwebten. Auf dem offenen Platz vor dem Wall, auf den Dächern der umliegenden Häuser drängte sich das Volk und beobachtete das Schauspiel.

   Den beiden Gefährten gegenüber war eine Abteilung Soldaten des aus Christen bestehenden Regiments Behaduran aufgestellt; nur höchst ungern hatten sie sich dem an sie ergangenen Befehle gefügt. Zu muslimischen Truppen besaß man indessen in diesem Fall nicht das genügende Vertrauen. In dem Augenblicke, wo die Soldaten Feuer gaben, hörte man deutlich den Jünger zu seinem Meister sagen: "Mein Meister, bist Du mit mir zufrieden?" Da trafen die Kugeln den Sprechenden und töteten ihn sofort. Der Bab dagegen blieb unverletzt; nur der Strick, an welchem er hing, war von einer Kugel durchschnitten worden, so daß er auf seine Füße niederfiel. Sofort erhob er sich und wollte entfliehen, und da er in der Nähe ein Wachthaus erblickte, stürzte er halb unbewußt in dasselbe hinein und suchte dort eine Zuflucht. Hätte er sich statt dessen in die versammelte Volksmasse geworfen, so wäre er wahrscheinlich gerettet gewesen; denn Truppen, wie Volk waren durch die einem Wunder gleichende, plötzliche und unerwartete Wendung der Dinge so überrascht, daß weder unter den Muslims noch unter den Christen sich irgend jemand gefunden hätte, der zum zweitenmal auf ihn hätte feuern mögen. Einen Augenblick lang


 

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hielt ein abergläubisches Entsetzen die Zuschauer gefangen; in der nächsten Sekunde wäre wahrscheinlich ein allgemeiner Tumult entstanden, und die Menge hätte die Partei des so sichtlich unter dem Schutze des Himmels stehenden ergriffen. Ein Aufstand in Tebriz aber, der zweitwichtigsten Stadt des Landes, hätte die weitgehendsten Folgen haben, ja dem Babismus sofort zum Siege verhelfen können. Da eilte ein Offizier in das Wachthaus und hieb den Bab nieder; und als die Soldaten sahen, daß er verwundbar sei, töteten sie ihn mit einigen Flintenschüssen vollends. Sein Leichnam wurde während mehrerer Tage durch die Straßen der Stadt geschleift und dann in den Stadtgraben geworfen, um den halbwilden Hunden und den Schakalen als Beute zu dienen. - So starb Mirza Ali Muhammed, der Bab, im noch nicht vollendeten dreißigsten Lebensjahre.

   Mirza Teki Chan, der erste Minister, glaubte, daß jetzt, wo die Person des Bab beseitigt war, die durch ihn hervorgerufene Bewegung naturgemäß durch den Wegfall ihrer Ursache zum Stillstand gebracht sei, und daß er jetzt nichts mehr von babistischen Unruhen und Aufständen hören werde. Allein er täuschte sich; das Feuer schien nur erstickt, im Stillen aber glomm es weiter, und der Hinrichtung des Bab sollte ein noch unendlich blutigeres Nachspiel folgen. Mirza Teki Chan sollte dies allerdings nicht mehr erleben, denn am 9. Januar 1852 wurden ihm auf Befehl des Schah, in dem Schlosse Fin bei Kaschan die Adern geöffnet. Dieser wahrhaft große Staatsmann hatte sich die völlige Neugestaltung Persiens zur Lebensaufgabe gemacht, und vom ersten Tage seiner Amtsführung an nahm er daher mit ebenso viel geistiger Überlegenheit wie Kühnheit und Ausdauer den Kampf auf gegen die Bestechlichkeit und Habsucht der Beamten sowie gegen die Uebergriffe


 

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und die Herrschsucht der Geistlichkeit. Sein Angriff richtete sich also genau gegen dieselben Mächte, gegen welche sich auch der Bab gewendet hatte. Beide, der Staatsmann wie der Religionsstifter, hatten genau dieselben Gegner und es ist wahrhaft tragisch, daß die Verhältnisse sie in Gegensatz zu einander gebracht haben, und daß der Verteidiger der Staatsidee seinen eigenen Widersachern den Dienst leisten mußte, ihren gefährlichen Feind aus dem Wege zu räumen. Er selbst ist dann schließlich ihren Intriguen zum Opfer gefallen; und an seine Stelle ist kein anderer getreten, der sein Werk fortgesetzt hätte. Die Gedanken und Hoffnungen des Bab aber leben noch in den Tausenden seiner Anhänger fort, und es bedarf vielleicht nur einiger günstiger Umstände, damit sie jene Wiedergeburt Persiens verwirklichen, für welche ihr Meister gestorben ist.

   Einige Monate nach dem Sturze und dem Tode Mirza Teki Chans begann ein seltsames Gerücht in Tehran aufzutauchen; es hieß, daß das Ende des arabischen Monats Schawwal für den Schah verhängnisvoll sein, und daß er eines gewaltsamen Todes sterben werde. Er bewohnte damals - es war im Sommer 1852 . sein Lustschloß Niaweran, 16 Kilometer nordöstlich von Tehran, am Fuße des Elburzgebirges. Man erzählt, daß er eines Tages im Garten gesessen und die ersten Wassermelonen des Jahres gekostet habe. Da habe er in seiner Nähe drei Männer bemerkt, die mitten in der Sonne angestrengt arbeiteten; mitleidig habe er ihnen einige Wassermelonen reichen lassen. Diese Männer sollen Babi's gewesen sein, die abgesandt waren, den Schah zu ermorden, und die sich zu diesem Zwecke als Gartenarbeiter verdungen hatten. Aber sie brachten es nicht über ihr Herz, denjenigen, der in jenem Augenblicke ihr Herr war, und dessen Brot sie aßen, in seinem eigenen


 

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Hause umzubringen. Sie beschlossen daher einige Tage zu warten, damit so die Wirkung der ihnen erwiesenen Freundlichkeit gewissermaßen allmählich erlösche. So kam der vorletzte Tag des Monats Schawwal, der 15. August, heran. An diesem Tage unternahm der Schah einen Spazierritt; er hatte erst eine kurze Strecke von seinem Schlosse zurückgelegt und ritt ganz allein, da seine Begleitung sich wegen des Staubes in einiger Entfernung vor und hinter ihm hielt. Da sah er am Wege drei Männer stehen - es waren jene drei Gartenarbeiter - welche sich tief vor ihm verneigten und, wie es schien, ihm nach landesüblicher Sitte eine Bittschrift überreichen wollten. Aber plötzlich stürzten sie sich auf ihn; der eine ergriff den Zügel des Pferdes und feuerte aus nächster Nähe eine Pistole auf den König ab, während die anderen ihn vom Pferde zu reißen suchten. Mit großer Geistesgegenwart war der Schah dem Schusse ausgewichen, indem er das bekannte Reiterkunststück ausführte und sich auf die entgegengesetzte Seite des Pferdes warf; es trafen ihn nur einige Rehposten in der Gegend der Gesäßmuskeln. Entschlossen wehrte er sich mit der Faust gegen seine Angreifer, wobei er durch die Sprünge seines erschreckten Pferdes unterstützt wurde. Endlich kam ihm auch sein Gefolge zu Hilfe, das zuerst, verdutzt und erschreckt, große Neigung zum Zurückweichen gezeigt hatte. Der eine der Mörder - es war derjenige, welcher den Schuß abgefeuert hatte - setzte auch jetzt noch seine Angriffe gegen den Schah mit der größten Hartnäckigkeit fort, so daß er niedergehauen werden mußte.; die beiden andern gelang es zu überwältigen und zu knebeln. Die Pistolen und die Munition, die man bei ihnen fand, waren so schlecht, daß sie damit schwerlich ihr Ziel hätten erreichen können; in der That erklärten sie auch bei dem später angestellten Verhöre,


 

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daß es gar nicht in ihrer Absicht gelegen, den Schah zu erschießen; sie hätten ihn nur durch einen Schuß verwunden und widerstandsunfähig machen wollen, um ihm dann, der von ihren Oberen erhaltenen Weisung gemäß, den Kopf abzuschneiden.

   Inzwischen war der Schah, der nur leicht verwundet war, zu Fuß in das Schloß zurückgekehrt, wo alles in der größten Verwirrung war. Dort nimmt er die Glückwünsche der Gesandtschaften entgegen, und dort treffen auch kurze Zeit nachher Boten seitens des Gouverneurs von Tehran ein, die anfragen sollen, ob irgend etwas vorgefallen sei, da seit dem vorhergehenden Abend die beunruhigendsten Gerüchte in der Stadt umliefen, und die Aufregung der Bevölkerung im Zunehmen sei. Um die Einwohner der Hauptstadt zu überzeugen, daß der Anschlag gegen das Leben des Königs mißglückt sei, wurde nun der Körper des getöteten Babi an dem Schwanz eines Maultieres nach Tehran geschleift; und am folgenden Tage verkündeten 110 Kanonenschüsse, daß der Schah einen großen öffentlichen Empfang (Selam) abhalte.

   Nachdem die erste Aufregung sich gelegt hatte, galt es die eigentlichen Urheber des Anschlages zu ermitteln und den Umfang der Verschwörung festzustellen, aber ein wiederholt vorgenommenes Verhör der beiden festgenommenen Babi's führte, trotz Anwendung der Folter, zu keinem Resultat. Die beiden Gefangenen erklärten, daß sie lediglich die Befehle ihrer außerhalb Persiens weilenden Vorgesetzten ausgeführt und keine Mitschuldigen hätten. Jetzt wurde die Polizei der Hauptstadt in Bewegung gesetzt und eine regelrechte Jagd auf Babi's und des Babismus verdächtige Personen angestellt. In der That scheint eine Verschwörung bestanden zu haben, deren Haupt Mulla Scheich Ali aus Turschiz(3) in Khura[san],


 

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 einer der frühesten Schüler des Bab, gewesen sein soll. Es heißt, zwölf entschlossene Männer seien ausgewählt worden, um den Schah an dem festgesetzten Tage zu ermorden, und das Mißlingen des Planes sei nur auf die Hast und den Übereifer der drei wirklichen Attentäter zurückzuführen, die, ohne das Eintreffen ihrer Genossen abzuwarten, eine halbe Stunde zu früh zur Ausführung der That geschritten seien.

   Die mit dem größten Eifer und unter Anwendung aller nur denkbaren Mittel angestellten Nachforschungen der Polizei führten schließlich zu der Verhaftung von etwa 70 Personen, unter denen auch Frauen und Kinder waren. Nach einem vergeblichen Versuch, irgendwelche Angaben und Geständnisse aus ihnen herauszupressen, beschloß man zur Hinrichtung der Schuldigen zu schreiten. Aber diese sollte in ganz besonderer Weise ins Werk gesetzt werden. Mirza Agha Chan Nuri, der damalige erste Minister, erklärte, daß die Verantwortlichkeit für den Tod der gefangenen Babi's nicht ausschließlich auf den Schah und ihn selbst fallen dürfe, sondern daß sie geteilt werden und gleichmäßig auf allen Würdenträgern und Beamten lasten müsse, daß alle, ohne Ausnahme, verpflichtet seien, sich an der Arbeit des Henkers zu beteiligen. Hierdurch hoffte er zu verhindern, daß die Rache der Babi's sich auf den König und ihn, als den ersten Ratgeber des Königs, konzentriere; außerdem aber sollten so die vielleicht unter den Angestellten der Regierung vorhandenen heimlichen Babi's zu Mördern ihrer Brüder gemacht und ihren Glaubensgenossen gegenüber kompromittiert werden.

   Nach dem von dem ersten Minister ersonnenen Plan wurde nun wirklich verfahren; alle Zweige der Verwaltung, alle Klassen des Zivil- und Militärstandes, die Prinzen, die Ministerien, die Geistlichkeit, die Hof[beamten],


 

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 die Generalität, die einzelnen Waffengattungen, die Kaufmannschaft, die Handwerker: kurz alles erhielt seinen Babi zum Abschlachten zugeteilt. Selbst an den französischen Leibarzt des Schah, den Dr. Cloquet, wurde das Ansinnen gestellt, die Anhänglichkeit an seinen königlichen Herrn durch Beteiligung an den Hinrichtungen zu bethätigen, was er jedoch mit der scherzhaften  Wendung zurückwies, daß er in der Ausübung seines Berufes schon zu viele Menschen umgebracht habe, als daß er den Wunsch haben könne, ihre Zahl noch absichtlich zu vermehren. Nur sich selbst hatte der erste Minister schließlich vorsichtigerweise ausgenommen, vielleicht in der Meinung, daß es genüge, wenn einer von der Familie, nämlich sein Sohn in der Eigenschaft als Minister des Innern, Henkerdienste thue.

   Wenn es in der Absicht Mirza Aga Chans gelegen hatte, die Hinrichtung der Babi's zu einem möglichst schrecklichen Schauspiel zu machen, so erreichte er seinen Zweck vollkommen; nicht umsonst hatte er an alle Instinkte der Bestie im Menschen appelliert. Der Wunsch, die Ergebenheit gegen den obersten Herrn und Gebieter vor aller Welt in eindringlichster Weise zu bekunden; die Furcht, durch eine unzeitgemäße Milde in den Verdacht zu kommen, daß man für die Babi's Mitleid empfinde oder gar einer von ihnen sei; die in dem Orientalen schlummernde und jetzt geweckte Grausamkeit, alles das erzeugte einen wahrhaft grauenerregenden Wetteifer zwischen den als Liebhaber auftretenden und den berufsmäßigen Henkern, in dem jene so Ungewöhnliches leisteten, daß nach Beendigung der Hinrichtungen die Henker des Schahs sämtlichen Ministern Zuckerwerk (schirini) überreichten, um ihnen dadurch nach Landessitte, wie zum Antritt eines neuen Amtes, in diesem Falle das des Scharfrichters, ihren Glückwunsch (3*) darzubringen.


 

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   Was an Martern und gräßlichen Todesarten nur erdacht werden konnte, wurde in Anwendung gebracht; einzelne Stände suchten hierbei in schauerlich-sinnreicher Weise einen Hinweis auf ihre täglichen Hantierungen anzubringen. So verwendeten die Artilleristen ihre Kanonen dazu, um den ihnen Überlieferten, nachdem sie ihm die Augen ausgerissen, vor der Mündung wegblasen zu lassen; die Infanteristen töteten ihr Opfer durch Bajonettstiche; die Sekretäre des Ministerium des Auswärtigen zerstückelten dasselbe mit ihren Federmessern, während andere zu Säbeln, Beilen und Keulen griffen. Der Oberstallmeister des Schah und seine Untergebenen trieben Hufeisen in die Sohlen des von ihnen zu Marternden, zwangen ihn zu tanzen und peitschten ihn schließlich zu Tode. Einigen Unglücklichen wurden Löcher in den Körper gebohrt und brennende Kerzen in dieselben gesteckt. Und bei der Ausführung aller dieser Scheußlichkeiten gab man sorgfältig Acht darauf, daß jedes einzelne Mitglied der verschiedenen Berufsklassen sich an der vorzunehmenden Hinrichtung beteilige und selbst Hand mit anlege. Später wurden dann in der Tehraner Zeitung die Namen der vornehmsten Hingerichteten nebst Angaben ihrer Henker und der von diesen für sie gewählten Todesart zur Kenntnis aller gebracht. Selbst die Leichname der Getöteten wollte man in einer für das Gefühl des Persers besonders verletzenden Weise schänden, indem man den Dr. Polak, der damals Lehrer an der medizinischen Schule in Tehran und später Leibarzt des Schah war, aufforderte, sie zu sezieren, was dieser jedoch auf das Entschiedenste ablehnte.

   Aber was man auch an Schrecknissen und Qualen erfand, nichts war im Stande, die Todesverachtung und die Standhaftigkeit der Babi's zu erschüttern; keiner ver[leugnete]


 

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 seinen Glauben, mit der größten Freudigkeit gingen alle für ihn in den Tod. Die große Maße der Verurteilten, Männer, Frauen und Kinder, wurden mit Peitschenhieben nach dem Richtplatz getrieben. Aus zahlreichen Wunden blutend, zumteil verstümmelt, schritten sie einher, indem sie sangen: "In Wahrheit, von Gott kommen wir und zu ihm kehren wir zurück!" Dem Suleiman Chan, einem der hervorragendsten Babi's, in dessen Hause in Tehran sie sich zu versammeln pflegten, waren in der bereits erwähnten Weise brennende Lichter in die Wunden gesteckt worden. Trotz der Qualen, die er erduldete, tanzte und sang er und gab der Freude über das ihm bevorstehende Martyrium Ausdruck; noch lebend wurde er mit einem Beile in zwei Teile gehauen. Einige von den Kindern erlagen auf dem Wege; die Leichname warf man vor die Füße ihrer Eltern und Geschwister; aber unbewegt und ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen, schritten diese darüber hinweg. Noch auf dem Richtplatz wurden Versuche gemacht, einzelne zum Abfall zu bewegen. Einer der Henker kam auf den fürchterlichen Gedanken, einem Vater damit zu drohen, er werde auf dessen eigener Brust seinen beiden Söhnen den Hals abschneiden, falls er seinen Glauben nicht abschwöre. Ohne einen Augenblick zu zögern, legte der Vater sich auf den Boden nieder und erklärte, daß er bereit sei, und der älteste der beiden Knaben, im Alter von nur 14 Jahren, nahm sofort ungestüm das Recht seiner Erstgeburt in Anspruch und verlangte, zuerst abgeschlachtet zu werden.

   Unter denen, welche damals als Märtyrer für die Lehre des Bab starben, befanden sich auch zwei seiner ältesten Anhänger. Der eine von ihnen war jener Aka Seyyid Husein, der, um sein Leben zu retten, in Tebriz seinen Meister vor der Hinrichtung verleugnet hatte.


 

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Von den schrecklichen Eindrücken jenes Tages wieder zur Besinnung gelangt, hatten ihn Reue und Verzweiflung ergriffen, und sobald er in Tehran angelangt war, begab er sich zu den Führern der Babi's, erzählte ihnen, was geschehen, und klagte sich selbst mit den bittersten Vorwürfen an. Man verzieh ihm; aber er vermochte seitdem keine Ruhe mehr zu finden und ersehnte den Tag herbei, wo er durch den Tod Zeugnis für seinen Glauben ablegen könne. Als er nach dem Attentat auf den Schah im Hause Suleiman Chans festgenommen worden war, bekannte er sich mit der größten Leidenschaftlichkeit zum Babismus und überhäufte seine Richter mit Hohn und Spott. Jetzt gedenken seine Glaubensgenossen seiner nur mit der größten Verehrung und behaupten, sein Abfall in Tebriz sei nur zum Schein und auf den Befehl des Bab selbst erfolgt, damit er über die dortigen Vorgänge den Gläubigen berichten und ihnen die Aufzeichnungen und die letzten Worte des Propheten überbringen könne.

   Die andere war Qurret ul Ain, die wir seiner Zeit in Mazenderan verlassen haben, wo sie für den neuen Glauben thätig war. Bei Beginn der Kämpfe vor Scheich Tebersi verließ sie jene Provinz und ging nach Hamadan, wo es ihr gelang, nicht nur bei den Muslims, sondern auch bei den dort ansässigen, ziemlich zahlreichen Juden einen großen Eindruck hervorzurufen. Dann verlieren wir für längere Zeit vollständig ihre Spur, um sie schließlich in Tehran im Hause des Bürgermeisters (Kelanter) der Stadt, Mahmud Chan, wiederzufinden. Dort wurde sie in Gewahrsam gehalten, aber gut behandelt. Der Zauber, den ihre Schönheit, ihr Geist und ihr Charakter auf alle ausübte, die mit ihr in Berührung kamen, scheint auch auf Mahmud Chan nicht ohne Wirkung geblieben zu sein. Er suchte sie zu retten und


 

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schlug ihr vor, sie solle bei ihrem Verhör in Niaweran scheinbar ihren Glauben verleugnen. Aber mit ruhiger Entschiedenheit wies sie diesen Vorschlag zurück und pries sich glücklich, ihr Leben für Gott hingeben zu dürfen. Mahmud Chan aber prophezeite sie, daß er auf Befehl seines Herrn getötet werden würde, und ermahnte ihn, vor seinem Tode sich der vom Bab verkündeten Wahrheit zuzuwenden. Diese Prophezeiung, von deren Wirklichkeit nicht nur die Babi's, sondern auch die Muslims überzeugt sind, sollte in der That in Erfüllung gehen, denn am 1. März 1861 wurde Mahmud Chan während eines durch die damalige Hungersnot hervorgerufenen Volksauflaufes auf Befehl des Schah erdrosselt.

   Nachdem dann Qurret ul Ain bei ihrem Verhöre sich offen zu ihrem Glauben bekannt hatte, war das Todesurteil über sie gesprochen. Ihre Hinrichtung wurde von dem Kriegsminister und seinen Adjutanten vollzogen und ein Europäer, Dr. Polak, hat als Augenzeuge Zeugnis abgelegt von der geradezu übermenschlichen Stärke, mit der sie den langsamen Tod erduldet hat.

   Die geschilderten Henkerszenen haben nicht den von der Regierung erwarteten Eindruck hervorgebracht; anstatt vom Babismus zurückzuschrecken, haben sie demselben neue Anhänger zugeführt; die wahrhaft bewunderungswürdige Standhaftigkeit, mit der die  Babi-Märtyrer in den Tod gingen, hat zu den Gemütern des Volkes mit mächtigerer Stimme gesprochen, als alle Predigt es vermocht hätte. Seit jener Zeit hat die Zahl derer, welche sich zur Lehre des Bab bekennen, stetig zugenommen.

   Es wird jetzt nötig sein, auf diese Lehre selbst einen kurzen Blick zu werfen. Zahlreich sind die Werke die Mirza Ali Muhammed verfaßt hat; es genügt, auf die wichtigsten hinzuweisen. Die früheste seine Schriften ist


 

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das Zinyaret-name, d. i. "Das Wallfahrtsbuch", welches Vorschriften und Gebete für den Besuch der Gräber der Imame enthält. Es zeigt uns den späteren Bab in der Hauptsache noch als einen Schüler Scheich Ahmed Ahsai's und Hadschi Seyyid Kazim's. Das erste Buch, in welchem er in bestimmter Weise eine göttliche Mission für sich in Anspruch nimmt, ist der um 1845 entstandene Kommentar über die zwölfte Sure des Koran, welche die Geschichte des Joseph enthält und daher dessen Namen trägt. In der Form einer Auslegung derselben legt er seine neue Lehre dar, ohne jedoch bereits völlig mit dem Alten zu brechen. Aeußerlich wenigstens werden die Vorschriften des Islam noch festgehalten, der Koran selbst nicht aufgehoben. Doch wird es mit voller Entschiedenheit ausgesprochen, daß die wahre Kenntnis des Islam nur durch das Medium des Bab möglich sei, der in besonderem geistigen Verkehr mit dem Imam Mehdi stehe. Dasjenige Werk aber, welches gewissermaßen als die Bibel der Babi's betrachtet werden kann, heißt Beyan, d. i. "Erklärung, Darlegung"; es ist in dreifacher Fassung vorhanden, in einer kürzeren und in einer längeren arabischen, und in einer persischen. Diese letztere, der persische Beyan, ist besonders wichtig, denn sie ist in den drei letzten Lebensjahren des Bab, von 1847 bis 1850, in Maku ausgearbeitet worden und darf daher als die endgültige Darstellung seiner Glaubenslehre angesehen werden.

   Die Grundzüge derselben sind: die unwandelbare und unveränderliche Wesenheit Gottes hat von Ewigkeit zu Ewigkeit in unnahbarer Herrlichkeit und Reinheit bestanden. Niemand hat vermocht, sie wahrhaft zu erkennen, niemand ist imstande, sie nach Gebühr zu preisen; denn über alle Namen und Gleichnisse ist sie erhaben. Alles kennt sie, ist aber selbst unerkennbar.


 

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Aus ihr ist die Welt hervorgegangen, welche weder einen Anfang noch ein Ende in der Zeit hat. Hervorgerufen ist die Welt durch einen Akt des Urwillens; obgleich ewig, ist sie in ihrem Verhältnis zu diesem als ihrer Ursache das Spätere. Da es für geschaffene Wesen unmöglich ist, die göttliche Wesenheit zu erkennen, so hat der Urwille von Zeit zu Zeit zu ihrer Führung und Belehrung menschliche Form angenommen. Diese Fleischwerdungen des Urwillens bezeichnen wir mit dem Namen "Propheten", und es hat deren zahllose in der Vergangenheit gegeben, wie es deren auch in der Zukunft unzählige geben wird. Das, was durch die Propheten der Vergangenheit zu den Menschen gesprochen, das spricht jetzt durch den Bab, oder genauer den Nukte "den Punkt", zu ihnen; und auch noch nach ihm wird es zu ihnen sprechen durch "den, welchen Gott sichtbar machen wird", und nach diesem wieder durch andere; denn diese Offenbarungen werden niemals ein Ende nehmen. In seinem sich immer wiederholenden Inkarnationen gleicht der Urwille der Sonne, welche jeden Tag neu aufgeht, aber immer die nämliche ist, gleichviel ob sie uns gestern schien, oder morgen ihr Licht spendet. Nur in dem Sinne, wie wir von einer gestrigen, heutigen und morgigen Sonne reden können, dürfen wir die verschiedenen Propheten als Adam, Noah, Moses, David, Jesus und Muhammed unterscheiden: in Wirklichkeit aber ist es einzig und allein der Urwille, der in einem jeden von ihnen verkörpert war. Zuletzt ist er uns in Muhammed erschienen; jetzt aber offenbart er sich in der Person Mirza Ali Muhammeds. In einer jeden Offenbarung wird bereits auf die folgende hingewiesen: die Juden waren auf die Ankunft Christi, des Messias, die Christen auf die des Muhammed, und die Muhammedaner auf die des Imam Mehdi vorbereitet, aber als die ange[kündigten]


 

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 Propheten nun wirklich erschienen, da haben viele sie nicht erkannt und sich ungläubig von ihnen abgewendet.

   Aber wenn nun auch alle Propheten als Fleischwerdungen des Urwillens einander durchaus gleich sind, so läßt sich dich doch dasselbe nicht von ihren Offenbarungen sagen. Denn die Menschheit schreitet beständig vorwärts; und wie der Unterricht des heranwachsenden Kindes sich der zunehmenden Fassungsgabe desselben anpassen muß und immer umfassender und tiefer eindringend werden wird, so entsprechen auch die der Menschheit zuteil gewordenen Offenbarungen des Urwillens den verschiedenen Entwicklungsstufen derselben. Die vollständigste und höchste aller bisherigen Offenbarungen ist die im Beyan enthaltene des Bab; aber auch sie darf nicht als etwas Endgültiges betrachtet werden. Sie ist nur der Same, aus dem eine noch höhere und vollere Wahrheit emporwachsen wird. Wenn die Menschheit durch den Beyan genügend für diese vorbereitet sein wird, dann wird sie verkündet werden durch "den, welchen Gott sichtbar machen wird". In der Erwartung dieses zukünftigen Propheten sollen die Gläubigen leben, auf seine Ankunft vorbereitet sein, und wenn er endlich erscheint, sich ihm nicht widersetzen und ihn nicht durch Zweifel und Ungläubigkeit kränken.

   Eigentümlich ist die hohe Bedeutung, welche der Zahl 19 in der Lehre des Bab beigelegt wird. Der Weg, auf welchem sie zu dieser Auffassung gelangt, ist der folgende: Bekanntlich haben die Buchstaben des arabischen Alphabetes bestimmte Zahlenwerte, welche ihrer ursprünglichen, von der jetzt üblichen abweichenden Reihenfolge entsprechen. Außerdem hat man aber schon frühzeitig den einzelnen Buchstaben eine mystische Bedeutung unterlegt, so war z. B. der erste Buchstabe, A, der


 

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Ausdruck der Wesenheit Gottes, B der des Weltgeistes u. s. w. Durch gleichzeitige Anwendung der mystischen Bedeutung, wie des Zahlenwertes der Buchstaben gelang es dem Bab, in bestimmten, Gott und sein Wesen bezeichnenden Worten, in gewissen heiligen Formeln und anderen Dingen, überall das Vorhandensein der Zahl 19 oder einer ihrer Vielfachen nachzuweisen; so ist der Buchstabe A, der Ausdruck für die Wesenheit Gottes, = 1; eins heißt aber im Arabischen vahid; summiert man die Zahlenwerte der dieses Wort zusammensetzenden Buchstaben, so erhält man 19. Gott ist das absolute Sein; im Arabischen wird dieses durch vudschud bezeichnet, das ebenfalls den Zahlenwert 19 hat. Die bekannte Formel "im Namen Gottes, des allbarmherzigen Erbarmers" besteht im Arabischen aus 19 Buchstaben; der Koran hat 114 = 19 X 6 Suren. Durch ähnliche und noch verwickeltere Kombinationen gelingt es nun, in allen möglichen Dingen die Zahl 19 zu entdecken. Sie ist also die heilige Zahl, nach der die gesamte Welt in einer geradezu der Natur der Gottheit entsprechenden Weise angeordnet ist; sie muß daher auch als die Norm gelten, nach der alle menschlichen Einrichtungen zu regeln sind, damit sie im Einklang stehen mit jenem Gesetz allgemeiner Harmonie. So umgeben Mirza Ali Muhammed 18 Jünger, was mit ihm zusammen 19 giebt. Der arabische Beyan besteht aus 19 Einheiten (Vahid), deren jede 19 Kapitel (Bab) enthält. Das Jahr der Babi hat 19 Monate von je 19 Tagen, und 19 Namen dienen zur Bezeichnung sowohl der Monate als der Tage. Selbstverständlich hat dann auch der Tag 19 Stunden, und die Stunde 19 Minuten. In ähnlicher Weise, unter steter Zugrundelegung der Zahl 19, werden nun auch die Bestimmungen über die Münzprägung, die Steuern, die Geldbußen u. A. getroffen.


 

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   Einen besonders wichtigen Bestandteil eines jeden Religionssystems bildet der Unsterblichkeitsglaube. Wir wollen versuchen, die Form, in welcher er in der Lehre des Bab erscheint, durch ein Gleichnis zu veranschaulichen, das der Schrift entnommen ist: Die Gestalten der einzelnen Buchstaben sind im Geiste des Menschen in ebenso vielen unauslöschlichen Typen vorhanden. Schreibt man sie nieder, so treten sie in die Erscheinung als A's, B's, C's, die mehr oder weniger vollkommen geraten sind, ihrem idealen Vorbild mehr oder weniger nahe kommen. Ist es gelungen, die Form eines Buchstaben in so vollendeter Weise wiederzugeben, daß er jenem Vorbilde vollkommen entspricht, so ist für ihn ein Zustand erreicht worden, den wir als sein Paradies bezeichnen können. Ein jedes einzelne A, B, C kann ausgelöscht werden, aber diese Vernichtung trifft nur die zufällig so oder so gestaltete "Persönlichkeit"; ihr eigentliches Wesen, ihre "Individualität", die allein Dauer besitzt, kehrt zu ihrem Ideal zurück, um immer und immer wieder in der Schrift, d. h. der äußeren Welt, in die Erscheinung zu treten. Genau das, was von den einzelnen Buchstaben gilt, gilt auch von den Menschen. Wir können ein A auf ein Stück Papier schreiben und dieses dann zerreißen oder verbrennen; schreiben wir nun nochmals ein A, so sagen wir: "Das A ist von neuem geschrieben worden", es ist also gewissermaßen "zurückgekehrt". Ebenso dürfen wir sagen: "Husein ist in der Person des Mirza Ali Muhammed wiedergekehrt", d. h.  beide sind Verkörperungen desselben göttlichen "Buchstabens", nur verschieden durch die Zeit und den Ort ihres Auftretens. Diese Anschauungsweise haben die Muslims fälschlich für die Lehre von der Seelenwanderung gehalten, mit der sie nur scheinbar einige Ähnlichkeit besitzt, und haben in ihr den Grund für die


 

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Todesverachtung der Babi's gesucht, da diese ja überzeugt seien, daß sie nach 40 Tagen wieder ins Leben zurückkehren würden.

   Zu den mehr in das praktische Leben eingreifenden Dingen in der Lehre des Bab gehören die freiere Stellung und die größeren Rechte, die den Frauen eingeräumt werden; in geradem Gegensatz zu den Vorschriften des Islam wird ihnen der Zutritt zu den Versammlungen der Männer gestattet und wird der Gebrauch des Schleiers abgeschafft. Die Scheidung und die Vielweiberei sollen immer mehr eingeschränkt werden. - Auch für die Kinder tritt der Bab ein, indem er vorschreibt, sie freundlich und liebevoll zu behandeln, und ihnen zu erlauben, zu spielen und sich zu vergnügen; auch soll man sie während ihrer Lehrstunden nicht stehen, sondern auf Stühlen sitzen lassen. Für diejenigen, welche sie heftig schlagen, werden Strafen angesetzt.

   Das Rauchen ist den Babi's verboten. Ihr Fasten fällt nicht in den muhammedanischen Monat Ramazan, sondern auf den letzten Monat des Babijahres, somit auf die 19 Tage vor der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche, mit dem dasselbe beginnt. - Der Gebrauch kostbarer Gewänder und Stoffe wird empfohlen, ebenso der des Rosenwassers. Auf die Behandlung der Toten wird ganz besondere Sorgfalt verwendet; sie sollen erst mehrere Male mit Wasser und dann mit Rosenwasser gewaschen werden und schließlich mit verschiedenen Stoffen, darunter auch Seide umwickelt werden. Auf einem Finger der rechten Hand soll der Tote einen Karneolring tragen, auf welchem einer der Namen Gottes eingegraben ist. - Auch eine eigene Schrift besitzen die Babi's, die aber einstweilen zum Glück nur ausnahmsweise angewendet wird. Sie läuft, im Gegensatz zu der arabischen, wie die unsrige von links nach rechts.


 

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Die Buchstaben bestehen aus schrägen Linien mit angehängten Häkchen und Kurven und sind nicht miteinander verbunden.

   Die meisten der aufgezählten Vorschriften können jetzt natürlich noch nicht strenge befolgt werden, da die Anhänger des Bab sich dadurch den Muslims gegenüber verraten würden. Sie sind eigentlich erst für die Zeit bestimmt, wenn, wie der Bab es zuversichtlich hoffte, seine Lehre allgemein angenommen sein würde. Was den Vorwurf der Güter- und Weibergemeinschaft anbetrifft, welcher von den Muhammedanern vielfach gegen die Babi's erhoben worden ist, so ist derselbe durchaus unbegründet und gehört zu jenen Dingen, welche neuen Religionsgemeinden gern von ihren Gegnern angedichtet werden.

   Betrachtet man nun den Gesamtinhalt der Lehre des Bab genauer, so vermag man in ihren wesentlichen Bestandteilen nichts zu entdecken, was sich nicht in den verschiedenen sufistischen Systemen und deren Vorgängern, dem Neuplatonismus und Gnostizismus, wiederfinden ließe. Das aber, was für den Babismus charakteristisch ist und ihn von jenen auf das Bestimmteste unterscheidet, ist der Umstand, daß er sich nicht damit begnügt, eine esoterische Lehre für einen beschränkten Kreis Eingeweihter zu sein, sondern daß er, darüber hinausgreifend, sich an alle ohne Ausnahme wendet; er beabsichtigt nicht, eine bloß vom Verstande zu erfassende Theorie vorzutragen, sondern das ganze Leben fordert er von seinen Bekennern, um es von Grund aus umzugestalten; er will weder ein philosophisches noch politisches System sein, sondern er will Religion sein.

   Nachdem wir gesehen, was die neue Lehre ist, wird die Frage aufzuwerfen sein, wer denn diejenigen waren, die sie in Persien annahmen? Es läßt sich zeigen, daß


 

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sie sich im Großen und Ganzen aus den folgenden vier Gruppen zusammensetzen; es sind 1. die strengen Muslims, welche durch die vom Bab gelieferten Beweise überzeugt worden sind, daß er wirklich der von ihnen erwartete verborgene zwölfte Imam, Mehdi, ist; 2.diejenigen, welche die Reform und den Fortschritt ihres Landes wünschen und den Babismus zur Erreichung dieses für geeigneter halten als den Islam; 3. Sufis und Mystiker, welche den Babismus für einen allseitig durchgebildeten Sufismus halten, in der Hauptsache identisch mit den pantheistischen Anschauungen desselben; 4. eine Anzahl Personen, welche durch die Bewunderung und die Zuneigung für die Person des Bab angezogen worden sind.

   Und in der That ist Mirza Ali Muhammed eine höchst sympathische Figur; wer sollte nicht seine geduldige Ausdauer, seinen Mut bewundern unter all den Verfolgungen, die er von früher Jugend an zu erleiden hatte? Die Reinheit seines Lebens und seine Uneigennützigkeit sind niemals bezweifelt worden; und wenn man sieht, wie die geistig hervorragendsten und thatkräftigsten seiner Jünger sich ihm bedingungslos hingaben und den Gedanken, die er ihnen gepredigt, ihr Leben weihten, so wird man der Annahme sich nicht entziehen können, daß ein wunderbarer Zauber von seiner Persönlichkeit ausgegangen sein muß.

   Wir nehmen jetzt unseren Bericht über die Schicksale seiner Anhänger wieder auf.

   Vor seinem Tode hatte der Bab in einer schriftlichen Urkunde seinen Nachfolger ernannt. Es war dies ein junger Mann von etwa 20 Jahren, Mirza Yahya, der Sohn des im Range unmittelbar unter dem ersten Minister stehenden Mirza Buzurg. Nach der Hinrichtung des Bab wurde die von ihm getroffene Wahl allgemein


 

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von den Babi's anerkannt, und Mirza Yahya erhielt nun den Titel Hezret i Ezel, d. h. "Seine Hoheit der Ewige". Da die Regierung auf ihn fahndete, so verließ er kurze Zeit darauf Persien und nahm seinen Aufenthalt in Bagdad. Prophetischen Rang nahm er nicht für sich in Anspruch, sondern begnügte sich mit der Stellung eines "Chalife" oder Statthalter des Bab.

   Nach Bagdad folgte ihm im Jahre 1854 auch sein um 13 Jahre älterer Halbbruder, von einer anderen Mutter, Mirza Husein Ali, der den Beinamen Beha, d. i. "Glanz", hatte, und später der Führer der Babi's wurde. Dieser war nach dem Attentat auf den Schah in Tehran festgenommen worden, aber seine Freunde waren imstande, den Nachweis zu liefern, daß er nicht dabei beteiligt gewesen sei, und so wurde er nach viermonatlicher Haft wieder entlassen und ging nach Bagdad. Während der nächsten zehn Jahre befand sich dort das Hauptquartier der Babi's. Mirza Yahya lebte, wie es scheint, ganz im Verborgenen, und Beha soll behauptet haben, daß er unsichtbar unter den Menschen weile, weil ihre Augen nicht im Stande seien, ihn zu schauen. Die eigentliche Leitung der Angelegenheiten der Sekte lag ganz in den Händen Beha's; er empfing die Anhänger derselben und besorgte die Korrespondenz mit den Babi's in Persien; aber alles dies that er zu jener Zeit ausschließlich im Namen Mirza Yahya's Seiner Hoheit des Ewigen. Infolge dieser Thätigkeit, die ihn in den Vordergrund treten ließ, wurde er von den Feinden des Babismus als das eigentliche Haupt desselben betrachtet, und es richteten sich daher gegen ihn ihre Hauptangriffe. In Bagdad schrieb Beha sein Hauptwerk, das im Jahre 1861 beendet wurde und den Titel Ikan, d. i. "die Gewißheit", trägt. Es ist in persischer Sprache verfaßt und sucht den Beweis für die


 

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Wahrheit der Lehren des Babismus und die göttliche Eingebung seines Begründers zu liefern. Die Argumente werden im Pentateuch, dem Evangelium, dem Koran und den muhammedanischen Traditionen entnommen, in denen allen der Verfasser wohl bewandert ist. Die Beweisführung ist klar und zwingend, der Stil ein kraftvoller, und man muß das Werk als eine in seiner Art hervorragende Leistung bezeichen. Es ist das einzige Buch der Babi's, das veröffentlicht worden ist; doch befinden sich alle Exemplare der wahrscheinlich in Indien lithographierten Ausgabe in den Händen einflußreicher Babi's, die sie nur an durchaus zuverlässige Personen abgeben.

   Im Jahre 1864 bewog die persische Regierung, der die Anwesenheit der Babi's in Bagdad, in so großer Nähe der Grenze, unangenehm war, die türkische Regierung, dieselben von dort zu entfernen. Sie wurden zuerst nach Konstantinopel und, nach viermonatlichem Aufenthalt daselbst, nach Adrianopel gebracht, das die Anhänger Beha's Arz i Sirr, d. i. "das Land des Geheimnisses", nennen, weil dort, im Jahre 1866, der damals neunundvierzigjährige Beha seine göttliche Mission verkündigte, indem er behauptete, derjenige zu sein, von dem der Bab vorhergesagt, daß "Gott ihn sichtbar machen werde", d. h. der zu erwartende nächste Prophet, und die Babi's aufforderte, ihn als diesen anzuerkennen. Diese Erklärung rief eine Spaltung unter ihnen hervor; die einen erkannten den Anspruch Beha's an, während die anderen, an deren Spitze Mirza Yahya, der bisherige Statthalter des Bab, stand, ihn zurückwiesen. Erst stritt man mit Gründen, die dem heiligen Buche, dem Beyan, entnommen waren; dann aber, als die Gemüter sich immer mehr erhitzten, kam es zu Thätlichkeiten, bei denen es auf beiden Seiten mehrere(4) Tote gab.


 

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   Da beschloß im Jahre 1868 die türkische Regierung die beiden feindlichen Parteien zu trennen. Mirza Yahya wurde nach Cypern geschickt, wo er noch im Jahre 1893, 63 Jahre alt, mit seinem Sohne in Famagusta lebte. Beha dagegen wurde nach Akka in Syrien gebracht. Die Babi's behaupten, dieser Platz sei wegen seines außerordentlich ungesunden Klimas gewählt worden, in der Hoffnung, daß Beha demselben erliegen werde; Ali Pascha solle zu dem französischen und dem persischen Gesandten gesagt haben: "ich werde ihn an einen Ort schicken, wo er bald sterben wird." Außerdem hatte die türkische Regierung bestimmt, daß eine Anzahl Anhänger Mirza Yahya's, Ezeli's, wie sie sich nach seinem Namen nannten, mit Beha nach Akka geschickt werden, während auf der anderen Seite mehrere Behai's, d. i. Anhänger des Beha, nach Cypern gehen sollten; beide Teile sollten sich so gegenseitig überwachen.

   Während die Ezeli's sich den getroffenen Bestimmungen ruhig fügten, weigerten sich die Behai's auf das Entschiedenste, sich von ihrem Meister zu trennen; einer von ihnen schnitt sich den Hals ab und ließ sich nicht eher verbinden, als bis man ihm zugestand, mit Beha nach Akka gehen zu dürfen; andere warfen sich von dem Schiffe, das sie hinwegführen sollte, ins Meer; nur drei oder vier gelang es wirklich nach Cypern zu schaffen. Die Ezeli's etwa zwanzig an Zahl, welche nach Akka geschickt worden waren, wurden während einer Nacht, ohne wissen Beha's, von seinen Anhängern niedergemacht. Als die türkischen Behörden hierauf die sämtlichen Behai's in eine Karawanserei einsperrten, gaben die Thäter sich selbst an und erklärten, ausschließlich auf ihre eigene Verantwortung hin gehandelt zu haben. Daraufhin wurden sie gefangen gesetzt, später aber wieder losgelassen, als der Sohn Beha's für sie Bürg[schaft]


 

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 leistete; sie durften aber Akka nicht verlassen und mußten längere Zeit Fußfesseln tragen.

   Seit der Ueberführung Beha's nach Akka hat die Zahl seiner Anhänger stetig zugenommen, während die der Ezeli's beständig abnimmt, so daß man in Persien nur noch höchst selten Babi's antrifft, die zu ihnen gehören. Diese betrachten die Schriften des Beha natürlich nicht als göttliche Eingebungen, sondern halten sich ausschließlich an das Beyan und die anderen Werke des Bab. Auf die von Mirza Yahya verfaßten Schriften legen selbst seine eigenen Anhänger kein großes Gewicht, während die Behai's sie ganz verwerfen. Man kann sagen, daß gegenwärtig die überwiegende Mehrzahl aller Babi's Behai's sind, und daß in ihren Augen das Beyan des Bab bereits durch eine neue Offenbarung, die des Beha, ersetzt ist, zu der jenes sich etwa so verhält, wie das alte Testament zum neuen.

   Von den Werken des Beha haben wir bereits das Ikan kennen gelernt, das vor seinem Auftreten als Prophet verfaßt ist. Seine übrigen Schriften sind an Zahl sehr groß, haben aber einen verhältnismäßig geringen Umfang. Sie werden, sogar mit Einschluß aller seiner Briefe, von seinen Anhängern als im vollsten Sinne des Wortes geoffenbart betrachtet. Besondere Erwähnung verdienen das Lauh i Nasir, d. i. "die Tafel des Nasir", ein an einen Babi Namens Nasir gerichtetes Schreiben, in dem Beha in der bestimmtesten und entschiedensten Weise seinen Anspruch auf Prophetentum darlegt; dann das Lauh i Akdas, "die sehr heilige Tafel", das eine Zusammenstellung aller Vorschriften der neuen Religion in der ihnen von Beha gegebenen Fassung enthält. Von Interesse sind auch seine an verschiedene gekrönte Häupter gerichteten Briefe, in denen er sie auffordert, den neuen Glauben anzunehmen(4*); so


 

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hat er an den Papst, an den König von Paris, d. i. Napoleon III., an die Königin Viktoria, deren Regierung er ganz besonders rühmt, an den Kaiser von Rußland, an den Sultan Abdul Aziz und an einen der türkischen Minister, wahrscheinlich Ali Pascha, endlich an den Schah von Persien geschrieben. Alle diese Briefe stammen aus der Zeit nach der Ueberführung des Beha nach Akka.

 

   Der letzte der genannten Briefe, der an den Schah, welcher theils in arabischer, theils in persischer Sprache abgefaßt ist, zeichnet sich durch einen außerordentlich maßvollen Ton aus. Die Verfolgung der Babi's wird darin hauptsächlich der Geistlichkeit zur Last gelegt, die den Schah durch falsche Vorstellungen dazu veranlaßt habe. Beha erklärt, daß er stets ein treuer Unterthan des Schah gewesen sei, daß er das Attentat auf denselben in allen seinen Schriften auf das Strengste verurtheilt habe, und daß infolge seines Einflusses die Babi's sich seit jener Zeit aller aufrührerischen Handlungen enthalten hätten. Er fordert den Schah auf, ihnen in seinem Reiche, in gleicher Weise wie den Mitgliedern aller anderen Sekten und Religionen, Religionsfreiheit zu gewähren, indem er ihn ihrer Treue und ihres Gehorsams versichert. Er erbietet sich auch, vor dem Schah eine öffentliche Disputation mit den Geistlichen abzuhalten, und falls er sie zu widerlegen nicht im Stande sei, sich ohne Murren dem Richterspruch des Schah zu unterwerfen. Nachdem er den Schah ermahnt hat, gerecht zu sein und die Wahrheit zu suchen, schließt er mit einem Hinweis auf die Gefahren, denen er während seines ganzen Lebens durch die Bosheit seiner Feinde ausgesetzt gewesen, "er sei gewesen wie einer, der unter einem Schwert gesessen, das an einem einzigen Haar gehangen".


 

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   Dieser Brief wurde von einem jungen Babi, den seine Glaubensgenossen jetzt Badi, "den Wunderbaren", nennen, und der sich selbst dazu erboten hatte, dem Schah überbracht. Zu Fuß reiste er von Akka nach Tehran und überreichte ihn dem Schah, als dieser durch die Straßen ritt, indem er sagte: "Ich bringe Dir einen Befehl". Als der Schah erstaunt fragte: "Du meinst wohl eine Bittschrift", erwiderte Badi: "Nein, ich meine das, was ich sage, einen Befehl von jemandem, dessen Machtvollkommenheit größer ist als die Deine". Nachdem der Schah gesehen, von wem der Brief kam, befahl er, den Überbringer mit glühenden Ziegeln zu Tode zu brennen. Es wird berichtet, daß, als die Henker die Ziegel vermittelst Zangen auf seinen Körper legen wollten, er gerufen: "Bemüht euch nicht; ich begrüße freudig den Tod für eine solche Sache!" und mit eigenen Händen die Ziegel ergriffen und gegen seine Brust gedrückt habe; ein neues Beispiel jener wunderbaren Seelenstärke und Todesverachtung, welche die Babi's auszeichnen.

   Beha lebte bis zu seinem am sechzehnten Mai 1892 erfolgten Tode mit seinen Söhnen, deren er zwei hat, in Akka. Dort erhielt er beständig den Besuch seiner Anhänger, die ihm als einer Verkörperung der Gottheit unbegrenzte Verehrung entgegenbrachten. Niemals zeigte er sich öffentlich und verließ nur gelegentlich die Stadt, um zur Nachtzeit nach seinem in der Nähe gelegenen Garten zu gehen. In seiner Begleitung befand sich beständig eine Persönlichkeit, welche die Babi's als "Ihre Excellenz den Diener Gottes" bezeichneten, und von welcher die Besucher zu festgesetzten Zeiten in Gruppen von sechs bis zwölf Personen eingeführt wurden. Stets war ein Schreiber zugegen, der so schnell schrieb, daß er alles, was Beha sagte, wörtlich niederzuschreiben imstande war. Abschriften


 

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seiner Aufzeichnungen wurden dann unter die Gläubigen verteilt.

   Zwei Briefboten, der eine für den Norden und der andere für den Süden Persiens, vermitteln den Briefverkehr zwischen Beha und seinen Anhängern. Einmal in jedem Jahre gehen sie in ihrem Bezirk von Ort zu Ort, sammeln die nach Akka bestimmten Briefe ein und verteilen die von dort kommenden, welche von den Babis Alwah "Tafeln" genannt und, wie schon erwähnt, als Offenbarungen angesehen werden. Den Briefboten für das südliche Persien, einen einsilbigen alten Mann, lernte Granville Browne in Schiraz kennen. Derselbe pflegt von Buschehr mit den Mekkapilgern nach Dschidda und Mekka; und von dort nach Akka zu gehen, wo er sich etwa zwei Monate aufhält. Auf seinem Rückwege geht er zunächst zu Lande nach Mosul, wo er einen Monat lang bei einem Manne bleibt, dem das wichtige Geschäft obliegt, die Abschriften der heiligen Bücher vor ihrer Verteilung auf ihre Genauigkeit zu prüfen. Dann geht er über Bagdad wieder nach Buschehr. Auf seinen Landreisen geht er stehts zu Fuß und trägt seine Briefe in einem Felleisen auf dem Rücken. Als Nahrung genügen ihm ein paar Zwiebeln und ein Stück Brot. In der Regel vermeidet er die gewöhnlichen Verkehrswege, um nicht erkannt zu werden. Wenn er nicht bei Glaubensgenossen eine Unterkunft finden kann, so übernachtet er auf Kirchhöfen oder in irgendwelchen außerhalb der Ortschaften gelegenen Baulichkeiten. In einem Dorfe in der Nähe von Yezd wurde er einmal erkannt und eingesperrt. Glücklicherweise war der Dorfschulze gerade beschäftigt und konnte ihn nicht gleich verhören. So fand er Zeit, die Briefe der Babi's, die er bei sich führte und die er weder verbrennen noch vergraben konnte, zu zerkauen und zu verschlucken; dies war aber keine leichte


 

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Aufgabe, da sie sehr zahlreich waren; ganz besonders viel Mühe soll ihm ein Brief aus dem südöstlichen Persien gemacht haben, der wohl auf ungewöhnlich dickem Papier geschrieben war. Doch wurde er glücklich mit allen fertig, bevor der Dorfschulze und seine Leute kamen; und da er trotz aller Prügel jede Auskunft verweigerte, ließ man ihn schließlich wieder laufen. Auf einer andern Reise litt er zwischen Buschehr und Basra Schiffbruch; alle an Bord befindlichen kamen dabei um; nur er und ein Derwisch, die sich an ein paar Planken angeklammert hatten, wurden nach vierzehn bis fünfzehn Stunden aufgefischt.

   Zum Schluß mögen noch einige Thatsachen Erwähnung finden, die für die Lage der Babi's in Persien in hohem Grade bezeichnend sind. Seit dem Attentat auf den Schah ist ihrerseits nicht das geringste geschehen, das ein Einschreiten der Regierung gegen sie rechtfertigen könnte; trotzdem sind sie zu wiederholten Malen mit der empörendsten Willkür und der schreiendsten Ungerechtigkeit behandelt worden. Außer der bereits geschilderten grausamen Hinrichtung des Badi wurde im Jahre 1862 gegen die Babi's von Sultanabad, der Hauptstadt der persischen Provinz Irak, eine Verfolgung ins Werk gesetzt. Und im Jahre 1880 ließ der Zill es Sultan, der älteste Sohn des Schah, der Gouverneur von Isfahan ist, dort kurz nacheinander drei Babi's umbringen. Der eine von ihnen, Mulla Kazim, war von seiner eigenen Frau als Babi denunziert worden; er bekannte sich auch offen zu seinem Glauben und ließ sich durch nichts bewegen, ihn abzuschwören; selbst als man ihm unmittelbar vor der Hinrichtung sein Leben anbot, falls er den Bab verfluchen wolle, fluchte er statt dessen dem Prinzen, dem Schah und allen Tyrannen. - Die beiden anderen waren zwei Brüder, Hadschi Mirza Hasan


 

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und Hadschi Mirza Husein; sie waren Seyyids und reiche Kaufleute, die sich des größten Ansehens erfreuten und auch mit den in Isfahan lebenden Europäern viel in der freundschaftlichsten Weise verkehrten. Die Ursache ihres Untergangs war nicht ihre Religion, sondern ihr Reichtum. Unter ihren Schuldnern befand sich ein hoher Geistlicher, Scheich Bakir, der ihnen 18 000 Toman = 180 000 Franken schuldete. Als sie ihn deswegen mahnten, begab er sich zum Imam i Dschuma, dem höchsten Geistlichen von Isfahan, und gab sie als Babis an, indem er zugleich auf ihr großes Vermögen hinwies. Die beiden ehrenwerten Gesellen gingen darauf zusammen zum Zill es Sultan und legten ihm die Sache vor. Dieser erklärte, um den Schein des Rechts zu wahren, daß er die beiden Brüder blos deswegen, weil sie Babi's seien, nicht hinrichten lassen könne, daß er aber, falls die Geistlichkeit, als Vertreterin des Islam, das Todesurteil über dieselben fälle, er die Vollstreckung desselben nicht verhindern werde. Dies geschah denn auch. Die beiden Seyyids wurden festgenommen; ihre Frauen und anderen weiblichen Angehörigen beschimpfte und mißhandelte man, und als sie zu ihren Freunden und Verwandten flohen, wiesen diese sie, aus Furcht sich zu kompromittieren, zurück, so das sie schließlich in das englische, in der armenischen Vorstadt Dschulfa gelegene Telegrafenamt kamen, wo sie, hungernd und von allen Mitteln entblößt, in einem Außenzimmer Unterkunft fanden; nach einigen Tagen entschlossen sich dann die Verwandten sie aufzunehmen, damit die Frauen nur nicht länger in dem Hause der Europäer blieben. Sobald diese Vorgänge den Europäern in Isfahan bekannt geworden, schickten sie ein Telegramm an den Schah, worin sie ihn baten, das Leben der beiden Gefangenen zu schonen; aber die Antwort desselben kam, absichtlich oder


 

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unabsichtlich, zu spät. Da die beiden Babi sich weigerten, ihren Glauben abzuschwören, so wurde ihnen der Hals abgeschnitten. Die Leichname wurden durch die Straßen geschleift und schließlich unter eine alte Lehmmauer geworfen, die man über sie einriß. In der Nacht nahm ein alter treuer Diener der Ermordeten die Leichen fort, welche die Mauer in ihrem Fall nicht zerschmettert hatte, wusch sie und begrub sie. Die Stätte, wo sie liegen, und die kein Grabstein schmückt, ist zu einem Wallfahrtsort für ihre Glaubensgenossen geworden, in deren Andenken sie unter den Namen Sultan esch-Schuhada "der Fürst der Märtyrer" und Mahbub esch-Schuhada "der Geliebte der Märtyrer" fortleben. Von den beiden Geistlichen, welche die Veranlassung zu ihrem Tode gewesen, erzählt man, sie seien bald darauf in Ungnade gefallen und aus Isfahan verwiesen worden; von Unglück und Krankheit wären sie heimgesucht worden und hätten schließlich ein elendes Ende genommen. Das Vermögen und die Besitzungen der Getöteten nahm zum größten Teile der Zill es Sultan an sich.

   Der letzte Märtyrer für die Lehre des Bab ist im Oktober 1888, ebenfalls in Isfahan, hingerichtet worden; er hieß Aka Mirza Eschref und war aus dem kleinen Orte Abade, zwischen Schiraz und Isfahan. Er hatte einen jungen Mann, der Diener bei dem Zill es Sultan war, zum Babismus bekehrt. Dies erfuhr der Prinz, ließ den Mirza Eschref festnehmen und vor sich führen. "Gehörst Du zu dieser Sekte?" fragte ihn der Prinz. Der Babi verneinte es. - "Dann verfluche sie (oder den Bab oder Beha)"; worauf Mirza Eschref: "Da ich von ihrer Schlechtigkeit nicht überzeugt bin, so werde ich sie nicht verfluchen". - Nachdem der Prinz von der Geistlichkeit ein Gutachten eingefordert hatte, telegraphierte er nach Tehran: "Wenn dieser Mann nicht getötet wird,


 

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so werden Geistlichkeit und Volk Ruhestörungen verursachen; überdies haben die geistlichen Richter ihr Urteil gesprochen, und hat der Betreffende selbst gestanden, daß er zu jener Sekte gehört; es ist notwendig, ihn zu töten, um das Volk zu beruhigen." - Die Antwort aus Tehran lautete: "Thue was Du für zweckmäßig hältst." - Darauf wurde dem Mirza Eschref der Hals abgeschnitten, der Körper an den Galgen gehängt und nachher verbrannt. Der in solcher Weise Ermordete war ein Mann von etwa 60 Jahren, dessen Charakter von allen Seiten gerühmt wird.

   Hiermit sind wir, da es keine neueren Ereignisse zu verzeichnen giebt, an des Ende unseres Überblickes über die Geschicke des Babismus gelangt; wir haben gesehen, daß es den Anhängern dieser Lehre an Verfolgungen und Prüfungen wahrlich nicht gefehlt hat; trotzdem haben sie, mit nur ganz verschwindenden Ausnahmen, eine unerschütterliche Festigkeit und Todesverachtung an den Tag gelegt und haben an Zahl beständig zugenommen; selbst unter der höchsten Geistlichkeit sind sie vertreten. Erwägt man dazu, daß alle Beobachter darüber einig sind, daß die Babis sich durch Rechtlichkeit, Menschenfreundlichkeit und Sittenstrenge auszuzeichnen pflegen, so wird man der Lehre, welche bei ihren Bekennern eine solche Lebensführung zu Wege bringt, trotz mancher ihr anhaftenden Fantastereien und Sonderbarkeiten einen tüchtigen und bedeutenden Kern nicht absprechen. Es läßt sich nicht bestreiten, daß der Bab und seine Jünger, getrieben von der Entrüstung über die Verderbtheit der Regierung und der Geistlichkeit, in großem Stile die nationale Wiedergeburt Persiens angestrebt haben. Ob die Verwirklichung dieses Gedankens ihren Nachfolgern in der Zukunft gelingen wird, können wir einstweilen nicht entscheiden. Viel wird davon abhängen, ob die rechten Männer an


 

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der Spitze der Babi's stehen werden. Sonst liegt allerdings die Gefahr nahe, daß der Babismus, wenngleich stets wichtig durch die Menge seiner Anhänger, auf die er hebend und veredelnd wirkt, allmählich die Kraft verliert, nach außen zu wirken, und daß er in Passivität versinkt. Dann würde er die Zahl der in Persien vorhandenen Sekten und Orden nur um eine vermehrt haben.

   Wir können das weder für Persien noch für uns wünschen, denn, im Gegensatz zu der gehässigen Haltung des Islam gegen Andersgläubige, ist die Gesinnung der Babi's gegen die Bekenner anderer Religionen eine durchaus freundliche und tolerante; und überdies haben wir ja auch einen hochwichtigen Gedanken mit ihnen gemein: ihre Lehre von immer vollkommeneren Offenbarungen ist ja völlig aus einer Anschauung hervorgewachsen, der wir alle huldigen, und die unser ganzes Leben beherrscht, aus der Anschauung von einem beständigen Fortschritt in der Entwicklung der Menschheit.

 

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Nachträge. *)

 

I. Dschemaleddin.

 

Der Urheber der Ermordung Nasir-eddin Schahs.

 

   Während vorliegende Schrift in Drucklegung begriffen war, erschien im "Berliner Tageblatt" vom 15. Mai der hier seinem größten Teile nach wiedergegebene vortreffliche Aufsatz über Dschemaleddin. Das "Berliner Tageblatt" zeichnet sich unter den politischen Blättern großen Stils, die in Deutschland erscheinen, dadurch besonders aus, daß es von Zeit zu Zeit mit größter Schnelligkeit seinen Lesern Informationen über die politischen und sozialen Verhältnisse des Orients bietet.

   Der Nachfolgende Artikel beweist zur Evidenz unsere im Vorwort ausgesprochene Behauptung, daß Dschemaleddin keineswegs ein Babi ist. Der Konstantinopler Korrespondent des "Berliner Tageblatt" schreibt unter dem 10. Mai:

   Scheich Dschemaleddin lebte hier seit mehreren Jahren. Er selbst nennt sich stets Afghane, ist aber in Wahrheit aus Persien, aus dem Orte Effed Abad gebürtig. Er ist etwa fünfzig Jahre alt, von mittelgroßer, untersetzter Gestalt. Sein Antlitz ist dunkelbraun, und um die dunkelbraune Stirn ruht wie eine weiße Wolke

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          *) Von dem Verfasser des Vorwortes beigefügt


 

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der Turban. Und unter der weißen Wolke glühen zwei heiße, dunkle Augensterne. Sein Bart sinkt tief abwärts und teilt sich unter dem Kinn in zwei lange Spitzen, die schwarz beginnen und graumeliert enden.

  Scheich Dschemaleddin - seinen Namen kennt man gut im Islam, man kennt ihn in Mittelasien, in Indien, in Vorderasien, in Aegypten, im Sudan, in Tripolis und Tunis. Und man kennt seinen Namen auch in England. Nicht bloß der Moslim, selbst jeder Europäer, der mit ihm in Berührung kam, vermochte sich seinem gewaltigen Zauber nicht zu entziehen, und man versteht gar gut, daß er über Millionen Menschen zu gebieten vermag wie ein Prophet und Heerführer, man versteht gar gut, daß er sich in seinem schlichten Gewande Königen ebenbürtig fühlte.

   Er spricht Arabisch, Persisch, Türkisch, Französisch und Englisch. Die beiden letzteren Sprachen nicht ganz geläufig, aber genügend, um sich vollkommen zu verständigen. Er ist lebhaft im Gespräch und unterstützt seine Reden mit so klaren Mienen und Gesten, daß ihn auch jeder verstehen würde, der keine der ihm bekannten Sprachen spricht. Von allen Wissenschaften hat er gekostet, genascht. Ueber alles konnte er interessant sprechen, über nichts aber gründlich. Besonders gern verwendete er physikalische Ausdrücke, um menschliche Charaktere zu bezeichnen. Das Wort "elektrisch" war sein Lieblingswort. Er glaubte an die Existenz eines Gottes, an Gottes Allwesenheit und Einheit, war äußerlich religiös, indem er die vorgeschriebenen Gebräuche erfüllte, verriet aber mehr als einmal, daß ihm im Innersten der Seele die Formeln und Formen verhaßt waren, er war ein Fanatiker gegen den Pietismus.

   Ueber Nationen und Staaten in wenigen Worten ein treffendes Urteil zu fällen, das war eine seiner


 

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großen Eigenschaften. Ueber den "Rückgang der Türkei" sagte er einmal in einem kleinen Freundeskreise: "Der Islam, die Türkei war immer im Rückgang. Wir sind heute im Rückgang, wie wir es vor Jahrhunderten gewesen. Der Türke ist vielleicht fleißig, aber nicht thätig. Er arbeitet mechanisch, aber sein Geist ist faul, um neues zu denken, um besseres zu finden. Die Türkei schickt Studenten nach dem Ausland. Die Studenten stehen im Fleiß nicht hinter den anderen zurück. Aber wenn sie nach Hause kommen, dann bleiben sie bei dem Gelernten stehen, sie forschen und suchen und finden nichts Neues. Einer lernt einen Sessel machen. Er lernt's gut. Er bleibt aber zeitlebens bei der einmal erlernten Form, er kümmert sich nicht um Neuerungen, er erfaßt sie nicht und benutzt sie nicht:"

 

   Er war liberal gesinnt. Selbst den Koran verstand er mit bewundernswerter Geschicklichkeit seiner starren Religiosität zu entkleiden und liberal zu interpretieren. Er ist auch Schriftsteller und hat viele Arbeiten veröffentlicht.

 

   Er hat schon in jungen Jahren bei allen Hodschahs und Mollahs, namentlich in Aegypten und im Sudan, einen ruhmvollen Namen gehabt. Frühzeitig lernte er auch Europa kennen. Zuerst war er, glaube ich, in London, wo er eifrigen Studien oblag. Es war zur Zeit des ägyptischen Aufstandes, Gordon Pascha war ermordet worden, England traf Vorbereitungen zur Rache. Da erhob sich Dschemaleddin und drohte den Engländern mit Vernichtung in Indien, wenn sie den Mahdi noch ferner bedrohen würden. Er ließ ganz Indien mit einem Regen von revolutionären Plakaten überziehen. England zog sich zurück und Dschemaleddin rühmte sich immer, daß dies sein Werk gewesen.


 

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   Kurze Zeit nachher berief ihn Schah Nasireddin an seinen Hof. Er verblieb mehrere Jahre in Tehran, als Gast und Freund des Königs der Könige. Diese Freundschaft mißfiel manchem zurückgedrängten Günstling, man spann Intriguen gegen den einflußreichen Scheich; man sagte dem Schah, daß Dschemaleddin ihn entthronen wolle. Und der Schah glaubte das, der Schah verwies ihn vom Hofe. Darob entbrannte Dschemaleddin in Zorn, und Tehran verlassend, schwur er dem Schah öffentlich Rache und Vernichtung. Oft und oft gab er seinem Racheverlangen Ausdruck. Ein orientalisches Sprichwort sagt: "Der sich nicht rächt wie eine Schlange, das kann kein rechter Gelehrter sein!" . . .

   Von Tehran ging er zunächst nach Leibzig, um Studien zu betreiben. Es war etwa 1890 oder 1891. Von Leibzig führte er den ersten Schlag gegen den Schah. Der Schah hatte, um sich eine neue mächtige Erwerbsquelle zu schaffen, mit englischer Hilfe eine Tabakregie zur Monopolisierung des Tabaks eingeführt. Dschemaleddin zettelte von Leibzig aus einen Aufstand an, indem er in zahllosen Schriftchen zum Widerstand gegen die Tabakregie aufforderte. Infolge des Aufstandes wurde das Monopol aufgegeben. Gleichzeitig erhielt aber Schah Nasir-eddin von Scheich Dschemaleddin aus Leibzig das folgende lakonische Briefchen: "Ich habe den Staub deiner Stadt von meinen Füßen geschüttelt, und so werde ich einst dein Blut verschütten. Der Anfang war es jetzt von deinem Ende!"  . . .

   Den Schah erfaßte schon damals eine namenlose Angst vor diesem Manne. Er wendete sich an den Sultan Abdul Hamid und bat diesen um Friedensvermittlung, worauf der Sultan den Scheich einlud, als Gast nach Konstantinopel zu kommen. Er kam und gefiel dem Sultan. Der Sultan gab ihm Wohnung, zuerst


 

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in einem - kürzlich abgebrannten - Palast in Nischantasch, der speziell für Sultansgäste bestimmt war; dann schenkte er ihm einen besonderen Palast mit Wagen, Pferden, Küche und Dienerschaft. Bei einer günstigen Gelegenheit sprach ihm der Sultan über den Schah, und Dschemaleddin versprach, nichts mehr gegen den Schah zu unternehmen. "Ich habe niemals," sagte er, "von einer Rache abgelassen; ich will es aber dir zu Liebe einmal thun!" Alle Ehren, Stellungen, Würden und Orden, die der Sultan ihm geben wollte, wies er zurück. Einmal überreichte ihm der Sultan den brillantenen Medschidjeorden - er nahm ihn nicht an und sagte: "Was sollen mir diese Steinchen, ich brauche nicht dieses Band; ich brauche nur ein bißchen Essen und meinen Kaftan, und das habe ich." Mehrmals wollte er abreisen, der Sultan hielt ihn immer zurück, bat ihn, ferner sein Gast zu bleiben. Er war ledig, der Sultan wollte ihn verheiraten, um ihn an ein Heim zu fesseln; er wollte nicht, er wollte frei und fessellos bleiben.

  Als er im ersten Jahre hier war, begab er sich am Bairamsfest nach Dolmabaghdsche, wo die Würdenträger an diesem Festtag zum Handkuß des Sultans kommen. Der Adjutant, der ihn nicht kannte, ließ ihn nicht passieren. "Weshalb?" fragte der Scheich. "Du mußt in großer Uniform erscheinen, nicht in deinem abgetragenen Kaftan!" Da entgegnete der Scheich mit einer Donnerstimme, die weithin durch den Palast schallte: "Eschek, Esel, empfängt man hier Menschen oder Gold?" . . . Sprach's und ging. Der Sultan hörte von dem Vorfall und schickte schleunig einen Pascha, um den Scheich zurückholen zu lassen. Der Scheich kam. Der Sultan stellte ihn vor den Großvezier und gab ihm seine Hand zum Kusse, während die Würdenträger sonst bloß ein Band küssen, das der Sultan in der Hand hält.


 

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   Sein Einfluß beim Sultan war außerordentlich. Es wurde ihm nie etwas versagt. Erbat aber auch nie für sich, immer für andere. Aber wenn er um etwas bat, mußte es unweigerlich erfüllt werden. Eines Tages verlangte er eine Stellung für einen Araber. Der Sultan ließ Erkundigungen über den Mann einziehen, und als diese schlecht lauteten, versagte er die Ernennung; zum ersten Male war es, daß er dem Scheich eine Bitte abschlug. Der Scheich war ärgerlich und ging fort. Er stellte seine Besuche im Palast ein und kam sogar am nächsten Freitag nicht zum Selamlik. Der Sultan ließ ihn darauf rufen und sagte ihm: "Du bist böse, daß ich deinem Empfohlenen nicht die Stelle gegeben. Gut, er soll sie haben; du wirst dich aber überzeugen, daß ich recht hatte." Einige Wochen später zeigte der Sultan dem Scheich einen gifterfüllten Bericht dieses Mannes - gegen den Scheich. Der Scheich kam nicht aus der Fassung. Ruhig sagte er: "Herr, die Menschen sind nicht anders. Es schadet nichts, ich habe doch einer Familie geholfen." Berichte gegen den Scheich liefen übrigens eine schwere Menge ein. Einmal meldete man dem Sultan, daß ein jüdischer Arzt mehrmals beim Scheich erschienen wäre - und man knüpfte daran die Vermutung, daß (der) Scheich durch den jüdischen Arzt Verbindungen mit Europa unterhalte! Darauf erzählte der Scheich dem Sultan, daß der jüdische Arzt zu ihm einmal um Hilfe für einen Araber gekommen - für einen Araber, dessen Persönlichkeit dem Arzt gar nicht bekannt gewesen, dessen Elend ihn aber erbarmt hatte. "Seit damals," sagte der Scheich, "habe ich für den jüdischen Arzt hohe Achtung und Liebe gewonnen."

   Anfangs zeigte der Sultan dem Scheich alle Verdächtigungen, und er konnte sie stets auf so schöne Weise widerlegen. Allmählich aber ward der Sultan (5) kühler,


 

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der Scheich merkte das und kam nicht, - und - er wurde nicht mehr gerufen . . . Er ließ den Sultan jetzt bitten, abreisen zu dürfen, da das orientalische Herkommen dem Gast die Abreise ohne Erlaubnis des Gastwirtes nicht gestattet. Der Sultan ließ ihm sagen, er möge da bleiben. Er war ein gefangener und von Spionen bewachter Gast.

          Nun mag ihm in seinem Zorn und seiner Verlassenheit wieder der alte Rachedurst gegen den Schah Nasir-eddin erwacht sein, und um so stärker, als ihm die Nachricht zu Ohren drang, daß der Schah beabsichtigte, in der nächsten Zeit sein Regierungsjubiläum zu feiern.

          Trotz der strengen Ueberwachung, der sein Haus unterlag, verkehrten doch viele Leute bei ihm, darunter der Perser, der jetzt in Tehran den Schah ermordet hat.

          In Persien hatte man die Furcht vor dem Scheich Dschemaleddin niemals verloren. Der persische Gesandte in Stambul hatte schon seit lange das Ersuchen an die türkische Regierung gerichtet, den Scheich, als persischen Unterthan, der persischen Gesandtschaft auszuliefern. Der Sultan mußte dies ablehnen, weil es nach orientalischer Sitte ein Bruch der heiligen Gastfreundschaft gewesen wäre, wenn man einen, noch dazu eigens ins Land gerufenen und als Gast des Sultans hier weilenden Fremden aus Motiven politischer Natur, wären sie auch noch so gerechtfertigt, ausgeliefert hätte.

          Als die Mordthat und ihre Nebenumstände dem persischen Gesandten bekannt geworden, begab er sich abermals zur Regierung von Stambul und erklärte, daß der Mörder des Schahs ein Perser sei, der bis vor drei Monaten in Konstantinopel gewesen, bei Scheich Dschemaleddin häufig geweilt, ja gewohnt und daß vermutlich dieser ihn nach Tehran gesandt, um den Schah zu ermorden. Der Sultan war von dieser Nachricht schwer


 

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betroffen - aber das Gastrecht wurde nicht verletzt. Der Sultan ließ jetzt dem Scheich die oft erbetene Erlaubnis zur Abreise zugehen. Zur selben Zeit ist auch der Scheich aus seiner Wohnung verschwunden. Wohin, ist unbekannt. Die einen sagen nach Kairo, die anderen nach London.

 

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II. Notizen über die Lebensgrundsätze

     und den Kultus der Babi's.

 

   Am 8.März 1895 starb zu Urumia in Nordpersien Pastor Christian Közle. Dieser hervorragend begabte junge deutsche Theologe hatte es sich besonders zur Aufgabe gemacht, die Babi's näher zu dem Christentum hinzuführen. Er lebte in herzlicher Freundschaft mit vielen Babi's. Ein hervorragender Lehrer der Babi's bezeichnete ihm folgende drei Sätze als Lebensrichtschnur der Babi's:

1) Wir sehen jedermann als Bruder an und lieben auch unsere Feinde, wie die Sonne über Böse und Gute scheint.

2) Wie die Propheten und Jesus müssen wir viel Leiden erdulden, um die Menschen zur Wahrheit zu führen.

3) Wir beten zu Gott, daß er sein Reich kommen lasse und alle Menschen zu     seinen Söhnen mache.

          Ueber den Gottesdienst der Babi's notierte Közle auf einem kleinen in meinem Besitz befindlichen Zettel nach Mitteilungen eines hervorragenden Babi folgendes:

          Der Gang der Versammlungen der Babi's:

          1) Vorlesung aus dem Bajan akdas.

          2) Predigt eines Peirember.

          3) Fragen der einzelnen Besucher der Versammlungen an den Peirember und        Beantwortung derselben (Zeit 1 bis 3 Stunden).


 

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   Am Anfang und am Schluß der Versammlungen singt ein Babi, der eine gute Stimme hat.

  Für die Frauen giebt es besondere Versammlungen, welche den gleichen Verlauf haben wie die der Männer.

   Auf den Unterricht der Kinder und zwar in gleicher Weise auf den der Mädchen wie auf den der Knaben legen die Babi's großes Gewicht.

   Die Hauptversammlungen der Babi's finden am letzten Tage jeden Monats statt. Sie haben ein Jahr von 19 Monaten, jeder Monat hat 19 Tage.

   Közle beabsichtigte, Schulen für die Babi's zu gründen, in denen systematisch christlicher Religionsunterricht erteilt werden sollte. Dieser Gedanke wurde von den Babi's mit großer Freude begrüßt. Der Tod Közles verhinderte die Ausführung desselben..

   Die Verbindung, welche ich im Jahre 1892 mit einflußreichen Babi's anknüpfte und welche Dr. Zerweck und Pastor Közle weiterzupflegen beabsichtigten, war der Hauptgrund, welchen die persische Regierung dem Auswärtigen Amte des deutschen Reiches für die im Februar 1895 erfolgte Ausweisung der deutschen Missionare angab.

   In den Augen der persischen Regierung waren und sind die Babi's gefährliche Umstürzler, die sie mit Feuer und Schwert auszurotten sucht, in Wahrheit aber sind sie Bahnbrecher für Wahrheit, Freiheit und Recht in dem dunklen Lande Persien, wie sie die Weltgeschichte von gleichem Opfermut und von gleicher Sterbensfreudigkeit selten gesehen hat. Möge der neue Schah Muzaffereddin den Babi's Religionsfreiheit geben, dann würde er seinem Lande die größte Wohltat erweisen.

 

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Druck von Trowitzsch & Sohn in Berlin.

 

 





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