Hans-Christian Eberl Seifert, Julia Teresa Friehs, GÖ¼nter Kastner, Corinna Oesch, Herbert Posch, Karin, Hrsg. Museum und Film. Wien: Turia & Kant, 2003. 167 S. EUR 15.00, ISBN 978-3-85132-319-1.
Reviewed by Barbara Ziereis (Stuttgart)
Published on H-Museum (July, 2004)
In den letzten Jahren hat der Einsatz von audiovisuellen Medien im Museum enorm zugenommen. Kaum eine kunsthistorische, historische oder archäologische Ausstellung verzichtet auf den Einsatz von filmischem Material. Als ich den Titel des vorliegenden Buches las, war mein erster Gedanke, dass dieser Sammelband wohl eine breitere Diskussion dieser musealen Praxis unternehmen würde. Das war ein Mißverständnis. Gleichwohl ist "Museum und Film", erschienen in der Wiener Reihe "Museum zum Quadrat", als Lektüre zu empfehlen.
Die fünf HerausgeberInnen haben Beiträge versammelt, die sich dem Titelthema von zwei Seiten nähern: Die Artikel befassen sich entweder mit der Repräsentation der Institution "Museum" in ausgewählten Spielfilmen oder mit der Präsentation von Filmen und Filmgeschichte im Museum. Die HerausgeberInnen gehen dabei von folgenden theoretischen Prämissen aus: Mit Bezug auf Baudrillard verstehen sie das Museum als Speicher für die kulturelle Energie seiner Objekte, die es "kyrogenisiere", also einfriere. Das "Bewegungskino" hingegen transformiere die gespeicherte Energie wieder in Bewegung und leiste somit "Auftauarbeit an den Objekten" (S. 8). Der Band will "in der Engführung von Museum und Film den inhärenten analytischen Modus des Films implizit machen" (S. 9).
Für den ersten Beitrag "Tatort Museum. Das Museum im Spielfilm--Versuch einer quantitativen Annäherung" recherchierte Günter Kastner in verschiedenen Filmdatenbanken und Filmlexika nach Spielfilmen, in denen Museen innerhalb der Erzählung eine wichtige Rolle spielen (S. 11-30). Der Autor wertet die gefundenen 125 Spielfilme aus den Jahren 1916 bis 2002 nach den Kategorien "Filmgenre", "Museumstyp" und "Funktion des Museums in der Filmhandlung" aus. Sein Fazit: Der cineastische Blick auf das Museum unterscheidet sich gänzlich von der Selbstwahrnehmung der Institution.
Vrääth Öhners Artikel "'Das ist kein Rot, das ist Blut.' Das Museum vom Kino aus betrachtet" wählt eine philosophische Herangehensweise und begibt sich auf die Suche nach Überschneidungen von Museum und Film (S. 31-50). Entlang der Kategorien "Einmaligkeit" "Abwesend/Anwesend", "Andere Räume" filtert Öhner aus einschlägigen Texten von Walter Benjamin, Jean-Luc Godard, Martin Heidegger sowie Michel Foucault deren Auffassungen zum Kino heraus und diskutiert diese im Hinblick auf seine Fragestellung. Er sieht die beiden Medien heute stark aneinander angenähert, vor allem, da das Publikum an beide mit dem Maßstab des ästhetischen Genießens herangehe.
Wo Öhner auf die Gemeinsamkeiten hinweist, geht es Siegfried Mattl um die Spannung zwischen Film und Museum. "Film versus Museum" betrachtet zu diesem Zweck zunächst die filmischen Repräsentationen des Museums (S. 51-73). Wie die HerausgeberInnen sieht Mattl das Museum im Kinofilm als einen Ort der Starre, des Todes, der Ordnung, der Disziplin und der Überwachung dargestellt. Im Kino, das sich im Sinne des "Bewegungskinos" als Gegenentwurf stilisiert, wird das Museum beschädigt oder zerstört. Die Spannung entsteht auch aus der Zuordnung der Kategorie "Verstand" zur Institution Museum und der Kategorie "Gefühl" zum Film. Seine Thesen legt Mattl in einer Gegenüberstellung einer kleinen Geschichte des Britischen Museums in London und einer Analyse der Filme "The Relic" (USA 1997) und "Bringing Up Baby" (USA 1933) dar. Abschließend diskutiert der Autor die Chancen, die für die Museen aus den sie verzerrenden Filmbildern erwachsen.
Der Beitrag "Mit allen Mitteln der Kunst: Der Film baut sich ein Museum. Staunende Blicke im Filmmuseum Berlin und anderen Tempeln der 'zehnten Muse'" von Stephanie Käthow wechselt nun die Blickrichtung. Käthow behandelt den Film als Objekt im Museum (S. 74-88). Einleitend konstatiert sie, dass heutige Museen ebenso wie das Kino Erlebnisräume erschafft. Die Dauerausstellung des Berliner Filmmuseums präsentiere sich sogar als begehbarer Film und zeige damit, dass auch das Museum flüchtig geworden sei. Die Autorin gibt im folgenden einen Überblick über Austellungskonzepte und Präsentationen der wichtigsten Filmmuseen im deutschsprachigen Raum und weltweit. Daran schließt sie eine knappe Diskussion von Überlegungen zu Ausstellungsmöglichkeiten der Thematik "Film" an.
Frank Stern diskutiert in seinem Artikel "Fritz Lang in Wien, Marlene Dietrich in Berlin und Paula Wessely im schlechten Gewissen: Film als aktives Museum und Requisitenkammer der Erinnerung" die Frage, inwiefern sich die Medien Film und Museum ergänzen (S. 89-106). Er sieht die kulturwissenschaftliche Bedeutung des Kinos in seinen Funktionen als visuelle Erinnerung an das 20. Jahrhundert und als visuelles Repräsentationskollektiv von Erfahrungen. In diesem Kontext ordnet er das Medium "Film" als aktives Museum ein, aus dessen Repertoire--das er differenziert erläutert und in Quellengattungen einteilt--sich zukünftig HistorikerInnen bedienen können.
In "Die Gegenwart als Vergangenheit im Museum der Zukunft. Museale Szenarien in Sciencefiction-Filmen" analysieren die Autorinnen Julia Teresa Friehs, Corinna Oesch und Marie-Noelle Yazdanpanah ausgewählte Filme, darunter "Logan's Run" (USA 1976) und "Demolition Man" (USA 1993) (S. 107-148). Sie befassen sich damit, wie im Science-fiction-Film Zukunft und Vergangenheit präsentiert und zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Die fiktive filmische Zukunft entspricht dabei der Repräsentation von Museen (Sauberkeit, Ordnung, Überwachung und Lebensfeindlichkeit). Die filmische Vergangenheit hingegen erscheint als Träger des Lebens, der Sinnlichkeit und der überzeitlichen Werte.
Abschließend erweitern Hans-Christian Eberl und Karin Seifert mit ihrem Beitrag "'I will destroy my original.' Historyland und Museum" (S. 149-166) das Generalthema des Sammelbandes um die Darstellung von Themenparks und Historylands im Film (S. 149-166). Ihre Quellengrundlage sind die Spielfilme "Westworld" (USA 1973) und "Futureworld" (USA 1976). Historylands rücken ins Interesse der AutorInnen, da diese erfolgreich in Konkurrenz zum Museum stehen. Ihre--wie die AutorInnen meinen--fatalen Erfolgsstrategien werden nun zum Teil von Museen übernommen. Die filmischen Spiegelungen verdeutlichen diese Strategien und können als kritische Betrachtung dieser gelesen werden.
Lesenswert finde ich diesen kleinen Sammelband, weil er den Blick auf ein bisher wenig beachtetes Themenfeld lenkt. Es gelingt den AutorInnen zudem, die ausgewählten Filme als Analyseinstrumente der Institution Museum nutzbar zu machen. Den LeserInnen bietet dies nicht nur interessante Einsichten, sondern regt auch zur Weiterführung der mit diesem Band begonnenen Diskussion um das Verhältnis von Film und Museum und der daraus erwachsenden Chancen für die Zukunft des Museums an.
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Citation:
Barbara Ziereis. Review of Seifert, Hans-Christian Eberl; Friehs, Julia Teresa; Kastner, GÖ¼nter; Oesch, Corinna; Posch, Herbert; Karin; Hrsg, Museum und Film.
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July, 2004.
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