Friedrich Edelmayer. Söldner und Pensionäre: Das Netzwerk Philipps II. im Heiligen Römischen Reich. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2002. 321 S. EUR 44.80 (broschiert), ISBN 978-3-7028-0394-0.
Reviewed by Patrizio Foresta (Historisches Seminar, Wolfgang Goethe Universität Frankfurt am Main)
Published on H-German (March, 2004)
Die vorliegende Studie, deren ursprüngliche Fassung als Dissertationsschrift in Wien vorgelegt wurde, befasst sich mit dem Netzwerk des spanischen Monarchen Philipp II. von Habsburg, welches dieser sich besonders von den 1560er bis in die 1580er Jahre hinein im Heiligen Römischen Reich schuf. Die Figur des Königs, einer "der umstrittensten Persönlichkeiten der spanischen Geschichte" (S. 12), sei wegen seiner langen und in vielerlei Hinsichten widersprüchlichen Regierungszeit nicht leicht zu beschreiben, so der Autor Friedrich Edelmeyer in der Einleitung, und ein einheitliches Bild von ihm sei im Hinblick auf seine Innen- und Außenpolitik kaum oder gar nicht zu gewinnen (S. 14). Nicht zuletzt deswegen begann die Fachliteratur, deren neueste Ergebnisse dem Autor gut bekannt sind, erst im 20. Jahrhundert, sich mit dem Habsburger, "einem der Hauptakteure" (S. 16) in den Konflikten des konfessionellen Zeitalters, ohne vorgefertigte Deutungsmuster kritisch und historisch auseinander zu setzen.
Von daher, so Geoffrey Parker, einer der renommiertesten Spezialisten der philippinischen Forschung, seien in der spanischen Außenpolitik während der 40jährigen Regierungszeit Philipps II. (1555-1598) keine sicheren Merkmale, keine "blueprints" zu erkennen, ebenso wie keine dauerhaft gültigen Leitlinien und Zielrichtungen (S. 17-19). Jedoch ist unter den zahlreichen Kriegsschauplätzen (Osmanisches Reich, Niederlande, Portugal, England und schließlich Frankreich) ein starkes Interesse an den Reichsangelegenheiten im Zeitraum 1565-1580 vorzufinden, was eben den Hauptgegenstand der vorliegenden Forschungsarbeit bildet. Die hier besprochene Untersuchung, die von der Reihe der umfangreichen Publikationen ausgeht, welche anlässlich des 400. Todestags von Philipp II. 1998 veröffentlicht wurden und eine Renaissance der philippinischen Studien hervorbrachen, konzentriert sich auf den dort nur am Rande behandelten Forschungsbereich zur spanischen Politik gegenüber dem Reich, mit der Absicht, eine Forschungslücke zu schließen (S. 26).
Der Autor schildert zuerst die von ihm benutzten und im Titel angedeuteten Stichwörter. Das sind jenes des "Königs von Spanien," des "Söldners" und schließlich des "Pensionärs." Das erste könne wegen der erblichen Intitulatio Philipps II. (er war unter anderem auch Erzherzog von Österreich und Graf von Tirol, wenngleich nur nominell) nicht ohne Weiteres verwendet werden, denn es setzt voraus, die spanische Monarchie des 16. Jahrhunderts sei ein zentral regiertes Staatswesen. Sie sei jedoch vielmehr als eine Anhäufung von äußerst unterschiedlichen Herrschaften zu betrachten. Das zweite verfüge über eine in der Literatur akzeptierte Definition ("ein Mensch, der für eine gewisse Zeit für einen Kriegsherren oder für ein Gemeinwesen militärische Dienste leistet"), die Charakterisierung des dritten sei hingegen etwas komplizierter.[1] Hier sei nur darauf hingewiesen, dass Edelmeyer unter diesem Begriff einerseits den "Empfang von regelmäßigen Geldzahlungen," anderseits die "Erbringung einer Leistung" versteht. Die zwei Vertragspartner traten insofern "in einen Vertragszustand" ein, als sie sich jeweils als Pensionsgeber und nehmer gegenseitig verpflichteten (S. 26-28). Es waren überwiegend Militärs, welche Geld aus Spanien bezogen, wobei man nicht übersehen sollte, dass es auch fürstliche und Reichsräte sowie Reichsfürsten waren, welche sich gegen eine Pensionsbezahlung in den Dienst der iberischen Monarchie stellten und welchen fallweise Aufgaben vornehmlich diplomatischer bzw. politischer Natur übertragen wurden.
Dieses Gefüge von Beziehungen interpretiert der Autor dann als "Netzwerk," ein soziologischer Begriff, den Wolfgang Reinhard in den späteren 70er Jahren unter dem inzwischen klassisch gewordenen Namen "Verflechtung" in die Geschichtswissenschaft einführte.[2] Bei Edelmeyer heißt "Netzwerk" als hermeneutisch zentrales Schema konkret, "wie und mit welchen Mitteln der spanische König zu einzelnen Personen in Kontakt trat und inwiefern er diese Kontakte für seine Zwecke zu instrumentalisieren trachtete, um ... für die spanische Monarchie vorteilhafte Ziele zu erreichen" (S. 31).
Aus machtpolitischen und strategischen Gründen, i.e. um das spanische Herrschaftssystem zwischen Mailand bzw. Reichsitalien und den Niederlanden, welche beide ebenfalls Reichslehen waren, aufrecht erhalten zu können, setzte Philipp II. ein breites Spektrum an zielgerichteten Strategien ein: Geldzahlungen, Übersendung von Geschenken, Korrespondenzen, die der Autor aus den Quellen heraus als "buena correspondencia," mithin als "gute Korrespondenz" bezeichnet, Patenschaften, Besuche durch die spanischen Botschafter, Verwandtschaft. Verschiedene Faktoren bewogen die Empfänger der Vorschläge von Philipp II., in das Netzwerk der spanischen Krone aufgenommen zu werden, seien es die persönliche Bereicherung, die Perspektive eines sozialen Aufstiegs, die Erhöhung des eigenen politischen Gewichts im Reich, gegebenfalls auch die Bewahrung der katholischen Konfession. Die Partnerschaft begünstigte insofern beide Seiten, die wechselseitige Vorteile daraus ziehen konnten.
Mangels kritisch zuverlässiger Quelleneditionen und adäquater Vorstudien stützt sich diese Untersuchung fast ausschließlich auf ungedruckte Quellen aus diversen europäischen Archiven, die am Ende des Buches aufgelistet werden. Deshalb verfügt die Studie eher über einen qualitativen als einen quantitativen Ansatz und ermöglicht somit eine Analyse von ausgewählten Beispielfälle. An ebendiesen gezielt aus den betrachteten Personengruppen abgehandelten Fällen könne am besten die Bedeutung des dicht gewobenen Netzwerkes von Philipp II. aufgezeigt werden, so die methodischen Vorüberlegungen Edelmeyers (S. 33). Wichtig ist auch zu erwähnen, dass Philipp II. sein eigenes Netzwerk zum Teil aus jenem seines Vaters, Karls V., ausbauen konnte.
Unter dem Begriff der "guten Korrespondenz," der als Leitmotiv der Quellenauslegung immer wieder vorkommt, versteht der Autor verschiedene Schriftgattungen wie Glückwunsch-, Kondolenz- und Dankschreiben an die Angehörigen der reichsfürstlichen Familien, die, wie im Falle der ebenfalls in der Studie behandelten Obristen, dicht verschwägert waren. Zusammenfassend können hier nur einige Mittel etwas eingehender aufgelistet werden, die von der spanischen Krone in Anspruch genommen wurden, um ebendiese "guten" Beziehungen zu pflegen. Es waren etwa Geschenke, die je nach der Stellung des Begünstigten im Netzwerk Philipps II. mehr oder minder kostbar sein konnten; Patenschaften, die freilich nur im Falle eines katholischen Hauses übernommen wurden; Pensionszahlungen, die unter manchen und nur zum Teil überraschenden Umständen keine konfessionellen Grenzen kannten und über diese hinaus sehr begehrt gewesen zu sein scheinen . Diesbezüglich merkt Edelmeyer an, dass normalerweise unter den Vertragspartnern entweder die Übereinkunft über einen direkt militärischen Einsatz seitens des Pensionärs oder ein "Nichtangriffspakt" und andere indirekten aber wichtigen Dienste (Durchmarscherlaubnis, Musterplätze, Verbot für die jeweiligen Untertanen, sich in einem Spanien feindlich gesinnten Heer rekrutieren zu lassen usw.) zugunsten des spanischen Monarchen je nach konfessioneller Angehörigkeit zustande kamen; Pensionszahlungen anderer Art wurden den Reichsräten oder den Kanzleimitgliedern bezahlt, um die Ausstellung von Patenten und Urkunden zu beschleunigen; schließlich die Aufnahme in den Orden des Goldenen Vlieses und in die spanischen Militärorden, welche allerdings streng konfessionsbedingt war.
Hier kann auf die im Buch einzeln behandelten Gestalten nicht eingegangen werden, vielmehr sei auf den allgemeinen Aufbau verwiesen. Nach einem Kapitel über das Bild des Reichs in Spanien (S. 38-60), dessen Eruierung sich mit Blick auf die soziale Herkunft auf vielleicht zu einseitige Zeugnisse beschränkt, handelt der Autor die seiner Auffassung nach bemerkenswertesten Figuren aus dem spanischen Netzwerk ab. Es werden dann einige kaiserlichen Räte und Amtsträger (S. 61-109), Reichsfürsten sowohl katholischer als auch protestantischer Konfession (jeweils S. 110-173 und S. 203-224), die Obristen im Dienste der spanischen Krone, letztlich die Söldner "gemustert" (S. 225-264), wobei diese letzten wohl mehr Aufmerksamkeit verdient hätten. Edelmeyer erklärt im Vorfeld, es sei auf ein Quellenproblem zurückzuführen, dass nur die Vorstellungen derjenigen, die in jeglicher Form eine schriftliche Kunde hinterließen, und nicht jene der Soldaten haben berücksichtigt werden können (S. 39). Dennoch stellt der letzte Abschnitt über die örtliche und soziale Herkunft der Truppen, ihre Musterungen, Musterplätze und Einzugsbereiche der persönlichen Einschätzung des Rezensenten nach die historisch-anthropologisch interessantsten Forschungsergebnisse vor.[3]
Die entscheidende Frage nach dem Sinn dieses aufwendigen Unterfangens, und zwar ob es die Außenpolitik Philipps II. nachhaltig bevorteilte, stellt sich der Autor selbst am Ende des Buches und versucht, sie stichhaltig zu beantworten. Der A. bejaht sie, denn im Rahmen des im Reich nach dem Augsburger Frieden 1555 entstandenen Szenarios benötigte Philipp II. "Freunde ... um die Ziele der spanischen Großmachtpolitik verfolgen zu können" (S. 270). Das Wesen des Netzwerkes änderte sich jedenfalls infolge des Werdegangs der spanischen Strategie. Daher erkennt Edelmeyer im Zeitraum zwischen dem Beginn des niederländischen Aufstandes 1565 und dem portugiesischen Feldzug 1580 die Phase, in der das Netzwerk im Reich am dichtsten gewoben war. Dieser Zeitraum sei auch jener gewesen, in dem das Reich den höchsten Stellenwert für die spanische Monarchie gehabt habe, eine Zentralität, die es auch nicht während des Dreißigjährigen Krieges eingenommen habe (S. 273).
Wären für die Untersuchung, die zweifelsohne als gelungen bezeichnet werden kann, ein häufigerer Rückgriff auf die theoretischen Ansätze der neuesten sozial- und kulturgeschichtlichen Beiträge, die der Autor ja in seiner Einleitung zur Kenntnis genommen hat, von Vorteil gewesen, musste jedoch die Frage nach der Existenz eines solch diffusen Netzwerkes auf der Grundlage der vorhandenen Quellen beantwortet werden. In dieser Hinsicht müssen dem Autor eine profunde Fachkenntnis der Archivalien sowie der Literatur und eine über die Jahre hinweg erworbene Familiarität mit dem Stoff, die dem Leser ins Auge fällt, zuerkannt werden. Dies setzt eine zeitaufwendige Quellenarbeit voraus, die ihn in den Stand gesetzt hat, eine erste Analyse, man kann in Bezug auf die Archivalien von einer Pionierstudie reden, eines bislang doch wohl bekannten aber nicht so sehr praktizierten Forschungsbereiches zu unternehmen. Dies wird weiteren Forschern, die sich mit dem Zeitalter Philipps II. beschäftigen, überaus behilflich sein.
Anmerkungen
[1]. Edelmeyer verweist hier auf die Arbeit von Peter Burschel, Söldner im Nordwestdeutschland des 16. und 17. Jahrhunderts. Sozialgeschichtliche Studie. Göttingen 1994.
[2]. Wolfgang Reinhard, Freunde und Kreaturen. Verflechtungen als Konzept zur Erforschung historischer Führungsgruppen. Römische Oligarchie um 1600. München 1979.
[3]. Edelmeyer selbst ist sich der weiteren Entwicklungsmöglichkeiten des von ihm erschlossenen Quellenmaterials bewusst. Auf Seite 183, Anm. 39, notiert er diesbezüglich, wie wichtig für die Geschichte der Geschlechterbeziehungen und in einer alltagsgeschichtlicher Perspektive manche Bregenzer Bestände sein könnten, wie etwa die 105 Schreiben von Hortensia Borromeo an ihren Gemahl, den deutschen Obristen Jakob Hannibal von Hohenems, oder die 118 Aktenstücke über das Alltagsleben bzw. die Kriegsaktionen der von demselben Grafen angeworbenen Söldner.
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Patrizio Foresta. Review of Edelmayer, Friedrich, Söldner und Pensionäre: Das Netzwerk Philipps II. im Heiligen Römischen Reich.
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