Stanley G. Payne. Franco and Hitler: Spain, Germany and World War II. London: Yale University Press, 2008. 328 S.
Reviewed by Carlos Collado Seidel
Published on H-Soz-u-Kult (October, 2010)
St. G. Payne: Franco and Hitler
Das Thema „Franco und Hitler“ übt eine starke Attraktivität aus. Das liegt nicht nur daran, dass der Nationalsozialismus in all seinen Facetten ein unverändert wichtiges und intensiv bearbeitetes Forschungsfeld darstellt. Auch die Beziehungen zwischen dem „Dritten Reich“ und Franco-Spanien sind für die deutsche Zeitgeschichte von besonderem Interesse, schließlich ist der Spanische Bürgerkrieg mit der unheilvollen deutschen Verwicklung darin eines der großen Themen der Geschichte Europas im 20. Jahrhundert. Aber auch die Haltung des an einer strategischen Schlüsselposition gelegenen Spanien im Zweiten Weltkrieg hat ein beträchtliches historiographisches Interesse geweckt. Seit den 1960er-Jahren sind viele wissenschaftliche Publikationen erschienen, die den hinter dem Binom „Franco/Hitler“ stehenden Themenkomplex von verschiedenen Seiten her beleuchtet haben. Und der Fluss an Publikationen ist über die Jahre nicht versiegt, wie auch das zur Besprechung vorliegende Buch beweist.
Bemerkenswert ist an dem Sujet aber auch, dass trotz der intensiven wissenschaftlichen Auseinandersetzung sich eine ganze Reihe von historischen Mythen bis in die Gegenwart als außerordentlich zählebig erweisen. Einer dieser beliebten Mythen ist Francos angeblich entschiedener Wille, Spanien aus dem Zweiten Weltkrieg heraushalten zu wollen. Dies sei aus Rücksichtnahme gegenüber seinem nach dem Bürgerkrieg ausgebluteten Land, aufgrund der Unvereinbarkeit seines Regimes mit dem Nationalsozialismus sowie aus politischer Weitsicht und Klugheit geschehen. Außerdem habe er an einen Kriegseintritt derart überhöhte Forderungen geknüpft, dass Hitler nur abwinken konnte.
Diese in der Nachkriegszeit über Jahrzehnte gebetsmühlenartig wiederholte Sichtweise hat sich in das kollektive Gedächtnis der Spanier tief eingefressen und kann nur ganz allmählich durch die Ergebnisse der historischen Forschung verändert werden. In der Bundesrepublik hat wiederum eine während der christlich-demokratisch geführten Regierungen der 1950er- und 1960er-Jahre intensiv betriebene Verklärung des Franco-Regimes dafür gesorgt, dass dieses als „Oase des Abendlandes“ inmitten eines von Kommunismus und eines als bedrohlich wahrgenommenen Zeitgeistes in seinen Grundfesten erschütterten Europa wahrgenommen wurde. Hierbei wurden zur Ehrenrettung Francos auch die sich um seine Person rankenden Mythen – darunter natürlich der zu seiner Rolle im Zweiten Weltkrieg – bereitwillig verbreitet.
Nun liegt ein weiteres Buch zum Thema vor. Der Autor, Emeritus der University of Wisconsin, ist ein profunder Kenner der faschistischen Epoche in Europa und einer der renommiertesten Historiker zur Zeitgeschichte Spaniens. Allerdings ist er in den letzten Jahren im Zusammenhang mit einer stark politisch aufgeladenen Geschichtsdebatte zum Spanischen Bürgerkrieg mit umstrittenen Thesen zu den Ursprüngen des Konflikts sowie dem Einfluss Stalins auf die republikanische Regierung aufgefallen, die einer „neo-franquistischen“ Geschichtsinterpretation zugeordnet werden.
Die vorliegende Studie strebt jedoch im Unterschied zu anderen seiner in den letzten Jahren erschienenen Arbeiten keine Neuinterpretation der Ereignisse an. Auch basiert sie nicht auf Quellenstudium. Vielmehr handelt es sich um eine Zusammenführung der Ergebnisse der Forschung und ist somit als Einführung in die Thematik zu verstehen. Diesen Umstand unterstreicht der Autor einleitend und verweist dabei namentlich auf über drei Dutzend Historiker, die „neben anderen“ die Forschungen zu diesem Thema in den letzten Jahrzehnten vorangetrieben haben. Hier passt sich auch nahtlos ein, dass Stanley Payne seine Studie der Erinnerung an den 2005 verstorbenen spanischen Historiker Javier Tusell, einen der besten Kenner der Geschichte der Franco-Diktatur, gewidmet hat.
Wenngleich Payne ankündigt, mit dieser Synthese das erste Buch vorzulegen, das sich mit der Gesamtheit der politischen Beziehungen zwischen den Regimen Francos und Hitlers befasst (also der Zeit zwischen 1936 und 1945), konzentriert er sich, wie der Untertitel präziser formuliert, auf die Jahre des Zweiten Weltkrieges. Payne geht in seiner Darstellung chronologisch vor. Die Jahre des Bürgerkrieges werden unter Verweis auf verschiedene Publikationen des Autors zunächst knapp behandelt (S. 3-43). Im Rahmen der Beschreibung der Ereignisse während des Weltkrieges schenkt Payne wiederum gerade der Frage des Kriegseintritts ein besonderes Augenmerk.
Franco wäre vor, während und nach dem Treffen zwischen beiden Diktatoren im September 1940 im französischen Grenzort Hendaye bereit gewesen, in den Krieg einzutreten – allerdings nicht „aus purem Vergnügen“ (S. 91). Einen der Hauptstreitpunkte bildeten spanische Ansprüche auf weite Gebiete des französischen Kolonialgebietes in Nordafrika. Für Hitler kam wiederum nicht in Frage, den Spaniern zu Lasten Frankreichs Kriegsbeute zuzugestehen. Auch wenn schriftliche Übereinkünfte für ihn bekanntermaßen keinerlei Verbindlichkeit implizierten, hätte eine Unterschrift das Verhältnis zu Vichy-Frankreich gefährdet. In Hitlers Vorstellungswelt existierte Spanien ohnehin nicht als politische oder militärische Macht, sondern lediglich als Rohstofflieferant mit einer strategisch wichtigen Lage. Payne macht klar, dass das Franco-Regime erst 1942 mit der Landung der Alliierten in Nordafrika von der Option des Kriegseintritts Abstand genommen und sie endgültig erst 1943 mit dem Sturz Mussolinis verworfen hat.
Einen kleineren Schwerpunkt legt die Studie auf Spaniens Haltung gegenüber dem Holocaust (S. 209-235). Dabei wird ein weiteres von Franco-Apologeten immer wieder angeführtes Bild, das des „Judenretters“, als Mythos entlarvt. Franco hat sich nur sehr widerwillig und in einem Umfang, der viel geringer war, als es in seiner Reichweite gewesen wäre, für als spanische Juden bezeichnete Sepharden eingesetzt. Die gewährte Hilfestellung erfolgte darüber hinaus erst, nachdem die Weiterreise der Juden und zudem jenen, die die spanische Staatsbürgerschaft besaßen, nach Übersee gewährleistet war.
Der Zeit nach der Landung der Alliierten in Italien und dem Sturz Mussolinis widmet sich Payne wiederum nur sehr knapp (S. 236-265). Dies erklärt sich daraus, dass sich die bilateralen Beziehungen angesichts der Entwicklung auf den Schlachtfeldern qualitativ veränderten und in den Hintergrund traten.
Paynes Studie macht vor allem eines deutlich: Franco war keineswegs jener „verschlagene Galicier“, der es geschickt verstanden hat, zum Wohle seines Landes die Neutralität zu wahren. Dass Spanien nicht an der Seite Hitlers in den Strudel des Krieges geriet, lag ausschließlich an Faktoren, die das Franco-Regime nicht beeinflussen konnte: dem Verlauf des Krieges und den Interessen der großen kriegführenden Mächte. Abgesehen davon hat die historische Forschung erwiesen, dass Franco Hitlers Ziele in Europa nie verstanden hat. Der von Franco ersehnte Sieg Hitlers hätte für Spanien einen zumindest quasikolonialen Status bedeutet, und Spanien wäre dem Willen der Hegemonialmacht völlig ausgeliefert gewesen.
Bis Kriegsende hat Franco zu keinem Zeitpunkt die enge Anlehnung an das NS-Regime aufgegeben. Vielmehr hat er sich dem ab Ende 1943 stetig wachsenden Druck der Alliierten widersetzt, Hilfestellung für das NS-Regime zu unterbinden. Francos Spanien hat so lange wie nur möglich durch die Lieferung von Rohstoffen und als Operationsbasis für deutsche Geheimdienste nach Kräften mit dem „Dritten Reich“ zusammengearbeitet. Noch in den Wirren der letzten Kriegsmonate beeilte sich die spanische Regierung, die Reichsregierung wissen zu lassen, dass sie an den freundschaftlichen Beziehungen ungebrochen festhalte. Die Forschungsergebnisse der letzten Jahre brachten zudem immer deutlicher ans Licht, dass Kriegsverbrecher und gesuchte Nationalsozialisten dauerhaft Zuflucht bzw. Hilfestellung bei der Durchreise nach Südamerika in Spanien fanden. Die Bewunderung für Nazi-Deutschland endete auch nicht mit dem Jahr 1945. Stellvertretend hierfür sei die Feststellung von José Ignacio Escobar, einem führenden Ideologen des Franco-Regimes, angeführt. Im Sommer 1946, als die Alliierten die Auslieferung von Nazis durch Spanien forderten, stellte Escobar fest, dass das einzige Vergehen dieser „bedauernswerten Deutschen“ gewesen sei, dass „ihr Vaterland es nicht geschafft hatte, die Atombombe rechtzeitig fertig zu stellen, und sie infolgedessen den Krieg verloren haben.“ Brief von José Ignacio Escobar, Marquis von Marismas del Guadalquivir, an den spanischen Außenminister Alberto Martín Artajo, 12. 7. 1946, in: Archiv des spanischen Außenministeriums, Leg. R 2160, Exp. 4.
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Carlos Collado Seidel. Review of Payne, Stanley G., Franco and Hitler: Spain, Germany and World War II.
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