
Uwe Bahnsen, Kerstin von Stürmer. Die Stadt, die sterben sollte: Hamburg im Bombenkrieg, Juli 1943. Hamburg: Convent Verlag, 2003. 128 S. (gebunden), ISBN 978-3-934613-55-3.

Wolfgang Bönitz. Feindliche Bomberverbände im Anflug: Zivilbevölkerung im Luftkrieg. Berlin: Aufbau Verlag, 2003. 240 S. ISBN 978-3-7466-8105-4.

Hans Brunswig. Feuersturm über Hamburg. Stuttgart: Motorbuch Verlag, 2003. 470 S. (gebunden), ISBN 978-3-613-02367-3.

Stephan Burgdorff, Christian Habbe. Als Feuer vom Himmel fiel: Der Bombenkrieg in Deutschland. München: Deutsche Verlags-Anstalt, 2003. 253 S., 50 s/w Abb. (gebunden), ISBN 978-3-421-05755-6.

Michael Foedrowitz. Luftschutztürme und ihre Bauarten 1934-1945. Utting: Nebel Verlag, 2003. 80 S. ISBN 978-3-89555-096-6.

Christian Hanke, Joachim Paschen, Bernhard Jungwirth. Hamburg im Bombenkrieg 1940-1945: Das Schicksal einer Stadt. Hamburg: Medien-Verlag Schubert, 2001. 143 S. (gebunden), ISBN 978-3-929229-16-5.

Martin Heinzelmann. Göttingen im Luftkrieg 1935-1945. Göttingen: Verlag Die Werkstatt, 2003. 95 S. ISBN 978-3-89533-424-5.
Egbert A. Hoffmann. Als der Feuertod vom Himmel stürzte: Hamburg Sommer 1943. Gudensberg-Gleichen: Wartberg Verlag, 2003. 47 S. (gebunden), ISBN 978-3-8313-1389-1.

Klaus R. Röhl. Verbotene Trauer: Ende der deutschen Tabus. Tübingen: Universitas Verlag, 2002. 238 S. (gebunden), ISBN 978-3-8004-1423-9.

Thomas Siemon, Werner Dettmar. Der Horizont in hellen Flammen: Die Bombardierung Kassels am 22. Oktober 1943. Gudensberg-Gleichen: Wartberg Verlag, 2003. 48 S. ISBN 978-3-8313-1391-4.
Reviewed by Jörg Arnold
Published on H-Soz-u-Kult (June, 2004)
Sammelrez: Bombenkrieg
In einer Rezension für H-Soz-u-Kult hat Ralf Blank auf das Spannungsverhältnis aufmerksam gemacht, das zwischen den Ergebnissen der historischen Forschung zum "strategischen Luftkrieg" im Zweiten Weltkrieg auf der einen Seite besteht und der populären Tradierung des "Bombenkrieges" auf der anderen. Ralf Blank über Kucklick, Christoph: Feuersturm. Der Bombenkrieg gegen Deutschland. Hamburg 2003. In: H-Soz-u-Kult, 22.10.2003, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2003-4-043, Anm. 4. Ich danke Michael Arnold, Dr. Neil Gregor, Odile Jansen und Christian Schneider für die kritische Durchsicht des Manuskripts. Diese Spannung trat im Oktober 2002 mit der Publikation von Jörg Friedrichs "Der Brand – Deutschland im Bombenkrieg" in neuer Schärfe hervor: Dem abwinkenden "nichts Neues" der fachwissenschaftlichen Zunft stand der überwältigende Publikumserfolg und die breite mediale Rezeption des Buches als "Tabubruch" gegenüber. Friedrich, Jörg, Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940-1945, München, 11. Auflage, 2002. Zur "Bombenkriegsdebatte" vgl. die Sammlung wichtiger Beiträge in: Kettenacker, Lothar (Hg.), Ein Volk von Opfern? Die neue Debatte um den Bombenkrieg 1940-45. Berlin 2003; ferner Nachrichtendienst für Historiker. <http://www.nfhdata.de/premium/datenbasis-information/pages/Presseschau-Deutsch/Thema/Der_Brand_Deutschland_im_Bombenkrieg_1940-1945/index.shtml>; H-Net German. Forum. World War II bombing: rethinking German experiences (November 2003) <http://www.h-net.org/~german/discuss/WWII_bombing/WWII-bombing_index.htm>; Naumann, Klaus, Bombenkrieg-Totaler Krieg-Massaker. Joerg Friedrichs Buch "Der Brand" in der Diskussion, in: Mittelweg 36 (4/2003), S. 49-60. Mögen ausgewiesene Kenner der Materie Friedrichs Darstellung mit "kleinkarierter Nörgelei und dem Pathos der Alarmierten" (Bernd Greiner) aufgenommen haben; im Kontext lokaler Gedenkveranstaltungen aus Anlass des 60. Jahrestages schwerer Luftangriffe ist der Autor ein viel gefragter Ehrengast. Greiner, Bernd, Overbombed. Rezension zu Jörg Friedrich, Der Brand, in: Literaturen (03/2003), S. 42-44.
Friedrichs Buch, welches – wie oft bemerkt – vor allem auf einer Auswertung von Stadtchroniken, "Dokumentar-" und "Erfahrungsberichten" beruht, hat seinerseits eine Fülle neuer Publikationen gleichen Genres angeregt, von denen eine Auswahl in dieser Sammelrezension vorgestellt werden soll. Die insgesamt 28 Neuauflagen und Neuerscheinungen sollen dabei nicht in erster Linie als Beiträge zur wissenschaftlichen Forschung beurteilt, sondern als Indikatoren der gegenwärtigen Erinnerungskultur gelesen werden. Zum Begriff vgl. Cornelißen, Cristoph, Was heißt Erinnerungskultur? Begriffe – Methoden – Perspektiven, in: GWU 54/10 (10/2003), S. 548-563. Siehe speziell zur Gedenkkultur jetzt auch die Beiträge von Jan Philip Reemtsma, Gilad Margalit und Klaus Naumann, in: Mittelweg 36 (2/04), S. 49-63, 64-75 & 76-92. Dies entspricht durchaus dem Selbstverständnis der Texte, die sich explizit oder implizit der mahnenden Erinnerung verschrieben haben. Im Vordergrund der Rezension steht deshalb weniger die Frage nach dem wissenschaftlichen Gehalt als nach den tradierten Geschichtsbildern, nach Perspektive, Kontext, Darstellungsmodus und Wertung. Wie nähern sich die Verfasser ihrem Gegenstand, wie wird dieser definiert? In welche Kontexte wird das erzählte Geschehen eingeordnet? Welcher Medien bedienen sich die Texte, wer kommt zu Wort, welche Sprache wird gesprochen? Und schließlich: Welche Urteile werden gefällt, und wie verhalten sich diese zu den Ergebnissen der fachhistorischen Forschung?
Der Zyklus der Veröffentlichungen folgt der Chronik des strategischen Luftkrieges gegen das Deutsche Reich, oder genauer: Er eilt dieser voraus. Stand die Publikationswelle des Jahres 2003 im Zeichen der 60. Wiederkehr des "Katastrophenjahres 1943" (Olaf Groehler), so greifen die Neuerscheinungen des Frühjahrs 2004 auf das "Herbstinferno" des Jahres 1944 vor. Dabei haben sich zwei Schwerpunkte herauskristallisiert. Erstens wird aus lokaler Perspektive die Geschichte von Städten dargestellt, die schweren und schwersten Luftangriffen ausgesetzt waren: So sind etwa zu Hamburg aus Anlass des 60. Jahrestages der "Juli-Katastrophe" von Ende Juli 1943 sechs Neu- und Wiederveröffentlichungen erschienen Neben den vier hier zu besprechenden Büchern sind das die beiden Bände von: Hage, Volker, Zeugen der Zerstörung. Die Literaten und der Luftkrieg. Essays und Gespräche. Frankfurt am Main 2003; Ders. (Hg.), Hamburg 1943. Literarische Zeugnisse zum Feuersturm. Frankfurt am Main 2003. Vgl. die Besprechung von Silke Horstkotte in H-Soz-u-Kult, 31.10.2003, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2003-4-064>. , zu Kassel im Gedenken an "die Zerstörung" vom 22. Oktober 1943 immerhin drei. Allein die bei Wartberg verlegte Reihe "Deutsche Städte im Bombenkrieg" weist bisher elf Einzeltitel auf, weitere sind in Vorbereitung. Zweitens sind eine Anzahl von Gesamtdarstellungen veröffentlicht worden, von denen hier die Buchform der SPIEGEL-Serie "Als Feuer vom Himmel fiel" sowie die Darstellung von Wolfgang Bönitz "Feindliche Bomberverbände im Anflug" besprochen werden sollen. Darüber hinaus haben vereinzelt auch Gemeinwesen Interesse auf sich gezogen, die in der bisherigen Topografie des "Bombenkrieges" schlechterdings überhaupt nicht vorkamen, wie etwa Göttingen in der Darstellung Martin Heinzelmanns.
Auffällig ist das starke Engagement der Lokalpresse. In Buchform werden zeitgeschichtliche Serien zusammengefasst oder auch die Ergebnisse von "Leseraktionen" vorgestellt. Damit präsentiert sich die Lokalpresse als Träger lokaler Erinnerungskultur und somit in einer Rolle, die sie örtlich bereits seit kurz nach Kriegsende einnimmt. Daneben treten die Institutionen der kommunalen Selbstverwaltung hervor, als Herausgeber oder auch als Schirmherr. Geschrieben wurden die meisten Darstellungen von Journalisten, seltener von Heimathistorikern.
Der Gegenstand: die "Zerstörung" "unserer Stadt"
Die Texte bedienen lokale Erinnerungsmärkte und spiegeln gleichzeitig die Ausprägungen lokaler Erinnerungskulturen wider. Bei allen Unterschieden im Einzelnen, die neben den individuellen Schwerpunktsetzungen der Autoren sowohl unterschiedlichen Erfahrungen im Luftkrieg als auch Nuancierungen in den erinnerungskulturellen Traditionen geschuldet sind, zeichnen sich die Darstellungen durch ein überraschend hohes Maß gemeinsamer Grundannahmen und Darstellungsmodi aus. Dies gilt vor allem für die Serie "Deutsche Städte im Bombenkrieg" des Wartberg-Verlags, dessen Einzelpublikationen die lokalen Buchmärkte im Erinnerungsjahr 2004 dominieren. Das Thema der Reihe ist nicht so sehr die Darstellung des Luftkrieges aus lokalgeschichtlicher Perspektive, auch nicht eigentlich eine Sozialgeschichte des (Luft-)Krieges. Vielmehr geht es um die Veranschaulichung der materiellen und menschlichen Auswirkungen des alliierten "Bombenkrieges" auf das eigene Gemeinwesen. Dies geschieht über die Darstellungsmodi der historischen Fotografie und des retrospektiven Augenzeugenberichtes. Andreas Förschler hat seinem Band über Stuttgart den programmatischen Titel gegeben "Unser Stuttgart geht unter", während Maren Ballerstedt und Konstanze Buchholz im Vorwort ihres Buches über Magdeburg, "Es regnet Feuer!", schreiben: "Mit diesem Buch soll ein Bild von Magdeburg, vom Leben in dieser Stadt aus der Zeit vor, während und nach der verhängnisvollen Zerstörung vermittelt werden" (S. 3).
Im Mittelpunkt stehen die erfahrungsgeschichtliche Dimension und die Veränderung des Stadtbildes in Folge der uneingeschränkten Flächenbombardements. Das Gemeinwesen setzt sich zusammen aus "ganz normalen" Krefeldern, Solingern oder Kasselern: Zwangsarbeiter sowie rassisch und politisch Verfolgte kommen allenfalls als Statisten vor, ebenso wie Funktionsträger der NSDAP und ihrer Gliederungen. Die Erfahrungsebene konzentriert sich auf die entnazifizierte, ethnisch homogene "Stadtgemeinschaft". Auch "ganz normale" Stadtbewohner verschwinden allerdings aus dem Blickfeld, sobald sie den geografischen Raum der Stadt verlassen, sei es als Wehrmachtssoldaten, Evakuierte oder "Ausgebombte". Selten einmal wird der Versuch unternommen, der Vielzahl von Zeitzeugenberichten die Perspektive einer rassisch Verfolgten an die Seite zu stellen, wie etwa in Volker Kellers Band über Mannheim (S. 36, 59). Dasselbe gilt für den Darstellungsmodus des Bildes: Wenn Evelyn Hils-Brockhoff und Tobias Picard in ihrem Buch über Frankfurt in einer beeindruckenden Farbsequenz die enge Verquickung von Stadtgeschichte, Nationalsozialismus und Verfolgung aufzeigen (S. 14-21), so stehen dem eine Vielzahl von romantisierenden Aufnahmen gegenüber, die etwa, wie in Brigit Horns Band über Leipzig, mit "schönes altes Leipzig" überschrieben sind (S. 4-13).
Die vorherrschende Erzählhaltung ist die der Empathie: Dem Bemühen um sachliche oder zuweilen auch kritische Distanz, das noch in vielen Darstellungen der 1980er und 1990er-Jahre nachzuweisen ist, ist die vorbehaltlose Identifikation mit den Opfern des Luftkrieges gewichen. Hans Rumpf bemüht in seiner frühen Darstellung die historistische Formel 'sine ira et studio', um sein Bemühen um 'Sachlichkeit' zu unterstreichen. Vgl. Rumpf, Hans, Das war der Bombenkrieg. Deutsche Städte im Feuersturm. Oldenburg 1961, S. 9. Noch viele Texte der 1980er-Jahre zeichnen sich durch eine distanzierte, auf den technischen Vorgang der 'Zerstörung' konzentrierte Darstellung aus. Vgl. etwa Dettmar, Werner, Die Zerstörung Kassels im Oktober 1943. Eine Dokumentation. Fuldabrück 1983. In ihrem wissenschaftlichen Gehalt fällt die Publikationswelle des Jahres 2003/4 deutlich hinter die der 1990er-Jahre zurück. Das wird vor allem deutlich an Texten, die in den 1990er-Jahren geschrieben wurden und aus Anlass des 60. Jahrestages neu aufgelegt wurden, wie etwa die sorgfältig recherchierten Bände von Matthias Neutzner zu Dresden und von Bohl, Keipke und Schröder zu Rostock. Günther Klugemann etwa spricht in seinem Vorwort zu "Feuersturm über Freiburg" von der "tiefen Betroffenheit" und dem "intensiven Grimm", den die Beschäftigung mit dem Thema in ihm ausgelöst habe; Olaf Steinacker in seiner Sammlung von Zeitzeugenberichten über Düsseldorf von dem "Respekt" und dem "Dank", der den Menschen dafür gebühre, "diese schreckliche Zeit zu vergegenwärtigen" (S. 6). Mit der nachholenden Empathie geht eine Verschiebung des Akzents einher: Der Stolz der Zeitgenossen über die erfolgreiche "Bewältigung" wird verdrängt vom Entsetzen der Nachgeborenen über das Ausmaß der Schäden und Menschenverluste sowie einer neuen Sensibilität für die Langzeitfolgen der Städtebombardierungen. Beispielhaft hierfür mag das Schlusskapitel des vom Landesmedienzentrum Baden-Württemberg herausgegebenen Bandes über Stuttgart stehen, das mit "Spuren der Vergangenheit" überschrieben ist und neben Gräbern und Gedenksteinen zivil genutzte Luftschutzbunker zeigt.
"Die Nacht, in der Krefeld unterging: 22. Juni 1943" von Elisabeth Kremers kann als typisches Beispiel für die oben grob skizzierte Art der Thematisierung dienen. Der Band ist Bestandteil zweier Serien: Neben der Reihe "Deutsche Städte im Bombenkrieg" gehört er ebenfalls zur Reihe "Bilder aus Krefeld". Der Titel verweist auf die teleskopische Konzentration des gesamten Luftkrieges (und zu einem gewissen Grad auch des Zweiten Weltkrieges) auf die "eine" Nacht, in der entweder das "historische Gesicht" der Stadt, in der Regel die Altstadt, zerschlagen wurde oder besonders viele Opfer zu beklagen waren. Im Falle Krefelds fiel beides zusammen: Der Nachtangriff der RAF vom 22. Juni 1943 kostete nach Angabe der Verfasserin 1.036 Krefeldern das Leben und zerstörte einen großen Teil der Innenstadt und der nördlichen Stadtteile (S. 4). Der 63 Seiten umfassende, reich bebilderte Text setzt den Titel dann jedoch nicht um, sondern ist um eine zeitliche Auffächerung des Geschehens bemüht. Die zwölf Abschnitte umspannen einen Zeitraum von Mitte der 1930er bis Mitte der 1960er-Jahre: Einem zweiseitigen Vorwort folgt das Kapitel "Stadtansichten vor der Zerstörung", während das chronologische Abschreiten der sukzessiven Zerstörung Krefelds den Hauptteil des Buches ausmacht. Daran schließen sich vier kurze Kapitel zur Nachgeschichte an, die mit "Die Kriegsschäden sind noch lange sichtbar" enden. Die Tendenz, neben dem "einen" Großangriff, welcher die lokalen Gedenkveranstaltungen dominiert, auch den anderen, "vergessenen" Angriffen mehr Raum zu geben und dadurch in das öffentliche Bewusstsein zurückzuholen, findet sich in vielen der neueren Veröffentlichungen.
Das Vorwort macht Perspektive und Anliegen des Buches deutlich. Kremers begreift sich als Teil einer Wir-Gruppe, welche die Autorin, die Leserschaft und die anthropomorphisierte Stadt umfasst: Es geht um "unsere Stadt" (S. 4) und deren Veränderung im "Bombenkrieg" und "Wiederaufbau". Der Text ist bestimmt vom Spannungs- und Konkurrenzverhältnis zweier Narrative: einer Geschichte vom Verlust und einer Geschichte vom Erfolg. Großformatige Bilder vom zerstörten Krefeld führen drastisch die materiellen, kulturellen und menschlichen Kosten des Luftkrieges vor Augen; Bilder vom Leben in den Trümmern hingegen veranschaulichen das trotzige "Dennoch" einer Stadt und ihrer Bewohner, die Opfer eines Vernichtungswillens wird und "am Leben" bleibt. Der Wiederaufbau allerdings, der vergleichbaren Darstellungen noch der 1970er-Jahre als sichtbarer Ausdruck des lokalen Behauptungswillens galt, gerät hier ebenfalls in die Kritik. Den "großen Wandel im Gesicht der Stadt [brachten] aber die 50er und 60er Jahre", wie Kremers feststellt (ebd.). Damit wird ein weit verbreitetes Unbehagen über das Erscheinungsbild der deutschen Städte ausgedrückt, welches sich andernorts bisweilen als Kritik an der "zweiten" oder sogar an der "eigentlichen" Zerstörung artikuliert.
Findet sich Kremers' Perspektive in vielen der hier zu behandelnden lokalgeschichtlichen Texte wieder, so verfolgen die beiden Gesamtdarstellungen, Wolfgang Bönitz'
"Feindliche Bomberverbände im Anflug" und der von den SPIEGEL-Redakteuren Stephan Burgdorff und Christian Habbe herausgegebene Sammelband "Als Feuer vom Himmel fiel", einen umfassenderen Ansatz. Zwar hat der 1931 in Elsdorf (Sachsen) geborene Heimathistoriker Bönitz seinem im Aufbau Taschenbuch Verlag erschienenen Buch den Untertitel "Zivilbevölkerung im Luftkrieg" gegeben. Der solide recherchierte Text jedoch beschränkt sich nicht auf diesen Teilaspekt, sondern liefert in Anlehnung an Olaf Groehlers' 1990 erschienenes Standardwerk "Bombenkrieg gegen Deutschland" eine militärgeschichtliche Darstellung des strategischen Luftkrieges mit sozialgeschichtlichen Einschlägen. In seinem Vorwort verweist der Autor auf die persönliche Erfahrungsdimension und leitet daraus seine Motivation zum Schreiben des Buches her. Aus dem eigenen Erleben des alliierten Luftkrieges als "12 bis 14jähriger Schüler in einer kleinen sächsischen Stadt" sei der Wunsch entstanden, "vor allem für meine Enkel und ihre Altersgefährten diese schlimme Zeit zu beschreiben" (S. 7).
Der knapp 210 Seiten umfassende, in sechzehn kurze Kapitel gegliederte Text lässt sich in zwei große Abschnitte einteilen. Teil eins (S. 9-150) zeichnet die Entwicklung der Luftkriegführung und –strategie von den Anfängen im Ersten Weltkrieg über die Kolonialkriege der Zwischenkriegszeit bis zur Eskalation im Spanischen Bürgerkrieg und im Zweiten Weltkrieg nach. Der Schwerpunkt liegt auf dem alliierten strategischen Luftkrieg gegen das Deutsche Reich zwischen 1940 und 1945, aber relativ ausführlich eingegangen wird auch auf die deutschen Luftangriffe von 1939 bis 1941. Diese im Wesentlichen an der Chronologie der Ereignisse orientierte Darstellungsweise mag zwar wenig originell sein, besitzt aber im Vergleich zu Jörg Friedrichs geografischem Vorgehen in "Der Brand" den Vorteil, die schrittweise Entgrenzung des Luftkrieges vor dem Hintergrund einer sich wandelnden militärischen Gesamtlage anschaulich und zu einem gewissen Grade auch nachvollziehbar zu machen. Ein weiterer Vorzug von Bönitz' Darstellung – diesmal im Vergleich zu dem Werk von Olaf Groehler – besteht darin, dass auch die Angriffe des Frühjahrs 1945 ausführlich dargestellt werden, vor allem insoweit davon das Gebiet der ehemaligen DDR betroffen war. Der kürzere zweite Teil (S. 150-199) widmet sich sozialgeschichtlichen Aspekten des Luftkrieges: der Alltagserfahrung im Bombenkrieg, der sozialen Lage der Evakuierten, "Kinderlandverschickten" und "Ausgebombten", aber auch den Industrieverlagerungen und dem Wohnraummangel.
Daran schließt sich eine differenzierte "Nachbetrachtung" an, in welcher der Autor den strategische Luftkrieg – und hier vor allem: das moral bombing – einer abschließenden Beurteilung unterzieht (S. 200-220). Bönitz kehrt die unter anderem von Richard Overy vertretene These um, wonach die uneingeschränkten Flächenbombardements "barbarisch aber sinnvoll" gewesen seien, weil sie ein erhebliches deutsches Militärpotential gebunden hätten. Zuletzt in: Overy, Richard, "Barbarisch, aber sinnvoll", in: Kettenacker (Hg.), Volk von Opfern, S. 183-187. Bönitz fragt demgegenüber, um wie viel größer die "Wirkung dieser Waffen hätte sein können, wenn sie vor allem auf militärische und rüstungswirtschaftlich bedeutsame Ziele gerichtet gewesen wären" (S. 217). Indem der Verfasser zusammenfassend die internen und öffentlichen Kontroversen über die Strategie des Bomber Command nachzeichnet, gelingt es ihm, die Diskussion um den "Bombenkrieg" aus einem behavioristischen Reiz-Reaktions-Schema zu lösen und mögliche Handlungsalternativen aufzuzeigen. Beachtenswert ist, dass Bönitz auch auf deutscher Seite – und hier besonders bei der Generalität – auf mögliche Alternativen zum trotzigen Aushalten und Hoffen auf eine Wende wider alle Vernunft hinweist. Warum, so fragt er, habe die Generalität nicht den "Mut, die Zivilcourage und die Intelligenz" dazu aufgebracht, den bereits verlorenen Krieg zu beenden.
Einen noch umfassenderen Ansatz verfolgt der Sammelband "Als Feuer vom Himmel fiel. Der Bombenkrieg in Deutschland". Es handelt sich dabei um die Buchform der fast gleichnamigen SPIEGEL-Serie vom Frühjahr 2003, die als Einzelpublikation auch schon als SPIEGEL spezial NR. 1/2003 erschienen ist. Der Band versteht sich als ein Beitrag zur öffentlichen Debatte um den Bombenkrieg und seiner (deutschen) Opfer, der jenseits "larmoyanter Schuldzuweisungen" zu einer "lebhaften, kontrovers geführten Diskussion" beitragen möchte (Vorwort, S. 9). Als Verfasser der insgesamt 33 Einzelaufsätze zeichnen in der Regel Redakteure des Hamburger Nachrichtenmagazins. Daneben kommen aber mit Hans-Ulrich Wehler, Hans Mommsen und anderen auch renommierte Zeithistoriker zu Wort, vor allem – wie das Vorwort extra betont – aus der "Zeitzeugengeneration". Die Einzelbeiträge stecken einen weiten thematischen Rahmen ab, der sich von militär- und strategiegeschichtlichen über sozial- bis zu kulturgeschichtlichen Aspekten erstreckt. Daneben wird auch die moralische Dimension des alliierten Luftkrieges sowie dessen Relevanz für die Gegenwart diskutiert.
Insgesamt sieben Abschnitte ordnen die Einzelbeiträge: Dem Essay "Grauen und Gerechtigkeit" des Berliner Theologieprofessors Richard Schröder folgt als Übersicht "Der Luftkrieg über Europa". "Hitlers Bombenterror" behandelt die Angriffe der deutschen Luftwaffe im Spanischen Bürgerkrieg und in den Jahren 1939-1942, während "Deutschland im Feuersturm" den strategischen Luftkrieg der Alliierten 1940-1945 darstellt und die Folgen für die Kriegsmoral erörtert. "Kriegsrecht und Moral" widmet sich dem Problem der ethisch-rechtlichen Bewertung und der Frage nach den "Lehren" für die Gegenwart. "Die Schlacht am Himmel" hingegen thematisiert das Geschehen als Krieg im eigentlichen Sinne, als militärische Auseinandersetzung zwischen alliierten Bombern und Begleitjägern auf der einen und deutscher Luftabwehr auf der anderen Seite. Die beiden abschließenden Kapitel, "Leben in Trümmern" und "Die Folgen der Zerstörung", schließlich fragen in sozial- und kulturgeschichtlicher Perspektive nach den materiellen und psychischen (Langzeit-)Folgen der Flächenbombardements.
Auf die Einzelbeiträge, die teils empirisch, teils essayistisch angelegt sind, kann hier nicht gesondert eingegangen werden. Im Rahmen dieser Sammelbesprechung sollen lediglich zwei Grundtendenzen herausgearbeitet werden, die für den gegenwärtigen Erinnerungsdiskurs kennzeichnend scheinen. Bereits die Kapitelüberschriften verweisen auf einen Sprachduktus, der sich auch durch viele Einzelbeiträge zieht. Hitlers Name fungiert bevorzugt dann als Platzhalter, wenn von Deutschen zu verantwortendes Handeln thematisiert wird, wie etwa in "Hitlers Bombenterror". Ist hingegen von Erlittenem die Rede, finden wir Formulierungen wie "die Deutschen", "die Städte" oder "die Zivilbevölkerung". Der selbstverständliche Rückgriff auf Dämonisierung und Externalisierung einerseits, Entnazifizierung und Universalisierung andererseits unterstreicht die Langlebigkeit von Deutungsmustern, die der Forschung allgemein als charakteristisch für den Erinnerungsdiskurs der 1950er und 1960er-Jahre gelten. Neben diesen Traditionsbeständen spiegeln viele Beiträge aber auch den Paradigmenwechsel in der Erinnerungskultur der 1980er und 1990er-Jahre wider, wie er beispielsweise in der viel beachteten Rede Richard von Weizsäckers zum 40. Jahrestag des Kriegsendes formuliert wurde.
Gerade dieser Wandel in der Bewertung des Zweiten Weltkrieges ist es, aus welchem sich eine neue Irritation über den alliierten Luftkrieg zu speisen scheint – eine Irritation, die in vielen Beiträgen des Sammelbandes greifbar ist. In dem Maße, in welchem die Nachgeborenen der "Volksgenossen" des Dritten Reiches den 8. Mai 1945 als "Befreiung" statt als "deutsche Katastrophe" begreifen, erscheinen Kriegshandlungen der Alliierten um so verstörender, die sich noch in den letzten Monaten des Krieges nicht nur gegen das Militär und Repräsentanten des NS-Regimes richteten, sondern im Sinne einer totalen Kriegsführung gegen alle Bewohner des Deutschen Reiches und seiner Verbündeten. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die verkürzende Beschreibung des Zieles des strategischen Luftkrieges als Versuch, das deutsche Volk gegen "die braunen Zwingherren auf[zu]bringen" (S. 9). Wird ein nicht näher imaginierter "Volksaufstand" zum alleinigen Maßstab, muss das Ausbleiben desselben als Beleg für das Scheitern der alliierten Strategie dienen. Mehr noch: "Die Bomber" werden sogar in Anlehnung an die These von der "zweiten Machtergreifung" der NSDAP zu "Helfern Hitlers". Vgl. den Beitrag von Mommsen, Hans, Wie die Bomber Hitler halfen, S. 115-121.
Die "moralische Verstörung" (Klaus Naumann) findet sich kondensiert in der Debatte um die ausgebliebene Bombardierung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz. Naumann, Klaus, Leerstelle Luftkrieg. Einwurf zu einer verqueren Debatte, in Mittelweg 36 (2/98), S. 12-15, hier S. 15. Warum, fragt der SPIEGEL-Redakteur Hans Michael Kloth in einem Beitrag, wurde die "Todesfabrik der Nazis" nicht angegriffen, obwohl den Alliierten doch seit 1942 zuverlässige Informationen über den planmäßigen Judenmord zugegangen seien. Sachkundig erörtert der Verfasser eine Vielzahl von Faktoren, die einem Angriff entgegenstanden: die Bewertung möglicher Einsatzziele nach den Kriterien des militärischen Nutzens, die technischen Schwierigkeiten, die Kürze des Zeitfensters, moralische Bedenken und mangelnde Unterstützung des Planes durch die Politik. Selbst eine erfolgreiche Bombardierung der Gleise oder der Baracken, so räumt Kloth ein, hätte die Überlebenschancen der Opfer des Holocaust kaum erhöht: "Tief im Hinterland der Nazis" gelegen, hätte sich den Überlebenden eines Angriffs kaum eine Möglichkeit zur Flucht eröffnet. "Dennoch", so die Folgerung, "hätte es getan werden müssen, als moralische Tat" (S. 92) – die alliierten Bomberflotten als Mitschuldige am Holocaust durch unterlassene Hilfeleistung?
Neben einer Irritation über die Methoden der alliierten Kriegführung fällt als zweites Merkmal des Sammelbandes auf, dass die Einzelbeiträge nicht unbedingt ein stimmiges Gesamtbild ergeben. An die Stelle einer Meistererzählung von "Rache", "sinnlosen Zerstörungen" und "unschuldigen Opfern" ist eine diskursive Pluralisierung getreten, die auch einander widersprechende Thesen nebeneinander stehen lässt. Am deutlichsten wird dies in den beiden Beiträgen, welche die moralischen Auswirkungen der Flächenbombardements thematisieren. Während Hans Mommsen in seinem Beitrag die populäre, zuletzt von Friedrich aufgewärmte, jedoch in Fachkreisen umstrittene These von der "zweiten Machtergreifung" der NSDAP infolge der Flächenbombardements vertritt, arbeiten die SPIEGEL-Redakteure Georg Bönisch und Christian Habbe in ihrem Beitrag "Witze über den Führer" gegenteilige Tendenzen heraus: Sie zeigen, wie infolge des durch die Flächenbombardements hervorgerufenen Chaos' sich der repressive Zugriff des NS-Regimes auf seine Gegner lockerte und viele rassisch und politisch Verfolgte im Untergrund überleben konnten.
Insgesamt bleibt der Befund vieldeutig: Einer neuen Emotionalisierung des Gegenstandes, welche die nachholende Empathie mit den "eigenen" Opfern ebenso einschließt wie die moralische Entrüstung über die Methoden der alliierten Kriegführung, steht der Versuch gegenüber, den Blickwinkel zu erweitern und jenseits von Schuldzuweisungen den "Bombenkrieg" in seiner historischen und auch Gegenwartsbedeutung neu zu erfassen.
Das Problem des Kontextes: das Beispiel Hamburg
Als "Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg" im Oktober 2002 erschien, wurde von Seiten prominenter Historiker neben der Emotionalisierung vor allem die fehlende Kontextualisierung des Gegenstandes bemängelt. Vgl. die richtungsweisende Rezension von Hans-Ulrich Wehler in der SZ vom 14.12.02, "Weltuntergang kann nicht schlimmer sein"; unter dem Titel "Wer Wind sät, wird Sturm ernten" wiederabgedruckt in: Kettenacker (Hg.), Volk von Opfern, S. 140-44. Wie nun gehen die neueren populären Darstellungen mit diesem Problem um, das, um Klaus Naumann zu zitieren, gleichbedeutend ist mit der Frage, "wie […] man über alliierte Verstöße gegen die Normen zivilisierter Kriegführung schreibt – ohne 'aufzurechnen'"? Naumann, Klaus, Der Krieg als Text. Das Jahr 1945 im kulturellen Gedächtnis der Presse, Hamburg 1998, S. 34. Eine Lektüre von vier lokalgeschichtlichen Veröffentlichungen bzw. Neuauflagen aus Anlass der 60-jährigen Wiederkehr der Juli-Angriffe gegen Hamburg vom Sommer 1943 kann exemplarisch Auskunft geben. Dies ist nicht der Ort, Hintergründe und Verlauf der "Operation Gomorrha" zu beschreiben. Hingewiesen sei lediglich auf das Ausmaß der Schäden und Menschenverluste, die alle bis zu diesem Zeitpunkt von der RAF verursachten "Zerstörungserfolge" in den Schatten stellten: Bei vier Großangriffen wurden 43,8 Prozent des Wohnbestandes der Hansestadt vernichtet, 900.000 Bewohner verloren ihr Obdach und zwischen 30.000 und 50.000 Menschen kamen ums Leben. Siehe zu den Juli-Angriffen neben Brunswig, Feuersturm vor allem Boog, Horst, Strategischer Luftkrieg und Reichsluftverteidigung 1943-1944, in: Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hg), Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 7. Das Deutsche Reich in der Defensive, Stuttgart 2001, S. 3-418, hier S. 35-45; Groehler, Olaf, Bombenkrieg gegen Deutschland. Berlin 1990, S. 106-121.
In den vier Neuveröffentlichungen finden wir drei miteinander konkurrierende Kontexte: 1. die Stadtgeschichte, 2. die Geschichte des (Luft-)Krieges, und 3. die Kriegspolitik des "Dritten Reiches". Als beispielhaft für einen Text, der fast ausschließlich den ersten Zusammenhang wählt, kann die Buchform einer Serie des Hamburger Abendblattes gelten, "Als der Feuertod vom Himmel stürzte. Hamburg Sommer 1943", von Egbert A. Hoffmann. Das erste der elf Kapitel (bei 45 Seiten Textumfang) trägt den bezeichnenden Titel "Bevor die Bomber kamen – schönes altes Hamburg" und liefert einen nostalgisch verklärten Rückblick auf das "alte Hamburg" von der Jahrhundertwende bis zum Ende der 1930er-Jahre: "Dann begann der Zweite Weltkrieg. Zunächst passierte nicht viel" (S. 7), informiert Hoffmann lakonisch über die weltgeschichtliche Zäsur vom September 1939. Der sich anschließende Hauptteil schildert dann, ohne auf die Vorgeschichte und schrittweise Eskalation des Luftkrieges weiter einzugehen, die Juli-Angriffe sowie die weiteren Angriffe bis Kriegsende auf der Grundlage des Kriegstagebuches der Hamburger Luftschutzpolizei.
Auffallend – und für viele Erinnerungstexte typisch – ist die Gegenüberstellung von jahrhundertealter Stadtgeschichte (die "tausendjährige Stadt", S. 9) mit der nach Minuten bemessenen Kürze der Angriffsdauer. Gesteigert wird dieser Eindruck einer radikalen Zäsur noch dadurch, dass das Bild einer friedensmäßigen Alltagsidylle evoziert wird, die hier allerdings von düsteren Vorahnungen belastet scheint: Unter der Überschrift "Ein warmer Sommerabend" erfährt der Leser, dass "von der Elbe her […] an diesem Sommerabend ein lauer Wind durch die Straßen der Innenstadt [streicht]. Die Hamburger sitzen auf Balkons und in Gärten […] Die Großstadt liegt wie in Agonie, still und geduckt vor drohendem Unheil" (S. 9f.). Der Band schließt ab mit dem Kapitel "Neubeginn aus Trümmern", das einen Kontrapunkt zu dem massenhaften Tod und der Zerstörung des Hauptteiles setzt und gleichzeitig die "Julikatastrophe" im Kontinuum der Geschichte Hamburgs verankert. Zwar betont der Verfasser den "Überlebenswillen in der todwunden Stadt", auffallend ist jedoch der elegische, fast resignative Ton. Dies ist keine Erfolgserzählung vom Überleben und der Bewährung in schwerer Zeit, sondern eine Erzählung vom Verlust und Davongekommen-Sein: "Aber das alles sind doch nur winzige Lichter im verwüsteten Einheitsgrau der Stadt", schreibt Hoffmann über die Bemühungen um einen Neuanfang im Sommer 1945.
In der völligen Konzentration auf die Stadtgeschichte unter weitgehender Aussparung des kriegsgeschichtlichen Zusammenhangs stellt das Buch von Hoffmann eher eine Ausnahme dar. Häufiger ist die Verbindung der beiden Kontexte, wie sie in dem Band "Die Stadt, die sterben sollte. Hamburg im Bombenkrieg, Juli 1943" der beiden Journalisten Uwe Bahnsen und Kerstin von Stürmer vorgenommen wird. Die Darstellung zerfällt hier in zwei Teile: Teil eins, der elf Kapitel umfasst und zwei Drittel des Gesamttextes ausmacht, ist überschrieben mit "Unvorstellbares Grauen – die Operation 'Gomorrha'". Auf der Grundlage ausgewählter Sekundärliteratur und einiger Zeitzeugenberichte wird die "Barbarisierung des Krieges" (S. 11) geschildert, die ihren vorläufigen Höhepunkt in der Zerstörung Hamburgs vom Sommer 1943 gefunden habe: "Hamburg 1943 war in Wahrheit der Beginn für Dresden, Hiroshima und Nagasaki" (S. 41). Bemerkenswert an dieser Aussage ist zum einen das auch bei Hoffmann und Brunswig festzustellende Bemühen, Dresden den Rang als "nationale[m] Gedächtnisort" (Klaus Naumann) des Bombenkrieges streitig zu machen; zum anderen der Umstand, dass in der Liste nur Städte auftauchen, die von (west-)alliierten Streitkräften zerstört wurden.
Mit der "Barbarisierung des Krieges" – ein Begriff, der eigentlich von Omer Bartov im Hinblick auf den deutschen Vernichtungskrieg im Osten geprägt wurde Bartov, Omer, The Eastern Front 1941-45. German troops and the barbarisation of warfare. London 1985. – ist eben nicht der Zweite Weltkrieg in seiner Gesamtheit gemeint sondern die Entgrenzung des Luftkrieges. Zwar wird die Vorreiterrolle "Hitler[s] und seiner Paladine" (S. 81) mit dem formelhaften Verweis auf "Warschau, […] Rotterdam, […] London & Coventry" unumwunden (und historisch wenig differenziert) anerkannt, ebenso deutlich erscheint jedoch, dass der "Krieg gegen Zivilisten" (Kapitelüberschrift, S. 81) erst von den Westalliierten zur Perfektion gebracht worden sei. Die hier vorgenommene Einordnung einzelner Angriffsserien in die historische Entwicklung des Luftkrieges unter Ausblendung des spezifischen Charakters des vom Deutschen Reich geführten (Land-)Krieges scheint mir typisch für populäre und lokalgeschichtliche Darstellungen des "Bombenkrieges". Sie kann mit Habbo Knoch als Tendenz zur "Versäulung" der deutschen Erinnerungskultur begriffen werden. Knoch, Habbo, Zeitgeschichte vor ihrer Aufgabe. Zur Debatte um die Täternähe der "kritischen Zeitgeschichte", in: H-Soz-u-Kult Forum: "Der Holocaust und die westdeutschen Historiker" 23.02.2004 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/forum/id=429&type=diskussionen>.
Im Zentrum des ersten Teiles steht die Schilderung der Angriffsserie vom Juli 1943 als gewollte Katastrophe, die trotz der "nicht mehr steigerungsfähigen Gewalt der Vernichtung" (S. 49) ihr Ziel verfehlt habe, denn: "die Stadt resignierte nicht" (S. 67). Auch hier konkurrieren ähnlich wie bei Hoffmann die Erfolgsgeschichte vom nicht zu brechenden "Selbstbehauptungswillen" (S. 72) der Hamburger, zu denen auch die lokalen NS-Behörden, und hier insbesondere der Gauleiter Karl Kaufmann, gezählt werden, mit einem traumatischen Verlust-Narrativ, welches dem Entsetzen über das Ausmaß der Katastrophe Ausdruck zu verleihen sucht und nach Verantwortlichkeiten fragt, die in Arthur Harris, dem "Manager und Apologeten des Bombenkrieges" (S. 76), gefunden werden.
Teil zwei ist mit "Unvergessenes Hamburg" überschrieben und nimmt eine Einordnung der Juli-Angriffe in die Geschichte der Stadt vor, indem es noch vor den Kontinuitäten die nachhaltigen Zäsuren betont, welche der Luftkrieg verursacht hat. Zwar wird auch hier die Wiederaufnahme kultureller Aktivitäten im Herbst 1943 als "Zeichen für den ungebrochenen Lebenswillen der Stadt" (S. 121) gedeutet, so etwa beim Stadttheater. Es überwiegt jedoch die Beschreibung von Zentren des städtisch-kulturellen Lebens der ersten Jahrhunderthälfte, die in den Juli-Angriffen zerstört wurden und in ihrer ursprünglichen Form nicht wiedererstanden sind: das Geburtshaus von Johannes Brahms, der "Wallfahrtsort der Musikfreunde"; das Uhlenhorster Fährhaus, "Stätte des eleganten Vergnügens" und der Alsterpavillon, "das populärste Caféhaus der Welt", um nur einige zu nennen. Hier werden Geschichten aus einer nostalgisch verklärten Vergangenheit erzählt, ein "Stück Alltagsleben aus dem Hamburg der Vorkriegszeit", wie der amtierende Oberbürgermeister Ole von Beust in einem begleitenden Vorwort schreibt (S. 85). Zur Zäsur wird der Juli 1943, und nicht etwa der 30. Januar 1933 – die nationalsozialistische Herrschaft im "Mustergau" Hamburg hat kaum einen Platz in diesen Geschichten. Eine Ausnahme bildet lediglich das Kapitel über die Hanseatenhalle, in welcher die Verfasser schildern, wie am 20. März 1936 über 40.000 Hamburger ihrem "Führer" einen begeisterten Empfang bereiteten.
Einen im Vergleich zu "Die Stadt die sterben sollte" deutlich stärkeren Akzent auf den Zusammenhang zwischen der Kriegspolitik des Dritten Reiches und den lokalen Auswirkungen der Flächenbombardements legt der bereits 1993 erschienene und 2003 in dritter Auflage neu aufgelegte Bildband des Landesmedienzentrums Hamburg, "Hamburg im Bombenkrieg 1940-1945". Bereits im Vorwort gibt Bürgermeister Ole von Beust den Interpretationsrahmen vor, wenn er schreibt: "Unsere Trauer lässt uns nicht vergessen, dass es unser Land war, das diesen Krieg, auch den Luftkrieg gegen die Zivilbevölkerung, vom Zaun gebrochen hatte" (S. 3). Der 143 Seiten umfassende Text gliedert sich in drei Abschnitte: Der umfangreiche Hauptteil "Bomben über Hamburg" beschreibt auf der Grundlage einschlägiger Sekundärliteratur, ausgewählter Akten, einiger Augenzeugenberichte und Fotoaufnahmen die schrittweise Eskalation des strategischen Luftkrieges von den ersten Angriffen im Frühjahr 1940 bis zum April 1945, mit deutlichem Schwerpunkt auf den Juli-Angriffen (S. 32-61).
Eingerahmt wird der Text durch die beiden Kapitel "Der Luftkrieg als neue Strategie" (S. 5-15) und "Die Folgen" (S. 138-142), die für unsere Fragestellung von besonderem Interesse sind. Trotz des Titels liegt der Schwerpunkt des einführenden Kapitels weniger auf einer strategiegeschichtlichen Beschreibung der Entwicklung und Rezeption des Douhetismus als Luftkriegsdoktrin. Vielmehr bemühen sich Christian Hanke und Joachim Paschen um den Nachweis eines breiten gesellschaftlichen Wissens um die Gefährdung Deutschlands aus der Luft in einem zukünftigen "totalen Kriege". Die Luftschutzmaßnahmen des Dritten Reiches, vor allem die Gründung des Reichsluftschutzbundes im April 1933, werden vor diesem Hintergrund nicht als defensive Maßnahmen begriffen, sondern als innenpolitische Instrumente zur umfassenden Mobilisierung und Militarisierung der deutschen Gesellschaft und somit als flankierende Maßnahmen der allgemeinen Aufrüstungs- und Kriegspolitik. Unterstrichen wird diese Interpretation der Vorgeschichte des "Bombenkrieges" durch die Auswahl der begleitenden Fotodokumente, die neben führenden Repräsentanten des NS-Regimes bei Besuchen in Hamburg auch die Einweihung des "Kriegerdenkmals" am Dammtor im Jahre 1936 sowie eine militärische Truppenparade aus Anlass eines Sieges 1939/40 zeigen.
Das Schlusskapitel "Die Folgen des Bombenkrieges" skizziert in groben Zügen die städtebauliche Entwicklung Hamburgs von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis in die 1980er-Jahre und versucht, ein Fazit zu ziehen. Damit wird das Geschehen des Hauptteils in den Zusammenhang der Stadtgeschichte gerückt. Die Verfasser betonen vor allem die materiellen Langzeitfolgen der Bombardierungen für Hamburg. Auch wenn es gelungen sei, der "eigentlichen Innenstadt weitgehend wieder das bekannte Gesicht zu geben", sei Hamburg dennoch "um Jahrzehnte zurückgeworfen" worden (S. 138f.). Das abschließende Urteil bleibt widersprüchlich: Der Luftkrieg habe zur Ablösung der Hamburger vom NS-Regime beigetragen, müsse aber trotzdem als gescheitert betrachtet werden; die Hamburger "kamen […] kaum dazu, sich nur als Opfer zu fühlen", könnten sich aber "zweifellos […] als Opfer einer grausamen Luftkriegsstrategie fühlen" (S. 139).
Einem früheren erfahrungsgeschichtlichen und erinnerungskulturellen Hintergrund schließlich entstammt das Buch von Hans Brunswig, "Hamburg im Feuersturm". Der "Gesamtbericht über das Geschehen des Luftkriegs in Hamburg von 1939 bis 1945" (S. 10) wurde bereits 1978 im Motorbuch Verlag veröffentlicht und 2003 in 11. Auflage als 1. Spezialausgabe neu aufgelegt. Brunswig war während des Krieges in der Hamburger Luftschutzpolizei tätig, nach dem Krieg stieg er bis zum Oberbranddirektor der Hansestadt auf. Das Buch zeichnet sich aus durch umfangreiche Sachkenntnis in allen Fragen des Luftschutzes und der Brandbekämpfung, kritische Auswertung des damals verfügbaren Quellenbestandes, Detailreichtum und dem Bemühen um eine sachliche Darstellung. Es gilt zu Recht als Klassiker.
Kapitel eins, "Soll man noch mal darüber sprechen?", ordnet den Luftkrieg gegen die Hansestadt in die Stadtgeschichte ein. Vor allem die Juli-Angriffe von 1943 seien neben dem "Großen Brand" von 1842 und der "Großen Flut" vom Februar 1962 als eine der drei großen Katastrophen Hamburgs anzusehen (S. 9). Dem Interpretament "(Natur-)Katastrophe" bleibt auch die über den stadtgeschichtlichen Rahmen hinausgehende Kontextualisierung verpflichtet. Die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges durch das Deutsche Reich wird nicht weiter hinterfragt, sondern als beinahe zwangsläufig hingenommen; ebenso die schrittweise Eskalation des Luftkrieges, die vor dem Hintergrund einer europaweit akzeptierten Theorie des "totalen Krieges" aus einer Reihe von gegenseitigen Missverständnissen und technischen Fehlern zwangsläufig habe entstehen müssen (getreu des wiederholt zitierten Leitmotivs, wonach "der Teufel im Detail stecke"). Deutsche Luftschutzmaßnahmen werden in diesem Zusammenhang nicht als gesellschaftspolitisches Instrument zur Kriegsvorbereitung verstanden, sondern auf ihre Wirksamkeit hin befragt.
Brunswigs Blickwinkel ist der des Praktikers des Luftschutzes, des Feuerwehr-Ingenieurs. Seine Gegner sind nicht eigentlich die britische Luftwaffe oder der Krieg; seine Gegner sind vielmehr das Feuer und all jene "Drohnen der politischen Szene" (S. 410), die ohne praktischen Sachverstand Einfluss auf die Schadensbekämpfung zu nehmen versuchten. Für kriegsrechtliche Kategorien und moralische Wertungen hat der sonst so sachliche Verfasser nur Verachtung übrig: "Es ist müßig, heute darüber zu streiten, ob die Bombardierung Warschaus innerhalb oder außerhalb der Legalität lag – keine der kämpfenden Parteien hat sich während des letzten Krieges, nach dem alten Wahlspruch "Right or wrong: my country", um Recht oder Unrecht gekümmert. Vom Standpunkt des Luftschutzes war Warschau eine gut organisierte Großstadt mit rund 1,2 Millionen Einwohnern" (S. 22). Die Identifikation mit der "eigenen", d.h. der deutschen Seite ist hier noch selbstverständlich und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Eine solche Einstellung mag aus heutiger Sicht als unzulässige Nivellierung und Aufrechnung erscheinen, erlaubt aber dem Verfasser eine ressentimentfreie, auf gegenseitige Versöhnung bedachte Beschreibung und Analyse sowohl der deutschen als auch der britischen Luftangriffe in ihren Auswirkungen auf die Bevölkerung. Der Gebrauch der Formel "Right or wrong: my country" verweist darüber hinaus auf einen erinnerungskulturellen Hintergrund, der den Zweiten Weltkrieg noch nicht ausschließlich als "Hitlers Krieg" begriff, sondern durchaus noch als "deutschen Krieg". Es ist erstaunlich, wie wenig Niederschlag in der hier vorgestellten Literatur der von Klaus Naumann konstatierte Wandel in der Gedenk- und Erinnerungspolitik der 1990er-Jahre findet, der zu einer "ungeteilten Wahrnehmung des verbrecherischen Charakters des 'deutschen Krieges' (Bernd Wegner)" geführt habe. In: Naumann, Klaus (Hg.), Nachkrieg in Deutschland. Hamburg 2001, S. 16. Auch in der Freude und dem Stolz über den Wiederaufbau, die sich vor allem im Bildteil des Schlusskapitels "Die unverzagte Stadt" ausdrückt, erweist sich Brunswigs Standardwerk der Erinnerungskultur der 1960er und 1970er-Jahre zugehörig.
Brunswigs "Chronik" (S. 10) ist aus den amtlichen Quellen gearbeitet. Retrospektiven Augenzeugenberichten begegnet der Verfasser mit Misstrauen und verwendet sie nur spärlich (vgl. 237f.); Fotodokumente dienen nicht zur Illustration, sondern der Analyse von Schadensstellen und -flächen. In beidem ist "Feuersturm über Hamburg" wenig repräsentativ für die gegenwärtige Bombenkriegsliteratur. Gewiss, auch diese Darstellungen zitieren aus urkundlichen Quellen, aber im Zentrum der Texte stehen andere Medien: vor allem Zeitzeugenberichte und Bilddokumente. Im Folgenden soll anhand ausgewählter Neuerscheinungen der Frage nachgegangen werden, welches Bild vom Luftkrieg über diese Medien transportiert wird.
Zeitzeugenberichte: Darmstadt 1964 und Berlin 2003
"Augenzeugen" haben Konjunktur – das belegen auch die neueren Veröffentlichungen zum Bombenkrieg. Kaum eine Darstellung zum Thema kommt ohne sie aus; selbst traditionelle, auf amtliche Dokumente gestützte Abhandlungen werben mit der Auswertung von "Schilderungen Betroffener". Bönitz, Zivilbevölkerung, S. 7. Der Quellenwert von Erlebnisberichten wird unhinterfragt als hoch eingestuft, unabhängig davon, ob die Schilderungen zeitgenössischen Ursprungs sind oder 60 Jahre nach den Ereignissen aufgeschrieben wurden. Die Skepsis der interdisziplinären Gedächtnisforschung und deren Einsichten in die Wandelbarkeit von Erinnerungen finden keine Berücksichtigung. Vgl. als Einstieg: Assmann, Aleida, Wie wahr sind Erinnerungen?, in: Welzer, Harald (Hg.), Das soziale Gedächtnis. Geschichte, Erinnerung, Tradierung, Hamburg 2001, S. 103-122. Häufig in Sonderkästchen vom eigentlichen Text abgesetzt, gelten Augenzeugenberichte als authentische Zeugnisse der "Erfahrung" des Luftkrieges. Gerade auf diesem Gebiet tritt die Lokalpresse als Träger lokaler Erinnerungskultur hervor: Der 60. Jahrestag schwerer Luftangriffe wurde im vergangenen Jahr vielfach begleitet von "Leseraktionen" der Lokalredaktionen, die darum baten, Erinnerungen an "diese Zeit" (Berliner Morgenpost) aufzuschreiben. Die Reaktionen waren in der Regel ungewöhnlich intensiv: Auf einen Aufruf der Berliner Morgenpost vom 24. November 2002 hin zum Beispiel gingen binnen kurzem rund 200 Leserzuschriften ein. Siebzig dieser Berichte wurden im April des vergangenen Jahres in Buchform unter dem Titel "Als die Tage zu Nächten wurden. Berliner Schicksale im Luftkrieg" veröffentlicht. Sie sollen hier kontrastiv zu einem Klassiker diese Art von Literatur gelesen werden, "Die Brandnacht. Dokumente von der Zerstörung Darmstadts am 11. September 1944" von Klaus Schmidt, der erstmals 1964 erschien und ebenfalls im April 2003 neu aufgelegt wurde.
Das "Erinnerungsbuch" von Klaus Schmidt So Eckart G. Schmidt in seinem Nachwort zur Neuauflage von 2003, S. 247. Aus Anlass des 60. Jahrestages des Angriffs vom 11. September 1944 hat das Darmstädter Echo einen neuen Leseraufruf gestartet, auf den bereits etwa die doppelte Anzahl von Zuschriften eingegangen ist. Eine Publikation ist in Vorbereitung. Vgl. "Und auf einmal sind die Eltern fort", Darmstädter Echo vom 20.3.2004. , des ehemaligen Leiters der Lokalredaktion des Darmstädter Echo, hat den schweren Luftangriff der RAF auf Darmstadt vom 11. September 1944 zum Thema, der vor allem aus zwei Gründen eine gewisse überregionale Bekanntheit erlangt hat: zum einen aufgrund der außerordentlich hohen Zahl von Opfern im Verhältnis zur Einwohnerzahl, die mit 10.551 Toten und Vermissten bei über 9 Prozent liegt. Schmidt, Brandnacht, S. 13. Zum anderen gilt der Angriff auf Darmstadt der lokalen und populären Literatur als "Probelauf" für die Zerstörung Dresdens im Februar 1945, weil hier zum ersten Mal die Taktik des "Bombenfächers" Anwendung fand. Militärgeschichtlich steht der Angriff am Beginn des "Herbstinfernos" (Olaf Groehler) der letzten vier Monate des Jahres 1944, als die britischen Luftstreitkräfte ihre im Zuge der Invasionsvorbereitung vorübergehend unterbrochenen Flächenangriffe wieder aufnahmen. Groehler nennt den Angriff, der im Übrigen nur kursorisch behandelt wird, "eines der unfasslichsten Zeugnisse der gewaltigen Vernichtungspotenz des Bomber Commands" (Groehler, Bombenkrieg, S. 374). Erinnerungskulturell ist das Buch Ausdruck einer ersten Historisierungswelle des Luftkriegs Anfang der 1960er-Jahre, die entscheidend von David Irvings 'Dokumentarbericht' aus dem Jahre 1963 beeinflusst wurde. Irving, David J., Und Deutschlands Städte starben nicht. Ein Dokumentarbericht, Zürich 1963. Bereist im Frühjahr 1962 erschienen Auszüge des Buches in einer Serie der Neuen Illustrierten.
Das Buch ist eine Dokumentensammlung zum Angriff vom 11. September 1944, die vom Herausgeber Schmidt mit einem zusammenfassenden Essay und einem Nachwort versehen wurde. Den Hauptteil bilden zweiundvierzig Augenzeugenberichte sowie fünf Briefe der "Schreckensnacht" (S. 56) vom 11. September. Sechs der Berichte wurden nach Ausweis des Quellenverzeichnisses noch in den Herbstmonaten desselben Jahres verfasst, einer wurde erstmals 1946 aus Anlass des zweiten Jahrestages des Angriffes im Darmstädter Echo veröffentlicht, während die übrigen vierunddreißig Berichte aus den 1960er-Jahren stammen und wohl den Ertrag eines Leseraufrufes darstellen. Die abgedruckten Briefe stammen aus dem Zeitraum vom Herbst/Winter 1944. Leider enthält der Band nur sehr knappe ergänzende Angaben zum biografischen und erfahrungsgeschichtlichen Hintergrund der jeweiligen Verfasser, die zudem noch in den Anhang verbannt sind. Männer und Frauen sind in etwa gleichem Anteil vertreten m: 21; w: 20; anonym: 7. ; spärliche Berufsangaben verweisen auf ein bürgerliches Milieu. Politische Orientierungen bleiben undeutlich, mit Ausnahme eines Rudolf Vock, der laut Bericht aus dem Jahre 1963 für Beihilfe zur Flucht eines deutschen Juden von der Gestapo "verhört" worden und "ins Gefängnis gekommen" sei (S. 55). Die Berichte sind lose chronologisch angeordnet, ohne dass der Zeitsprung von fast 20 Jahren im Text kenntlich gemacht würde. Kurzum: Aus erinnerungskultureller Perspektive stellt die Textsammlung Schmidts ein beachtliches Stück Erinnerungsarbeit eines engagierten Lokalredakteurs dar; aus sozialhistorischer Perspektive mindert das Arrangement individueller Erinnerungen zu einem Chor den Quellenwert, weil dadurch biografische Rückbindungen erschwert werden. Aber liegt nicht gerade in der Einebnung unterschiedlicher Erfahrungshintergründe und Erlebnisperspektiven zugunsten einer entpolitisierten Kollektiverzählung von "der Katastrophe" und "dem Schrecken" ein Charakteristikum der öffentlichen Verständigung über den Luftkrieg?
Es lohnt sich dennoch, nach den unterschiedlichen Stimmen jenseits des gemeinsamen Arrangements zu suchen und die Berichte neben dem Verbindenden auch nach dem Trennenden zu befragen. Zwei Kriterien scheinen signifikant: zum einen der zeitliche Abstand zum Geschehen, zum anderen die räumliche Distanz. Die Verfasser der frühen Berichte vom Herbst 1944 bis Herbst 1946 stehen unter dem Eindruck einer traumatischen Erfahrung "Traumatische Erfahrung" soll hier nach der Definition von Alice Förster und Birgit Beck verstanden werden als ein Ereignis "outside the range of usual human experience […] that would be markedly distressing to almost anyone". Förster, Alice; Beck, Birgit, Post-Traumatic stress Disorder and World War II: Can a Psychiatric Concept Help Us to Understand World War II?, in: Bessel, Richard; Schumann, Dirk (Hgg.), Life after Death. Approaches to a Cultural and Social History of Europe During the 1940s and 1950s. Cambridge 2003, S. 15-35. Vergleiche auch die Trauma-Definition in Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen – Textrevision – (DSM-IV-TR). Deutsche Bearbeitung und Einführung von Henning Sass, Hans-Ulrich Wittchen und Michael Zaudig. Göttingen 2003, S. 491. , die grundsätzlich als nicht kommunizierbar empfunden wird. Gerade dieses Empfinden der Sprachnot scheint paradoxerweise häufig zu Versuchen geführt zu haben, das Erlebte für sich selbst, Angehörige und Freunde und/oder auch "die Nachwelt" aufzuschreiben. Soweit ich sehe, bedienen sich die frühen Texte dazu im Wesentlichen zweier Mittel, dem Rekurs auf literarisch-kulturelle Bildungsbestände, die natürlich individuell unterschiedlich ausfallen können, sowie dem Mittel des Gegensatzes als Ordnungsprinzip der extremen Eindrücke und Sinneswahrnehmungen.
Eine Frau R.T. lässt einen Brief vom 14.11.1944 an ihren Verehrer/Verlobten (?) R. mit dem Zitat beginnen "Priams Feste ist gefallen, Troja liegt in Schutt und Staub", und fährt fort: "Seit dem Anblick der ersten Trümmer gehen diese Zeilen mir nicht mehr aus dem Sinn, und immer wieder denke ich an sie, wenn ich durch Darmstadt laufe." (S. 110) Der Geistliche Jakob Schütz rekurriert auf Goyas "Ein Karren für den Friedhof", um seine Eindrücke beim Anblick der Massenbestattungen auf dem städtischen Friedhof kommunizierbar zu machen. Selbst dieses "Gespensterbild" sei "ein Idyll gegen dieses summierte Grauen" (S. 26). Literarisch weniger gebildete Augenzeugen bedienen sich aus dem Fundus abendländisch-christlicher Bilder und Topoi: "Hölle", "Apokalypse", "Inferno", "Fegefeuer", "Weltuntergang" sind häufig verwendete Vokabeln. Inwieweit die Bedeutungsseite dieser Begriffe neben der Katastrophenerfahrung auch Glaubensinhalte der christlichen Erlösungsreligion transportiert, wäre einer genaueren Untersuchung wert. Auffallend ist aber auch, was fehlt: Die Sprachregelungen und Wortfelder der NS-Propaganda haben keinen Eingang in die Berichte gefunden – Zufall? Ergebnis einer nachträglichen Edition? Indiz für einen sich vollziehenden Ablösungsprozess vom Nationalsozialismus?
Neben der Beschreibung des Erlebten und Gesehenen unter Zuhilfenahme stereotyper Metaphern fällt vor allem die Verwendung von Gegensatzpaaren auf: Zum Teil ausführliche Schilderungen einer scheinbar friedlichen Idylle geruhsamer Alltagsgeschäftigkeit werden einem plötzlichen Einbruch der Vernichtung gegenübergestellt; eine "quälende Stille" dem Lärm der Bombendetonationen und Brände; die Dunkelheit in den Luftschutzkellern dem Anblick des Feuers; die Notgemeinschaft dem Chaos; der scheinbar wahllose Tod dem scheinbar ebenso willkürlichen Überleben; tiefer Schmerz vollkommener Apathie. Hier gilt es nach räumlicher Distanz zum Zentrum des Geschehens zu unterscheiden, die für den Inhalt der Berichte von größerer Bedeutung zu sein scheint als funktionale, soziale oder politische Unterschiede in der Biografie der Berichtenden. Der Blick von innen aus dem Zentrum des "Vernichtungsraumes" (Friedrich) ist ein anderer als der von außen. Die Berichte der unmittelbar Betroffenen vollziehen die Verengung des Wahrnehmungshorizontes und die Ausdehnung des subjektiven Zeitempfindens nach, die für die extreme Angst- und Schreckbelastung typisch sind. Vgl. Panse, Friedrich, Angst und Schreck in klinisch-psychologischer und sozialmedizinischer Sicht, dargelegt an Hand von Erlebnisberichten aus dem Luftkrieg. Stuttgart 1952. Erst nach erfolgter Rettung und mit zeitlichem Abstand vollzieht sich die Einsicht in das Ausmaß der Katastrophe, die häufig als schockhafte Epiphanie beschrieben wird: "Das letzte an nächtlicher Unwirklichkeit war dahin; man war mit einer apokalyptischen Realität konfrontiert", wie etwa Georg Dümas schreibt (S. 39). Diese "apokalyptische Realität" des "Morgens danach" versuchen die Berichte zu veranschaulichen, indem sie immer wieder den Anblick massenhaft zerstörter Körper erzählend nachvollziehen – eine Konsequenz der außerordentlich hohen Menschenverluste des Angriffes vom 11. September. Die "nächtliche Unwirklichkeit" hingegen wird kommuniziert im Narrativ einer phantastischen Erzählung, in der die Naturgesetze aufgehoben sind, der Einzelne den Destruktivkräften der Bomben und des Feuers hilflos ausgeliefert ist und die eigene Rettung – häufig aus dem Ermattungsschlaf – zum "Wunder" wird, ebenso unerklärlich und willkürlich wie der Tod so vieler anderer. Vor allem das Gefühl des Ausgeliefertseins wird immer wieder mitzuteilen versucht, während die leidende Kreatur – häufig eingefangen im Bild verängstigter Haustiere – für die eigene und die an anderen beobachtete Schmerzerfahrung einsteht. Die Berichte erzählen sowohl von Akten der selbstlosen Hilfe als auch von solchen großen Eigensinns: "Wir haben das eine und das andere nicht vergessen", wie Elsemarie Ullrich schreibt. (Öffentlich) mitgeteilt jedoch werden vor allem erstere.
Ist der Blick von innen durch die Erfahrung des Ausgeliefertseins bestimmt, so ist der Blick von außen der des hilflosen Helfers. Die Berichte werden strukturiert von der Einsicht in das Ausmaß der Zerstörung, die sich in der Regel in Schüben vollzieht und der Verringerung der räumlichen Distanz folgt: der schaurig-schöne Anblick der brennenden Stadt aus der Ferne; die Konfrontation mit den erschöpften und apathischen Flüchtlingen auf den Zufahrtsstraßen; schließlich der Anblick der materielle Zerstörung und vor allem der des Massentodes: "Leichenteile hingen in den Ästen der Bäume. Allein stand ich da, machtlos" (S. 55), wie Rudolf Vock 20 Jahre nach den Ereignissen schreibt. Dass sich die Erfahrung und die Bilder des Luftkrieges in das Speichergedächtnis der Betroffenen "eingebrannt" haben und "nicht vergesse[n] werde[n], und wenn ich ewig lebte" (ebd.) ist eine häufig getroffene Feststellung, die durch einen Vergleich der unmittelbar nach dem Angriff verfassten Berichte mit denen aus den 1960er-Jahren bestätigt wird.
In der Tat fallen zunächst die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Textsorten auf: Auch 20 Jahre nach den Ereignissen werden die Erinnerungen mit Hilfe derselben narrativen Techniken strukturiert; deren nach wie vor starke Präsenz wird gelegentlich durch das dramatische Präsens unterstrichen. Vor allem groteske Anblicke und Szenen sowie unerwartete Umschläge scheinen mit dem vergrößerten zeitlichen Abstand eher noch schärfer hervorzutreten. Offenbar fungieren diese als Erinnerungsanker, um die sich die Erzählung gruppiert: Leichenteile, die von Bäumen herunterhängen (S. 55); ein älterer Mann, der inmitten des Chaos zu schlafen scheint, vom Erzähler berührt wird und sich als tot herausstellt (S. 69); und immer wieder: die Überreste menschlicher Körper, die von den Angehörigen in "Emailleeimern" (S. 64) oder Säcken (S. 65) transportiert werden.
Erst eine intensivere Lektüre lässt neben den Gemeinsamkeiten auch Unterschiede erkennbar werden. Zu beobachten ist erstens ein Wandel der Perspektive: Dem "Wir werden warten müssen, was das Schicksal übrig lässt" (S. 48) des zeitgenössischen Berichts ist Gewissheit über die eigene Zukunft und die der Familienangehörigen und Freunde gewichen, wie etwa bei Katharine Gerhardt, die am Morgen nach dem Angriff schwer verletzt aus einem Keller gerettet worden war und im Krankenhaus immer wieder nach ihren Kindern gefragt hatte. Diese seien "gut aufgehoben", sei ihr von Bekannten versichert worden. Der Bericht schließt mit dem Satz: "Später erfuhr ich, was diese Worte bedeuteten" (S. 87). Zweitens tritt der Tendenz nach in den späteren Berichten der individuelle berufliche Hintergrund stärker hervor. Zuweilen hat es den Anschein, als schrieben die Verfasser aus dem Motiv der Rechtfertigung heraus, vor allem, wenn sie während des Angriffs Luftschutzfunktionen innehatten, wie etwa der Polizeiobersekretär a.D. Philip Weilert, der seinen Bericht mit der Überschrift "Durchkommen unmöglich" versehen hat (S. 85f.). Schließlich zeichnen sich viele Beiträge aus den 1960er-Jahren durch einen erweiterten Blickwinkel aus: Neben "ganz normalen Darmstädtern" und Soldaten treten jetzt auch Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene auf, die als Retter oder als Mitleidende geschildert werden.
Vergleichen wir nun die von Hans Schmidt gesammelten Augenzeugenberichte zu Darmstadt aus dem Jahr 1964 mit denen von Sven Felix Kellerhof und Wieland Giebel zu Berlin aus dem Jahre 2003, so ergeben sich interessante Parallelen, aber auch wichtige Unterschiede. Das aus einer "Leseraktion" der Berliner Morgenpost hervorgegangene Buch "Als die Nächte zu Tagen wurden – Berliner Schicksale im Luftkrieg" versammelt 71 Erinnerungsberichte, die von einem einführenden Essay des Herausgebers Sven Felix Kellerhof und einem Anhang eingerahmt werden, der unter anderem eine Auflistung der Luftangriffe und eine kommentierte Auswahlbibliografie enthält. Erfreulich ist, dass jeder der Zeitzeugenschilderungen eine (von diesen selbst verfasste) kurze biografische Skizze vorangestellt wurde, "weil das Leben weitergeht und weil wir ein umfassendes Bild vermitteln wollten", wie die Herausgeber im Vorwort schreiben (S. 9). Dadurch eröffnet sich dem Leser die Möglichkeit, einzelne Erfahrungsberichte in ihrem spezifisch lebensgeschichtlichen Kontext zu verorten.
Ein Blick auf die vertretenen Geburtsjahrgänge macht einen ersten Unterschied zum Buch von Schmidt deutlich, den der Generation: 60 Jahre nach den Ereignissen sind nur noch wenige Vertreter der Alterskohorten am Leben, die als Erwachsene das Geschehen erlebt haben und handelnd eingriffen; stattdessen dominieren nun die Erinnerungen derjenigen, die als Heranwachsende oder Kinder den Angriffen ausgesetzt waren. 61 der Augenzeugen waren zu Beginn der "Schlacht um Berlin" im November 1943 unter 20 Jahren alt. Der Generationswechsel hat für die Erinnerungskultur weit reichende Folgen, verstärkt er doch eine Perspektive, die vor allem ein Narrativ schuldloser Verstrickung und hilflosen Ausgeliefertseins transportiert. Hier erinnern sich Menschen, die ihre Rolle im Leben noch nicht gefunden hatten, als der Krieg und der Luftkrieg über sie hereinbrach.
Ein zweiter wichtiger Unterschied liegt darin, dass der Erwartungs- und Erfahrungshorizont der Berliner sich von dem der Darmstädter unterscheidet. In Darmstadt, einem Luftschutzort II. Ordnung, hielten sich bis zu dem Angriff vom 11. September 1944 hartnäckig Gerüchte, wonach die Stadt von den britischen und amerikanischen Bombern bewusst verschont würde; in Berlin, der Reichshauptstadt, konnte es solche Illusionen nicht geben. Wird in Darmstadt der Zweite Weltkrieg in seiner Gesamtheit durch das Prisma des 11. September 1944 betrachtet, gibt es für Berlin nicht den "einen" Angriff, sondern eine sich über Jahre erstreckende Kette von Großangriffen, aus denen wiederum einzelne – vor allem die Nachtangriffe vom November 1943 und die Tagesangriffe vom 3. Februar 1945 und 17. März 1945 – herausragen. Dennoch blieb der Grad der Zerstörung Berlins und vor allem die Zahl der Opfer relativ gesehen hinter denen Darmstadts zurück. Vielleicht noch wichtiger ist, dass in Berlin das Ende des Luftkrieges nicht mit dem Kriegsende zusammenfiel, sondern nur den Auftakt zum Erdkampf und zur Besetzung durch die Rote Armee bildete. So schreibt beispielsweise Rosa Heinrich, Jahrgang 1927: "Schlimmer als alle Luftangriffe war der 27. April 1945, als die russische Armee mit ihrer Stalinorgel die letzten Reste der […] Steglitzer Schlossstrasse vernichtete. Was danach kam war fürchterlich. Es ist schon was Wahres an dem Satz […]: Genieße den Krieg, denn der Frieden wird fürchterlich." (S. 66)
Die "Augenzeugenberichte" dieser Sammlung wurden geschrieben von Menschen, die, im Herbst des eigenen Lebens angekommen, auf Erlebnisse zurückblicken, die mehr als ein halbes Jahrhundert zurückliegen. Gemeinsam ist allen Berichten der Versuch, die damalige Perspektive neu einzufangen, etwa die des dreijährigen Kleinkindes, das sich wehrt und schreit, wenn es die Eltern nachts aus dem Bett in den Luftschutzkeller bringen wollen (S. 51); oder die des fünfjährigen Mädchens, das sich bei Fliegeralarm schlafend stellt, "damit meine Mutti mich auf ihren Armen die Treppe hinuntertrug – denn in ihren Armen fühlte ich mich immer warm und so geborgen" (S. 63). Mit zum Teil erstaunlicher Offenheit wird dabei auch versucht, den zeitgenössischen Einstellungshorizont zu rekapitulieren. So schreibt etwa Gerhard Pagel über seine Verschüttung als Achtjähriger: "Grenzenlose Wut und Enttäuschung überfiel mich in diesem Augenblick. […] Ich wollte doch erwachsen werden. Oder wenigstens ein paar Jahre älter, so wie die HJ-Jungen an den Flakbatterien, die es den verfluchten Bombern zeigten. Ich wollte doch auch Panzer abschießen, wie mein Onkel Heinz, und dann vielleicht den Heldentod sterben." (S. 140)
Das Spektrum der hier erzählten Geschichten ist weiter gestreut als im Erinnerungsbuch zu Darmstadt: Es reicht von der Rekapitulation traumatischer Erfahrungen, die noch in der 60-jährigen Rückschau nichts von ihrem Schrecken verloren zu haben scheinen, bis zu beinahe humoristischen Geschichten, in denen selbst dem Bombenkrieg positive Seiten abgewonnen werden. Vielleicht ist es eine nicht unzulässige Vereinfachung, wenn wir zwei Varianten unterscheiden.
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Citation:
Jörg Arnold. Review of Bahnsen, Uwe; Stürmer, Kerstin von, Die Stadt, die sterben sollte: Hamburg im Bombenkrieg, Juli 1943 and
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Burgdorff, Stephan; Habbe, Christian, Als Feuer vom Himmel fiel: Der Bombenkrieg in Deutschland and
Foedrowitz, Michael, Luftschutztürme und ihre Bauarten 1934-1945 and
Hanke, Christian; Paschen, Joachim; Jungwirth, Bernhard, Hamburg im Bombenkrieg 1940-1945: Das Schicksal einer Stadt and
Heinzelmann, Martin, Göttingen im Luftkrieg 1935-1945 and
Hoffmann, Egbert A., Als der Feuertod vom Himmel stürzte: Hamburg Sommer 1943 and
Röhl, Klaus R., Verbotene Trauer: Ende der deutschen Tabus and
Siemon, Thomas; Dettmar, Werner, Der Horizont in hellen Flammen: Die Bombardierung Kassels am 22. Oktober 1943.
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June, 2004.
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