Der Zweite Weltkrieg in Fernsehdokumentationen. Deutsches Komitees f?r die Geschichte des Zweiten Weltkrieges.
Reviewed by S?nke Neitzel
Published on (November, 2003)
Der diesjährige Workshop des Deutschen Komitees für die Geschichte des Zweiten Weltkrieges widmete sich der Darstellung des Zweiten Weltkrieges in Fernsehdokumentationen, einem gerade in der letzten Zeit überaus kontrovers diskutierten Thema. Am Medien- und Wissenschaftsstandort Mainz wurde in offener Atmosphäre das Gespräch zwischen Historikern, Journalisten und Medienwissenschaftlern geführt. Dazu wurden zwei unterschiedliche Themenfelder beleuchtet: Im ersten Teil ging es um die Art und die Form der Darstellung des Zweiten Weltkrieges in Fernsehdokumentationen--Spielfilme wie das "Das Boot", "Saving Private Ryan" u.ä. wurden hier ganz bewußt nicht berücksichtigt, weil sie einen anderen Anspruch verfolgen. Es sollte somit durchleuchtet werden, mit welchen Methoden die Fernsehdokumentationen arbeiten, welche Stilmittel eingesetzt werden und wie sich die Diktion im Verlauf der letzten Jahrzehnte verändert hat. Im zweiten Teil wurden historische Inhalte näher untersucht. Exemplarisch wurde dabei danach gefragt, wie Themen des Zweiten Weltkrieges in Fernsehdokumentationen aufbereitet wurden, welche Kernaussagen sie enthielten und wie sich diese Aussagen im zeitlichen Verlauf möglicherweise veränderten. <p> Prof. Dr. Quandt von der Universität Gießen hat in seinem Einleitungsvortrag "Der Zweite Weltkrieg als Medienereignis. Zur Bedeutung des Fernsehens für das Geschichtsbild" zunächst die zentrale Rolle des Fernsehen als Leitmedium der öffentlichen Geschichtskultur in Deutschland herausgestellt und dabei betonte, daß Fernsehdokumentationen immer nur einen Bilderbogen zur Geschichte bieten. Gleichwohl liefern sie--so Quandt--einem breiten Publikum wichtige Eindrücke, Denkanstöße und Andeutungen von Zusammenhängen, die es anderen Medien--etwa Büchern--ermöglicht, das Gesendete aufzugreifen und weiter zu vertiefen. Dr. Frank Bösch, Juniorprofessor an der Universität Bochum, hat diesen Ansatz in seinem Vortrag über die "Methodik von Fernsehdokumentationen über den Zweiten Weltkrieg" aufgriffen und näher herausgearbeitet, wie diese Bilderbogen zur Geschichte gestaltet werden. Zunächst stellte er heraus, daß sich die Grammatik der Dokumentationen in den letzten vier Jahrzehnten erstaunlich wenig verändert hat. Sie weisen beispielsweise ganz überwiegend einen dramatischen Einstieg auf, der mit der Ästhetik des Kampfes um Zuschauer wirbt. Daraufhin entfalten sie per Rückblende eine personalisierte Duellstruktur, die mit ortslosen Kampfszenen unterlegt wird. Trotz aller fachwissenschaftlicher Kritik werden weiterhin alte Wochenschauaufnahmen eingeblendet, die den Krieg als ein permanentes dynamisches Vorstürmen zeigen, das keine Toten und Verwundeten kennt. Verändert hat sich dagegen seit dem Ende des Kalten Krieges die Rolle des Erzählers. Er hat seine belehrende Allwissenheit verloren. Statt dessen haben die nun zunehmend eingeblendeten Zeitzeugen die Rolle der Geschichtsvermittlung übernommen. Mit einem geradezu postmodernen Pluralismus vermitteln Täter und Opfer, Deutsche und Ausländer gegensätzliche Standpunkte, ohne daß ein Erzähler vermittelnd eingreift. Durch die zunehmende Verwendung von Zeitzeugenaussagen haben sich zugleich die Inhalte verschoben. Die Dokumentationen sind alltagshistorischer geworden, und die Erinnerungskultur gewann an Bedeutung, ohne daß diese explizit thematisiert wird. Bösch schloß seinen Vortrag mit einigen konstruktiven Vorschlägen dazu, wie man künftige Dokumentationen gestalten könne, die in der folgenden Aussprache besonders mit den anwesenden Medienvertretern, u.a. des ZDF und des SWR, kritisch diskutiert wurden. Die Debatte ließ bereits erkennen, daß Fachwissenschaftler und Fernsehjournalisten in ihren Ansichten, mit welchen Methoden die Vermittlung von historischen Inhalten im Fernsehen betrieben werden sollte, z.T. erheblich voneinander abweichen. <p> Der Vortrag von Christian Deick, leitender Mitarbeiter der Redaktion Zeitgeschichte des ZDF, verdeutlichte dies mit seinem Bericht aus der praktischen Fernseharbeit. Er unterstrich, daß die Redaktion Zeitgeschichte zur sogenannten "Primetime" um 20.15 Uhr für ein Millionenpublikum einprägsame Themen mit griffigen Stilmitteln präsentieren muß. Dabei unterstrich er, daß das ZDF in der Wahl seiner Stilmitteln durchaus Wandlungen unterworfen sei. So würden die allseits scharf kritisierten Nachspielszenen bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht mehr verwendet. In der Diskussion stach besonders die Kritik an der inhaltlich stark vereinfachenden Darstellung komplexer Sachverhalte heraus, wobei Christian Deick und Prof. Quandt darauf verwiesen, daß im Rahmen einer Fernsehdokumentation für ein Massenpublikum nur vereinfachende Thesen präsentiert werden könnzen und gerade Historiker erkennen müßten, daß man eine Dokumentation nicht überfrachten dürfe. Gerade in diesem Punkt war es schwer, einen Konsens zu finden, da aus der Runde immer wieder das Argument hervorgebracht wurde, daß sich bestimmte Zusammenhänge historisch korrekt eben nicht in wenigen Minuten mit einigen Zeitzeugenaussagen und Wochenschauausschnitten darstellen lassen. <p> In der Sektion über die Inhalte der Fernsehdokumentationen arbeitete HD Dr. habil. Sönke Neitzel von der Universität Mainz am Beispiel der Darstellung des Luftkrieges heraus, wie wenig dabei die Vermittlung von historisch korrekten Inhalten, sondern die Darstellung von Emotionen im Mittelpunkt stand. In den einschlägigen Sendungen wurde stets die Ebene der Zeitzeugen, sei es der Zivilbevölkerung am Boden oder der Flugzeugbesatzungen, in den Vordergrund gestellt, wobei die inhaltliche Einordnung zum Teil gar nicht erfolgte oder fehlerhaft war. Dr. Simon Ball, Senior Lecturer an der University of Glasgow, vermochte für die britischen Dokumentationen nicht ganz so weit gehen. Freilich verstellt der spezifisch britische Zugang zum Zweiten Weltkrieg, bei dem eher die Rolle eines Zuschauers von außen eingenommen wird, oftmals den Blick auf eine tiefere Durchdringung historischer Inhalte. <p> Während die Beiträge von Neitzel und Ball exemplarisch eine Vernachlässigung des Kontextes ausmachten, verdeutlichte Prof. Dr. Kurt Pätzold, Berlin, daß in der DDR die Filmdokumentaristen in den Studios der DEFA und des Fernsehens historisch-politische Ziele in den Vordergrund gestellt haben: Es ging darum, so Pätzold, auf die Verbreitung der Idee eines allgemeinen Friedens, auf die Warnung vor dem Atomkrieg, auf die Vermittlung von Einsichten in geschichtliche Zusammenhänge, die Deutschland und nicht nur Europa von einem Weltkrieg in den anderen geführt hatten, und auf die Begründung und Rechtfertigung des alternativen Weges, der in der DDR, beschritten wurde, um Imperialismus, Faschismus und Krieg in die Vergangenheit zu verbannen. <p> Der Workshop, der mit einer Podiumsdiskussion endete, hat klar herausgearbeitet, wie stark sich die Welt der Fachhistoriker von der des Fachjournalisten in Zugang und Aufbereitung des Zweiten Weltkriegs unterscheidet und hat insbesondere den Historikern nähere Einblicke in die Fernseharbeit mit Geschichte geliefert. In den intensiven Diskussionen ist deutlich geworden, daß Fernsehdokumentationen bestimmten stilistischen Anforderungen genügen müssen, um den erforderlichen Publikumserfolg zu haben. Da alle anwesenden Medienvertreter den Vorwurf, lediglich Unterhaltungssendungen zu produzieren, weit von sich wiesen, müssen sich die Dokumentationen nicht nur an einem ästhetischen, sondern auch an einem historisch-kontextuellen Anspruch messen lassen. Diesem Anspruch werden etliche Sendungen indes nicht gerecht. Die unzureichende inhaltliche Aufbereitung eines Themas kann allerdings meist nicht auf eine bestimmte Philosophie von ARD oder ZDF zurückgeführt werden. Sie ist in viel stärkerem Maße von der Person des Filmautors und seiner Zusammenarbeit mit einem Fachberater abhängig. Leider werden die Historiker oftmals auf die Rolle einer Galionsfigur reduziert, mit deren Namen man sich schmückt, denen man aber keinen Einfluß auf Inhalt und Gestaltung einräumen möchte. In der furchtbaren fruchtbaren Zusammenarbeit von Journalist und beratendem Historiker scheint jedoch der Schlüssel für eine Fernsehdokumentation zu liegen, die beiden Genres genügt. <p> Der Workshop hat gewiß einen Beitrag dazu geleistet, das Metier des anderen besser zu verstehen, gemeinsame und unterschiedliche Meinungen über die Vermittlung von Geschichte herauszuarbeiten und so zur besseren Zusammenarbeit beizutragen. Man hat die Veranstaltung freilich mit dem Gefühl verlassen, daß es hier noch viel zu tun gibt. <p>
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Citation:
S?nke Neitzel. Review of , Der Zweite Weltkrieg in Fernsehdokumentationen.
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November, 2003.
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