Schausammlung der Burg Altena. Museen Burg Altena.
Reviewed by Reinhild Stephan-Maaser
Published on H-Museum (January, 2003)
Die Neukonzeption der Museen Burg Altena. Sinnliches Erlebnis, Illusionismus oder Belehrung?
Seit der Wiedereröffnung der Burg Altena sind über zwei Jahre vergangen. Am 29. Juni 2000 wurde die neue, unter der Federführung des seit Dezember 1995 amtierenden Leiters Stephan Sensen realisierte Dauerausstellung der Museen Burg Altena der Öffentlichkeit präsentiert. Der große finanzielle Aufwand, die Gestaltung durch den renommierten und durch innovative Lösungen bekannten Schweizer Ausstellungsarchitekten Jürg Steiner sowie die Ankündigung eines "Regionalmuseums mit Erlebnischarakter" ließen hohe Erwartungen aufkommen. Um so unverständlicher ist es, dass die neue Schausammlung der Burg Altena bisher kaum Resonanz in der Museumsfachwelt gefunden hat--und dies um so mehr, als sich Steiner mit dem Gestaltungskonzept des Museums erfolgreich für die Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums in Berlin qualifizierte. <p> Anlass genug also, die neu konzipierte Präsentation einer ausführlichen kritischen Betrachtung zu unterziehen. Dies soll hier in der Form eines kommentierten Rundgangs erfolgen, wobei weniger die schon in der alten Ausstellung beeindruckenden Sammlungsbestände im Vordergrund stehen sollen als vielmehr die folgenden Bewertungskriterien: Wie wird der Besucher durch die Burg geleitet und an thematische Einheiten herangeführt, ergibt sich eine schlüssige Raumfolge? Wie wirken die einzelnen Räume, mit welchen gestalterischen Elementen wird gearbeitet? Wie wird den Besuchern die wechselvolle Geschichte der Grafschaft Mark vermittelt; welche Rolle nehmen dabei die Exponate und die Betrachter selbst ein? <p> Schon beim Verlassen des Parkplatzes stößt der Besucher in einem steinernen Tor auf die erste Überblickstafel. Sie gibt den gesamten Burgkomplex in schematischer Aufsicht wieder und verzeichnet die einzelnen Gebäude von A bis O sowie die mit sprechenden Titeln versehenen Themenbereiche der Ausstellung von 1 bis 31. Der Plan erscheint noch mehrmals im Oberen Burghof sowie im Faltblatt, so dass sich der Besucher auf dem Rundgang jeweils gut über seinen Standpunkt orientieren kann. Zusätzlich verweisen auffällige blaue Schilder auf die einzelnen, vom Burghof ausgehenden Raumfolgen. Dass diese Übersicht über die Themen- und Raumfülle auch notwendig ist, erweist sich vor allem im mittleren Teil (E bis K), in dem der Besucher über den Wehrgang sowie zahlreiche Treppen hinauf und hinab durch die Gebäudeteile geführt wird. Insgesamt müssen treppauf-treppab ca. 650 Stufen überwunden werden (ohne Bergfried sind es nur 470), aber gerade das Erforschen und Erklimmen aller möglichen Winkel und Ebenen und die immer wieder überraschenden Ausblicke auf den Burghof und das Umland machen ja einen Hauptreiz dieser hoch über Altena und der Lenne thronenden Burg aus. Ein behindertengerechter Ausbau blieb daher--trotz Einrichtung einer entsprechenden Toilette--auch bei der Neukonzeption zwangsläufig auf der Strecke. <p> Vom Kassenhäuschen im Unteren Burghof gelangt man zuerst zum Brunnenhaus, das gleichzeitig als Garderobe dient. Der bis zum Wasserspiegel ausgeleuchtete Ziehbrunnen wird durch eine alte Beschriftung erläutert, die erkennen lässt, dass wir es mit einem sehr alten, nämlich dem ältesten regionalgeschichtlichen Museum Westfalens zu tun haben; darüber hinaus erfährt man aber nichts über die Wasserversorgung der Burg. <p> Der eigentliche Rundgang beginnt mit den Räumen 1 bis 4 im so genannten Kommandantenhaus, einem der wenigen Gebäude, die noch fast vollständig aus dem Mittelalter stammen. Die beiden Erdgeschossräume sind der Geologie der Region, dem märkischen Gestein gewidmet. In die Gefache eines mannshohen, nach Erdzeitaltern gegliederten Gestells gelegt, veranschaulichen einzelne Steine in Verbindung mit einer geologischen Karte die erdgeschichtliche Herkunft des märkischen Sauerlands. Der kleine Raum wird nur deshalb nicht von der Konstruktion gesprengt, weil dieses Regal aus schmalen Holzprofilen durchgehend verglast und transparent vor einer hellen Fensternische positioniert ist. Der in der Nische angebrachte Monitor, auf dem die Kontinentalverschiebung im Trickfilm gezeigt wird, wirkt dagegen etwas sperrig. Sodann wird die Grauwacke als typisches Gestein der Region und Baustoff der Burg in geologischen und archäologischen Exponaten vorgestellt. Sehr aufschlussreich ist dabei eine teilweise vom Putz befreite Wand, die einen Blick auf unterschiedliche Baumaterialien und -perioden der Burg erlaubt. Im oberen Zwischengeschoss des Hauses stößt man auf eine spärlich beleuchtete Höhle mit scheinbar langen gebogenen Tropfsteingängen--Ergebnis einer optischen Verlängerung der in Wirklichkeit kleinen Ausstellungsfläche durch seitliche Spiegel. Das Thema "Karsthöhlen" wird hier durch einige paläontologische, geologische und archäologische Funde der Eis- bis Eisenzeit aus den Höhlen der Region (beeindruckend vor allem das Höhlenbärenskelett aus der Balver Höhle) in einer Kombination von Inszenierung und Einzelpräsentation gezeigt. Bevor der Besucher das Haus durch den oberen Ausgang verlässt, wird ihm das neben der Grauwacke vorherrschende Gestein (Kalk und Kieselschiefer) in verschiedenen Bearbeitungsstufen näher gebracht. Steinzeitfunde begegnen den Besuchern hier ebenso wie Arbeitsgeräte aus dem 20. Jahrhundert, was zuerst etwas irritiert, dann aber die Kontinuität der Steinbearbeitung erkennen lässt. <p> Bereits in diesen Räumen werden Gestaltungsprinzipien deutlich, die sich durch die gesamte Ausstellung ziehen und daher hier ausführlicher zur Sprache kommen sollen: Ausgewählte Exponate in wenigen großen, in der Höhe gestaffelten Glassturzvitrinen bestimmen den Raumeindruck. Die Positionierung mitten im Raum wirkt dank ihrer Transparenz nicht störend, sondern konzentriert die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das Wichtigste. Das Thema--hier das Gestein--beeinflusste die Gestaltung: Die Unterbauten der Vitrinen aus grobem Drahtgeflecht sind mit Grauwacke- bzw. Kalkstücken gefüllt, so dass der Betrachter bereits beim Hereinkommen sinnlich auf das Thema eingestimmt wird; im Obergeschoss leistet dies der neu verlegte Fußboden aus Natursteinplatten. Eine dezente, indirekte Beleuchtung über runde Spiegel lässt die Wandvitrinen ohne eigene Beleuchtungskörper auskommen. Die verglasten, braun gebeizten Holzleistengestelle wirken auf den ersten Blick wie die Schaukästen eines Heimatmuseums der fünfziger Jahre, entpuppen sich aber bei genauerem Hinsehen als hochmoderne variable Vitrinen, deren dunkelgraue Metallprofile mit braunen Holzleisten kombiniert sind. Das optische Anknüpfen an überholte museale Traditionen in den meist dunklen Burgräumen muss angesichts des gegenwärtig vorherrschenden Trends zur glatten Glas-Metall-Ästhetik als eine mutige Entscheidung gewertet werden, ist jedoch sicherlich auch dem Wunsch zuzurechnen, die vorherrschende Eichen-Innenausstattung der Burg nicht durch fremde Materialien zu überformen. <p> Dass es im Konzept des Hauses lag, die Exponate in den Vordergrund zu stellen, wird spätestens dann deutlich, wenn man sich die Einleitungstexte ansieht, die es zwar zu jedem Thema gibt, jedoch immer erst entdeckt werden müssen: Die teilweise recht umfangreichen Texte erscheinen auf unauffälligen, blassgelb grundierten Tafeln in einem verlängerten Din A 3-Format, so dass sie nur demjenigen ins Auge fallen, der gezielt danach sucht. Zudem erschweren die kleine Schriftgröße und vor allem das Fehlen jeglicher Absätze und Hervorhebungen sowie einer grafischen oder farblichen Gestaltung das Lesen. Dies ist wenig nachvollziehbar, zumal es sich um sehr eingängige und inhaltlich gute Einführungen handelt, die eine wertvolle Hilfe zur Einordnung und zum Verständnis des Ausgestellten bieten. Dagegen sind die Exponatbeschriftungen selbst durchgehend gut lesbar; teilweise finden sich neben den 'technischen' Informationen hilfreiche Erläuterungen auf den einfachen, aber schönen Pappkärtchen. Punktuell gibt es noch eine mittlere Beschriftungsebene, auf der Gegenstandsgruppen durch längere Texte zusammengefasst werden. Positiv hervorzuheben ist auch, dass zumindest im ersten Teil des Rundgangs frühere Funktionen von Gebäudeteilen (Wohnung des Direktors etc.) erklärt und die in der Ausstattung vorhandenen Besonderheiten (von bemalten Glasfenstern bis zu skurril montierten Heizungen) kommentiert werden. <p> Raum 3: Karsthöhlen <p> Mit dem Kommandantenhaus verlässt man den geologisch-frühgeschichtlichen Ausstellungsbereich, der gegenüber der früheren Dauerausstellung sehr gestrafft wurde--so werden etwa keine regionsfremden römischen Funde mehr gezeigt. Im Oberen Burghof führt eine Treppe zur Abteilung "Vom Rennfeuer zum Floßofen" hinunter. Das auf dem Absatz in einer Einzelvitrine ausgestellte prächtige Griffzungenschwert aus der Bronzezeit knüpft noch einmal an die Frühgeschichte an und leitet zugleich das Thema "Metall" programmatisch ein. Der fensterlose, langgestreckte Kellerraum des Neuen Palas mit altem Terrakotta-Ziegelboden und freigelegten Bruchsteinwänden wirkt schlicht, schön und einheitlich, obwohl wiederum in der Mitte teilweise sehr hohe, treppenartig abgestufte Vitrinen in einer Art Baukastenprinzip zu einzelnen Gruppen zusammengefasst sind. Sie gliedern den Raum unauffällig in einzelne Unterräume, in denen anhand von großen Modellen und Originalfunden die verschiedenen Stadien der mittelalterlichen Metallerzeugung der Region vermittelt werden. Eine am Deckenrand umlaufende Schiene hält die Drahtseile der rundum frei vor dem Mauerwerk hängenden Überblickskarten und der sehr ansprechend, nämlich ohne Passepartout gerahmten Stiche zur Metallgewinnung. Im hinteren Raum deutet die Einbindung kleinerer Einzelvitrinen mit Schlackenresten in einen metallenen Bodenring wohl--und hier ist aktives Mitdenken erforderlich--die Umrisse eines mittelalterlichen Hochofens an. Die Optik des Raums wird zusätzlich durch das unruhige Feuer-Flackern eines stummen Dokumentarfilms auf einer Großleinwand bestimmt, das die Rennfeuerverhüttung als bis vor wenigen Jahrzehnten noch vereinzelt bei afrikanischen Stämmen gebräuchliches Verfahren demonstriert. Die kleineren Nachteile--starke Eigengeräusche des Videobeamers, Suche nach dem Haupttext, teilweise ungünstig angebrachte und zu kleine Beschriftung, etwas deplatziert wirkende Reproduktionen italienischer Hochofenwerkzeuge--kann man bei dem rundum gelungenen Raum in Kauf nehmen. <p> Wieder im Burghof angelangt, wird der Rundgang gewissermaßen durch den Bereich des "Museums Weltjugendherberge" mit den Räumen 6 bis 9 unterbrochen. Die im Originalzustand von 1912 erhaltene erste Jugendherberge der Welt wurde natürlich auch bei der neuen Dauerausstellung in ihrem urwüchsigen Eichencharme belassen; hinzu kam jedoch im Raum 7 (Kleiner Aufenthaltsraum) die Dokumentation "Aus grauer Städte Mauern" der Jugendherbergsbewegung um den Gründer Richard Schirrmann. Sehr ansprechend ist ein Videofilm, bestehend aus O-Ton-Ausschnitten aus Wochenschauen etc., die jeweils von einfachen, stehenden Sätzen zur Erklärung und zeitlichen Einordnung unterbrochen werden; auch die NS-Zeit ist hier nicht ausgespart. Zusätzlich kann man sich anhand von Dokumenten, Büchern und Fotos in einer großen Tischvitrine weiter informieren--allerdings nur, wenn man eine gewisse Körpergröße mitbringt: Kindern und kleineren Erwachsenen wird hier der Einblick (wie später dann auch im ehemaligen "Rittersaal") durch die Tischhöhe erschwert. Zur Entschädigung (?) kann man aber im Mädchenschlafsaal auf Strohsäcken probeliegen. <p> Mit dem Bereich E im Neuen Palas betritt der Besucher den Kernbereich des Museums der Grafschaft Mark (Räume 10 bis 14). Zuerst wird er jedoch bewusst verunsichert: "Im Dunkeln tappen" ist der erste Raum benannt, der den Anfängen des Grafenhauses gewidmet ist. Man betritt einen engen Eckraum, der nur durch angestrahlte Gegenstände Licht erhält, die rundum vereinzelt in leeren, deckenhohen alten Regalen stehen. Heiligenstatue, bergischer Löwe, klevischer Schwan etc. stellen Aspekte aus der dynastischen Geschichte der Burg und Grafschaft Altena, kommentiert in ausführlichen Beschriftungen, vor. Anhand von Hörstationen sowie Dokumenten in einer Tischvitrine können die verschiedenen Gründungslegenden, Genealogien und die früheste Namensnennung und -bedeutung von Altena erforscht werden, ohne dass man mit einer fertigen Gründungsgeschichte konfrontiert wird. Da der Besucher hier durch das Fragmentarische selbst zum Mitdenken und "Tappen" in der Geschichte aufgefordert wird, kann man es verschmerzen bzw. sogar als sinnvolle Methode erkennen, dass auch hier der Einleitungstext quasi unsichtbar platziert wurde. <p> Der aus dem beginnenden 20. Jahrhundert stammende "Rittersaal" mit seinen charakteristischen Fenstersitz-Nischen und den Wappenscheiben bekam in der neuen Ausstellung in Anlehnung an das märkische Wappen den Titel "Schachbalken und Adler". Der herrschaftlich-feudale Charakter des Raumes wird durch den Farbkontrast zwischen der dunklen Eichenholzvertäfelung mit Stadtansichten aus der Grafschaft Mark, den Eichenmöbeln und der darüber anschließenden, purpurrot getünchten Wand hervorgerufen, von der Porträtgemälde von Angehörigen des märkischen Grafen- und Brandenburg-Preußischen Herrscherhauses auf den Betrachter herabschauen. Auf breiten Tischvitrinen werden Adelsstammbäume, die Münzen der märkischen Prägestätten und Exponate zum Jülich-Klevischen Erbfolgestreit präsentiert. Die wiederum ungewöhnliche Tischhöhe erlaubt dabei zwar Erwachsenen eine komfortable, eingehende Betrachtung besonders der Münzen, schließt aber Kinder weitgehend aus. Diese werden hingegen eher entdecken, dass sich im Unterbau der Vitrinen Schubladen mit historischen Karten der Region herausziehen lassen. Die als Serien präsentierten Porträts, Stadtansichten, Münzen und Karten scheinen zunächst jeweils abgegrenzt für sich zu stehen; beim Rundgang entsteht jedoch sukzessive ein Gesamtbild der territorial-dynastischen Entwicklung der Grafschaft Mark und ihrer politischen Nachfolger. Insbesondere der Nachvollzug der Zusammenhänge mit dem brandenburg-preußischen Herrscherhaus setzt dabei allerdings auch aktives Mitdenken voraus. Wer Näheres über die politischen Verflechtungen erfahren will, bekommt keine fertigen Schemata vorgesetzt, sondern kann durch eingehende Betrachtung der kommentierten Exponate in die Territorialgeschichte einsteigen. <p> In der anschließenden Abteilung "Der Traum vom Mittelalter" geht es um den Wiederaufbau der Burg Altena, augenfällig gemacht durch zwei den Raum dominierende Modelle der Ruine und der aufgebauten Burg aus eben dieser Zeit (1906). Der Besucher läuft zunächst auf einen mit den Modellen hufeisenförmig verbundenen, sehr massiv wirkenden Vitrinenunterbau zu, auf dem die älteste, ca. 250 cm lange Zeichnung von Altena mit der Burgruine präsentiert wird, und erschließt sich den Raum durch das Umrunden der Mittelvitrinen. Weitere, dicht mit historisierenden Prunkpokalen bestückte Vitrinen, die Nachbildung eines Ritters zu Pferd sowie bis zur Decke gehängte romantische Ansichten und Bauzeichnungen zeugen von der Mittelalterbegeisterung der Kaiserzeit, die den Wiederaufbau vorantrieb. Das Porträt des Initiators Fritz Thomée wäre wirkungsvoller platziert, wenn es in den Raum statt aus dem Fenster schauen und in der Nähe der Schriftstücke präsentiert würde, die etwas von der Kontroverse um den Wiederaufbau vermitteln; auch wäre es interessant, mehr über die Gegenposition Carl Ernst Osthaus' zu erfahren. Eingehendere Beschäftigung mit der Baugeschichte der Burg erlauben wiederum ausziehbare Schubladen unter den Burgmodellen, in denen informativ beschriftete Bauzeichnungen und Pläne studiert werden können. <p> Auf die thematische Dichte der letzten Räume mit dem entsprechenden Angebot an die Besucher, die Geschichte der Landesherren und der Burg mental nachzuvollziehen, folgt im Treppenhaus eine "Ritterspielecke". Hier können, begleitet von einem Videofilm über das Anlegen einer Originalrüstung, schwere Kettenhemd- und Helmnachbildungen sowie Holzschwerter nicht nur von Kindern, sondern auch von Erwachsenen anprobiert und die angebliche Ritterromantik körperlich 'begriffen' werden. Auf dem oberen Absatz des mit Ofenplatten ,tapezierten' Treppenhauses wurde eine kleine Abteilung zur Geschichte des Museums--von kuriosen Sammlerstücken über Porträts der Gründer des Museumsvereins bis zu Entwurfszeichnungen der neu gestalteten Räume-- untergebracht. Der regionsfremde Elchkopf als Hingucker macht stutzig, so dass, unterstützt durch die schriftlichen Informationen, die Abkehr der neuen Ausstellung von alten Sammlungskonzeptionen deutlich wird. <p> Im Obergeschoss des Neuen Palas erwartet den Besucher mit dem wiederum völlig anders gestalteten Raum "In aller Munde" eine weitere Überraschung: In dem durch Teppichboden, abgehängte Decken und Wandanstrich ganz in Blau gehaltenen, langgestreckten Raum stehen 26 Hochvitrinen in zwei Reihen Spalier. Sie stellen die einzigen Lichtquellen dar und beinhalten jeweils nur ein Exponat, das in Kombination mit einem leuchtenden Schriftzug am oberen Ende der Säule die dinglich-historische Herkunft einer heute noch lebendigen Redensart veranschaulicht. So stellt sich bei den Besuchern beim Abschreiten der Reihe, unterstützt durch gute, allerdings manchmal ungünstig angebrachte Beschriftungen, mancher Aha-Effekt ein. In sehr ansprechender und unanstrengender Weise ist es hier gelungen, das Vorwissen des Publikums in die museale Vermittlung einzubeziehen, wozu ganz wesentlich die strenge Reduktion auf eine gänzlich unmittelalterliche, schlichte Gestaltung beiträgt. <p> Der Rundweg führt weiter über Treppen und den Wehrgang zur Burgkapelle, die schon Fritz Thomée in diesem Gebäudeteil untergebracht hatte, die aber jetzt erstmals auch zugänglich gemacht wurde. Lutherbüste und Gesangbuch weisen beim Eintritt programmatisch auf die protestantische Vergangenheit der Grafschaft Mark hin. Hierzu im direkten Gegensatz steht allerdings die prächtige Ausstattung des Raumes mit wertvollen mittelalterlichen Bildwerken. Der Hauptaltar und die Seitenaltäre, die Skulpturenausstattung und die doppelte Bankreihe erwecken bei sehr dezenter Beschriftung den Anschein, es handle sich um einen wirklichen Sakralraum, folglich um die ursprüngliche Adelskapelle der Burg. Hier müsste deutlicher gemacht werden, dass der Kapellenraum im gegenwärtigen Zustand ein museales Konstrukt mit angekauften Kunstwerken darstellt und dass wenig über den ehemaligen Standort und die Ausstattung der seit dem 12. Jahrhundert nachweisbaren Burgkapelle bekannt ist--zumal es insgesamt zu den lobenswerten Grundprinzipien der Neukonzeption gehört, dass deutlich mit der beliebten Tradition gebrochen wird, dem Besucher quasi-authentische Raumensembles--womöglich noch die der alten Grafen von der Mark--darzubieten. <p> Wie dieses Problem angegangen wurde, zeigen vor allem die nächsten Räume, in denen die Wohn-, Arbeits- und Esskultur der frühneuzeitlichen sozialen Stände, hier naturgemäß mit dem Schwerpunkt auf dem Adel, vorgestellt wird. Auf neutralen grauen Podesten werden in der Station "Leben im Luxus" vier Arrangements aus Möbeln und frei aufgestellten Hausgeräten und Bildern in Verbindung mit Vitrinen gezeigt, die darüber hinaus Bücher und Luxusartikel des 16. bis 18. Jahrhunderts beinhalten. Diese Synthese von reiner Ausstellung und 'Stubeninszenierung' vermeidet den täuschenden Eindruck, es handele sich um alte Besitztümer der Burgbewohner, trägt aber dennoch dem Bedürfnis Rechnung, die Dinge in ihrem Gebrauchszusammenhang sehen zu können. Diese 'halbinszenatorische' Präsentation, bei der sich der Besucher immer des musealen Zusammenhangs bewusst bleibt, prägt auch die nächsten Abteilungen, die neben dem Sprichwörterraum sicherlich die Highlights der Ausstellung bilden. <p> Raum 17: Jagd als Privileg <p> Im grün gestrichenen Raum "Jagd als Privileg" wurde durch das modulare System aus Glaswänden und Holz-Metallprofilen in der Mitte ein szenischer Bereich abgetrennt, der aufgrund seiner Größe und des durchgehenden Holzfußbodens kaum als Schaukasten wahrgenommen wird. Hier sehen sich einige in die Enge eines Lappennetzes getriebene Wildtiere von einer erdrückenden Fülle auf sie gerichteter Jagdwaffen bedroht. Das Netz trennt der Länge nach diesen Bereich von dem der ,durch die Lappen gegangenen' Jagdtiere sowie der an der Rückwand in Form von Trophäen aufgehängten Opfer. An den Rückseiten dieser Wände sowie an den Außenwänden erscheinen Stiche und Gemälde von Jagdszenen. Wer die nicht 'naturalistisch', sondern nach geometrischen Aspekten parallel und fächerförmig ausgerichteten, von der Decke hängenden Waffen näher betrachten will, kann in eckige Einbuchtungen in der Glaswand treten und die (nicht immer problemlos zur Beschriftung zuzuordnenden) Jagdgewehre, -pistolen, Saufedern und Hirschfänger von der Seite sehen. Ein (unbeabsichtigter?) Nebeneffekt dieser Nischen besteht darin, dass man sich plötzlich selbst wie in einer Vitrine stehend vorkommt und nach 'draußen' auf die Jagdszene schaut bzw. selbst die Perspektive der imaginären Jäger einnimmt. Das Bestreben, etwas von der Dramatik und nicht zuletzt der weitgehenden Chancenlosigkeit der Tiere bei der Treibjagd zu vermitteln, wurde hier durch rein visuelle Mittel erreicht, ohne eine realistische Jagdszenerie nachzustellen. Das Fehlen der Jäger lenkt die Aufmerksamkeit auf die Waffen, deren kunsthandwerkliche Gestaltung jedoch viel über ihre Besitzer aussagt. <p> Der mit blutroten Wänden und einigen Gemälden mit Schlachtdarstellungen versehene Raum "Waffengang und Pulverrauch" empfängt den Besucher mit einem zunächst undurchschaubar erscheinenden Gewirr (man ist versucht zu sagen "Geklirr") blinkender Rüstungen und Waffen. Nur ein schmaler Durchgang führt zwischen wiederum mit Glaswänden abgetrennten Bereichen in der Mitte sowie den als Ausstellungsfläche genutzten Dachschrägen durch diese überwältigende Waffenkammer, die dank der Transparenz der Einbauten als einheitlicher Raum wahrgenommen wird. Erst wenn sich das Auge etwas beruhigt hat und die Einzelpräsentationen wahrzunehmen beginnt, erkennt man in den mittleren Großvitrinen szenisch-bewegte Gegenüberstellungen je zweier mit Schlag- bzw. Schusswaffen kämpfender Ritter. Die Rüstungsteile werden dabei nur von einem Drahtgestell gehalten, auf Figurinen wurde verzichtet. So dominieren auch hier trotz szenischer Anmutung die musealen Ausstellungsstücke, die in den Dachschrägenvitrinen durchgehend als Einzelstücke in großer Variationsbreite präsentiert werden. Beim Verlassen des Raumes passiert man eine Stelle, an der zahlreiche Gewehre und Pistolen waagerecht aufgehängt auf den Gang zielen, so dass man einigen direkt in die Mündung blicken kann und sich plötzlich unangenehm der realistischen Gefahr bewusst wird, die von den heute oft nostalgisch verklärten Waffen der vergangenen Jahrhunderte ausging. Auch im anschließenden Bereich "Turnier und Fest", bei dem die Exponate unter einem rot-weiß gestreiften Zelthimmel und untermalt von (leider nicht erläuterter) festlich-höfischer Musik präsentiert werden, überlagern die 'erlebnishaften' Elemente nicht die Attraktivität der Einzelstücke. <p> Raum 18: Waffengang und Pulverrauch <p> Der sich anschließende Raum "Bäuerliches Leben" verzichtet--vermutlich in bewusster Abkehr von den früher üblichen Bauernstuben--ganz auf die szenische Darstellungsweise. In fünf würfelförmigen Großraumvitrinen werden vielmehr thematische Aspekte wie Haushalt, Viehwirtschaft oder Bräuche durch stilllebenartige Arrangements behandelt, wobei herausragende Objekte auf modernen, grazilen Tischen präsentiert sind. Leider sind die Texte zu den fünf Ensembles wiederum zu gut versteckt, um als Leitfaden für die Betrachtung dienen zu können. In Anbetracht der bis hierher schon recht umfänglichen zurückgelegten Wegstrecke wären gezieltere Sehhilfen--etwa durch einfache Überschriften an den Vitrinen--wünschenswert. Dass die Landwirtschaft in der Grafschaft Mark immer eine untergeordnete Rolle gegenüber dem Gewerbe hatte und die Bauern oft zusätzlich in den Drahtrollen arbeiteten, kann man zwar lesen; sinnvoller und konzeptionell schlüssiger wäre hier jedoch eine sichtbare Verschränkung mit der nächsten Abteilung "Drahtzieher" gewesen. Dieser sehr kleine Raum enthält nur wenige Exponate (Kettenhemd, Karte der Drahtbetriebe, Stiche zur Drahtherstellung), die sich sinnvoll zu einem Bild ergänzen; versäumt wurde aber die Chance, an dieser Stelle auf das attraktive Drahtmuseum am Ort hinzuweisen, das die Thematik ausführlich behandelt und mit der Kombi-Eintrittskarte ebenfalls besucht werden kann. <p> Eingestimmt auf das Thema "Metallbearbeitung", wird der Besucher sodann über Treppen, Winkel und Gänge zum Mittelgeschoss des Pulverturms geführt. Unter Einbezug einer (französischen) Statue des hl. Eligius als Schutzheiligem der Schmiede sowie einer schmiedeeisernen Tür wurde der runde Raum geschickt für die Darstellung der stark spezialisierten Zweige des Schmiedehandwerks genutzt: Zwei viertelkreisförmige Vitrinen enthalten in Einzelsegmenten jeweils ausgewählte (auf den Glasböden leider oft verrutschte) Metallstücke, meist Werkzeuge, denen darüber hängende Stiche aus Jost Amanns Ständebuch den entsprechenden Metallberuf zuordnen. So kommt die Abteilung weitgehend ohne umständliche Beschriftung aus. Ein Schacht in der Raummitte erlaubt mit der Sicht auf Tabakdosen und ein Maschinenmodell im Untergeschoss einen Vorausblick auf die spätere Entwicklung der Metallverarbeitung. Zuvor jedoch führt die Außenwandtreppe in das Obergeschoss des Turmes, wo der Besucher von dem Geräusch und Geflacker eines prasselnden Feuers empfangen wird--hervorgerufen von rot-gelben, von Windmaschinen aus Metalltonnen nach oben geblasenen und von unten beleuchteten Papierstreifen. Die somit unschwer erkennbare Abteilung zum Feuerlöschwesen zeigt um eine fahrbare Feuerspritze herum verschiedene, schlüssig angeordnete Exponate zu den verheerenden Stadtbränden der Frühneuzeit, unter denen die Statue des Heiligen Florian sowie eine originell aufgehängte Löscheimerkette besonders erwähnenswert sind. <p> Der untere Turmraum mit seiner umlaufenden runden Sitzbank--eine der eher seltenen Gelegenheiten, sich setzen zu können--bildet die Nahtstelle zur Moderne "Vom Handwerk zur Industrie". Hier werden neben Geräten der handwerklichen Eisenerzeugung des 19. Jahrhunderts vor allem Tabakdosen aus Messing gezeigt, die in den Niederlanden durch Handgravur, in Iserlohn aber schon früh in industrieller Serienproduktion mit figurenreichen Darstellungen versehen wurden. Die Gegenüberstellung beider Fertigungsweisen ist gestalterisch umgesetzt durch zwei im Grundriss dreieckige, mit der Spitze aufeinander zeigende Hochvitrinen, die etwas unharmonisch in den runden Raum eingepasst wirken. Beim Durchgang durch diese 'zugespitzte' Situation trifft man auf einen Monitor, der historische Fotografien über den Transport der Eisenerzeugnisse aus dem märkischen Sauerland durch dem Bergland angepasste Schmalspurbahnen zeigt. Die Zusammenstellung dieser Abteilung wirkt trotz ihrer interessanten Einzelaspekte etwas beliebig, zumal wenn man erkennt, dass mit dem nächsten Raum bereits die "Kosten der Industrialisierung", also ihre Folgen und Nachteile thematisiert werden: Kinderarbeit, Streik als Form des Arbeiterwiderstands sowie Umweltprobleme. Die Mitte des Raums ist als massive Wand aus zwei übereinander stehenden Dreierreihen laufender Monitore gestaltet, deren Originalaufnahmen stereotyper Fabrikarbeitsabläufe von einer Sitzbank aus betrachtet werden können. <p> Ästhetisch gelungen und (zumindest für Erwachsene) assoziativ verstehbar ist eine rot gestrichene, den Arbeiterkampf signalisierende Wand mit einem hohen Metallgestell aus sechs mal sechs Fächern, in denen, jeweils kombiniert mit der Jahreszahl und Benennung eines Streiks in der Region, stellvertretend für die streikenden Arbeiter ein Werkzeug hängt. Während die Kinderarbeit durch Fotos und das Thema des fehlenden Umweltschutzes vor allem anhand des Holzverbrauchs und der Säureabfälle der Metallindustrie als negative Folgen der Industrialisierung erkennbar werden, ist schon etwas schwieriger nachzuvollziehen, dass unter "Kosten"--hier dann wörtlich aufgefasst--auch Exponate zu den unternehmerisch geförderten Sozialeinrichtungen begegnen. <p> Raum 25: Kosten der Industrialisierung <p> Über einen kleinen Flur, in dem große Porträtfotos erkennen lassen, dass man wieder in der Gegenwart angelangt ist, führt der Rundgang zuvor noch in die Abteilung "Abgründe". Sechs dreieckige Stelenvitrinen stehen in der Mitte eines abgedunkelten, schwarz gestrichenen und mit Wandspiegeln versehenen engen Raumes, dessen spärliche, vom Schwarz verschluckte Beleuchtung von nackten Glühbirnen ausgeht. Der beklemmende Eindruck korrespondiert mit dem Thema, denn hier wird in Dokumenten, Fotos und persönlichen Besitzstücken dem Schicksal von Kriegsgefangenen bzw. Zwangsarbeitern und der verfolgten Juden in der NS-Zeit nachgespürt, das die Spiegelwände ins massenhaft Unendliche multiplizieren. Ohne dass (mal wieder) die gesamte Epoche oder politische Entwicklung aufgerollt wird, konzentriert sich die Ausstellung auf die Region des märkischen Sauerlands, so etwa auf das riesige Kriegsgefangenenlager Stalag V in Hemer. Beeindruckende Zitate, aber auch Tabellen und Statistiken erscheinen auf den Rückwänden der Vitrinen. Allerdings wird der Betrachter hier vermutlich nicht lange verweilen, da die spärliche Beleuchtung und vor allem die drückende Atmosphäre wenig einladend sind. Es könnte jedoch in der musealen, auch auf nichtkognitiven Erkenntnisgewinn zielenden Intention liegen, dass der Besucher sich an dieser Stelle--schließlich sieht man sich auch selbst in den Spiegeln-- dieses Fluchtinstinkts bewusst wird. <p> Unvermittelt und entlastend vor dem Hintergrund des gerade Erlebten wirken die strahlenden Gesichter, die den Besucher wieder im Flur empfangen. Sie stellen Arbeiter aus der heutigen Metallbranche der Region durch Interviewauszüge und Produkte vor. Die sehr langen, aber durch die Auswahl verschiedener Altersstufen und Nationalitäten und die wenig geglättete Sprachfärbung kurzweiligen Texte zeichnen ein differenziertes Bild der Menschen, die hinter den Erzeugnissen-- "Weltklasse aus dem Sauerland"--stehen. Der personale Zugang setzt sich auch im letzten Raum fort, der mit "Düt un dat" betitelt ist und tatsächlich eine bunte Mischung von Gegenständen in teilweise frei gehängten Vitrinen bereithält. Jede Einheit erzählt eine eigene Geschichte über kuriose Gegenstände, berühmte Personen, eigentümliche Basteleien usw., für deren Nachvollzug es einiger Anstrengung und Lesarbeit bedarf. Es handelt sich nicht um ein nur auf die Erinnerung an Personen zielendes "musée sentimental"--so sind etwa auch Nummernschilder der Region oder das Schützensilber in dieser Abteilung untergebracht. Vielmehr ist hier der 'Gemischtwarenladen' zum Programm geworden, die Ernsthaftigkeit eines lehrreichen Museumsbesuchs fast aufgehoben, und dem hier am Ende des Rundgangs vermutlich schon recht erschöpften Besucher bleibt es unbenommen, sich das eine oder andere herauszupicken oder direkt zum Verkaufsshop weiterzugehen. <p> Es bleiben die drei einzeln vom Oberen Burghof aus zu besichtigenden Einheiten Kerker, Remise und Bergfried. Die nüchterne Behandlung des Themas "Kerker und Ketten"--Folterwerkzeuge, Richtschwerter und Dokumente in reiner Vitrinenpräsentation--hebt sich wohltuend von den sonst in Burgmuseen gern inszenierten Gruselkabinetten (z. B. in Schloss Burg an der Wupper) ab. Der "Dicke Turm mit Angstloch" kann bestiegen werden und bietet eine grandiose Aussicht auf das Umland, ist aber (noch?) nicht als Ausstellungsfläche ausgebaut. Was es mit dem "Angstloch" auf sich hat und welche Funktion dem Bergfried überhaupt zukam, sowie was in den nassen Kerkerräumen der Burg Altena geschah, wird durch die Beschriftung allerdings nicht deutlich. Die nur von außen einsehbare Abteilung "Reisen als Privileg" lässt Kutschen, Schlitten und ein uriges Fahrrad erkennen; auch hier kann man sich eine thematische Ausweitung vorstellen. Andererseits ist man auch ganz froh und mehr als befriedigt, die Burg nun in ihrem ganzen Ausmaß 'bewältigt' zu haben. <p> Den Ausstellungsmachern ist es--so das Fazit--mit der neuen Konzeption und Gestaltung gelungen, die reichhaltigen Sammlungen der Museen Burg Altena unter Einbeziehung der regionalgeschichtlichen Zusammenhänge auf attraktive Weise neu zu präsentieren und in thematischen Einheiten verstehbar zu machen. Hierzu trägt vor allem die Ausgestaltung der vielen oft kleinen Räume mit einer ausgeprägten Hinwendung zu den Exponaten bei. Die Gegenstände stehen nicht nur in räumlicher Hinsicht im Mittelpunkt: Die früher praktizierte Wandorientierung von Vitrinen, Schautafeln und Bildern wurde fast überall zugunsten umgehbarer transparenter Großvitrinen aufgegeben. Zudem bestimmen die Exponate in ihrer Anordnung auch den Erkenntnisprozess, der sich vor allem beim Anschauen und assoziativen Verknüpfen des Gesehenen einstellt. Das weitgehende Zurücktreten des geschriebenen Wortes räumt dem Betrachter einen aktiven Anteil ein. Die individuelle Farbgebung der einzelnen Räume, die Lichtführung und Geräusche, vor allem aber die Authentizität der Dinge in bühnenhaften Arrangements hinterlassen mehr oder weniger gesteuerte, atmosphärische Eindrücke. Man braucht kein ausgeprägtes historisches Vorwissen, um sich einzelne Themen zu erschließen, sondern wird durch originelle Gestaltungsideen sinnlich an diese herangeführt. Vermieden wurden dabei geschichtsidealisierende Inszenierungen, wie sie früher bei den beliebten "Stuben" auftraten. Alle szenischen Aufbauten werden durch museale Präsentationsformen ergänzt, die Illusion also gebrochen, um romantisch-verklärte Vorstellungen vom Leben auf der Burg zu entlarven und die durch Zufall und Ankaufspolitik zusammengetragenen Gegenstände in ihrer Einzigartigkeit herauszustellen. Auch die neue Einrichtung mit zurückhaltender Vitrinen- und Bilderrahmengestaltung im optisch angepassten 'Burgdesign' lässt den Exponaten ihre Hauptrolle. <p> Der Erlebnisfaktor der Museen Burg Altena ist dennoch hoch, was sicherlich zum größten Teil dem attraktiven Rundgang mit überraschenden Ausblicken sowie der räumlichen Vielfalt zuzuschreiben ist. Neben dem Erkunden des Geländes bieten die gezielt eingesetzten Medien wie Filme und Musik, gelegentliche Aktion ermöglichende "Flipcharts" sowie die Ritterspielecke nicht nur Kindern ganzheitliche Erlebnisse. Dass diese Stationen aber eher sparsame Verwendung fanden, lässt wiederum den Vorrang der Exponate als eigentlichen Schwerpunkt erkennen. Derartige Aktionsmöglichkeiten sind vielleicht in einem Museum, dessen Räume den Betrachter aktiv einbeziehen, auch weniger notwendig. <p> Die Raumensembles wurden durchweg als Angebote ohne belehrende Didaktik gestaltet. Man kann sie sowohl vorwiegend sinnlich konsumieren, wobei die sprechenden Titel eine grobe Einordnung erlauben, als auch durch das Lesen der Überblicks- und Exponattexte in größere Zusammenhänge einbinden. Das tiefere Eindringen wird allerdings meist unnötig durch die Suche nach den oft versteckten, zu kleinen und unübersichtlichen Texttafeln erschwert. Hier wird-- sollte die optisch unattraktive Textebene tatsächlich konzeptionell begründet sein--die Möglichkeit des nichtkognitiven Erfassens wohl überschätzt. Diese Methode mag, wie im Fall des Sprichwörterraumes, vereinzelt allein funktionieren; im Normalfall ist der Besucher kulturgeschichtlicher Ausstellungen aber auf zusätzliche Verstehenshilfen angewiesen. <p> Der nicht ganz unanstrengende Rundgang--mehr Sitzgelegenheiten wären von Vorteil--folgt insgesamt einer schlüssigen Chronologie von der Erdgeschichte bis zur Gegenwart, obwohl diese nicht in den Benennungen der Räume und auch nicht im Plan auftaucht. Die sprechenden Namen wirken vielmehr sehr heterogen und folgen keinem einheitlichen sprachlichen Muster; hier wurde offenbar mehr Wert auf die Phantasien auslösenden Sachthemen, die Individualität jedes Raumes und den damit verbundenen Neugierde- und Überraschungseffekt gelegt. Die Kehrseite dieser Vielfalt liegt vielleicht darin, dass der wechselnde Charakter der Räume ein Wahrnehmen des Gesamtzusammenhangs erschwert. So werden erst im Nachhinein einzelne Raumfolgen als übergreifende Thematiken (Geschichte der Grafschaft Mark, Entwicklung des Metallgewerbes, soziale Gruppierungen) erkannt. Außerdem muss der Besucher die aus architektonischen Gründen notwendige Unterbrechung durch die Räume der Weltjugendherberge verstehen; die durchlaufende Nummerierung und der häufig auftauchende Grundrissplan sollten hier jedoch zur Orientierung genügen. <p> Zum Abschluss soll noch kurz auf die einzige Ausstellungsbesprechung eingegangen werden, die unmittelbar nach der Eröffnung ausführlich zur neuen Präsentation Stellung nahm: eine von der Virtual Library Museen des ICOM und bei H-Soz-u-Kult im Internet veröffentlichte, elfseitige Rezension von Stephanie Marra, die der neuen Dauerausstellung insgesamt "schwerwiegende Versäumnisse" bescheinigte. Die Position dieser Besprechung stellt ein Paradebeispiel für die (im Grunde längst überholten) fachwissenschaftlichen Vorbehalte der Historikerzunft gegenüber der musealen Geschichtspräsentation dar. Der Hauptvorwurf zielt auf den Mangel an Hintergrundinformationen zu den ausgestellten Objekten: Der "unbefangene Besucher" der Altenaer Museen "sucht vergeblich" Zusammenhänge, "tappt im Dunkeln", ist "hilflos" und "allein gelassen", werde nicht geführt, erfahre nur wenig und werde überdies durch ein unzulängliches Orientierungssystem in einem "Wust von Exponaten und Beschilderungen" verwirrt. Der Anspruch eines Regionalmuseums werde durch den Mangel an historiografischer Darstellung und eines "roten Fadens" nicht eingelöst, denn meist stehe die Ästhetik und nicht die "historische Aussagekraft" im Vordergrund. Der Museumsbesuch werde dadurch zu einer unbeabsichtigten "Entdeckungsreise mit Aha-Effekt", was vielleicht den Bedürfnissen und dem Geschichtsbild der "dort einkehrenden MuseumsbesucherInnen" entgegenkomme, aber nicht im Sinne des Museums sein könne. <p> Ein solcher Ansatz zeugt von einer grundlegenden Unterschätzung des Publikums. Die Rezension erweckt den Eindruck, es sei geradezu eine Gefahr, die Besucher mit womöglich unkommentierten Exponaten zu konfrontieren. Der Ruf nach festgelegter Orientierung, Hilfe und Führung--auf der Rundgangebene übrigens völlig unverständlich--sowie nach Zusatz- und Hintergrundinformation, die sich vor allem auf die dynastischen Zusammenhänge der Grafschaft Mark, angeblich "zwingend notwendige" politische Gesamtdarstellungen wie zum "Dritten Reich" oder auf die Darstellung sozialgeschichtlicher Entwicklungen beziehen, machen deutlich, dass hier primär das Modell eines Museums als Lernort verfolgt wird: Der Besucher ist in erster Hinsicht der "zu Belehrende"; Geschichtsbewusstsein soll vor allem auf kognitivem Wege (durch das Lesen von Überblickstexten und Schautafeln) und ergänzend durch Computeranimation erfolgen; die Exponate fungieren dabei vorrangig als Illustrationen zu einem von den Ausstellungsmachern im Vorfeld festgelegten Wissenshorizont. <p> Nun ist aber in der europäischen Museumslandschaft seit etwa zwanzig Jahren eine Abkehr vom Modell der vorrangigen Wissensvermittlung zu konstatieren. Dies ist nicht zuletzt der Einsicht zu verdanken, dass dieser Ansatz völlig am Medium Museum und an den Bedürfnissen der Besucher vorbeigeht. Denn gerade das sinnliche Erlebnis wird gesucht; kaum jemand ist bereit, längere Texte zu lesen oder, wie Walter Benjamin bereits 1936 im Sprachstil seiner Zeit im Hinblick auf Ausstellungen formulierte: "Die Masse will nicht belehrt' werden. Sie kann das Wissen nur mit dem kleinen Chock in sich aufnehmen". Daher versuchen historische Museen und Ausstellungen als Orte sinnlicher Anschauung, die das Sehen in den Vordergrund stellen, ihre Objekte durch die Art ihrer Präsentation und nicht primär über Texte zu erläutern. Seitdem befürchteten Historiker den Verlust politischer und historiografischer Inhalte oder der "richtigen" Geschichte und erhoben den Vorwurf, diese Ausstellungen seien zu sehr vom ästhetischen Erscheinungsbild geprägt. Allerdings ist der Höhepunkt dieser Auseinandersetzung mit ihren bisweilen polemischen Charakterisierungen historischer Ausstellungen ("Effekthascherei", "Disney-Land" usw.) inzwischen schon lange überschritten. Ein Museum ist schließlich kein Buch, und die Einsicht, dass Geschichtsvermittlung neue Wege einschlagen muss, hat sich auch in Historikerkreisen durchgesetzt--nicht zuletzt aufgrund des enormen Publikumsinteresses an großen, erfolgreichen Ausstellungsprojekten. <p> Der Vorwurf, Geschichte nicht 'angemessen' darstellen zu können, trifft deshalb ein Museum wie die Burg Altena in keiner Weise. Im Gegenteil: Gerade weil es Fragen aufwirft, Überraschendes bietet, Ambivalenzen zulässt und dem Besucher Wahlmöglichkeiten der Aneignung bietet, statt fertige Antworten und glatte Präsentationen zu liefern, wird es der Geschichte bzw. ihrer Interpretationvielfalt eher gerecht. Und wer an weiteren Informationen interessiert ist--eigentlich ideal, wenn der Museumsbesuch dazu anregte--, kann sich ja immer noch ein Buch kaufen.
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Citation:
Reinhild Stephan-Maaser. Review of , Schausammlung der Burg Altena.
H-Museum, H-Net Reviews.
January, 2003.
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