Europa--Eine Zeitreise. Von Karl dem Großen bis zum Euro. Learning Company.
Published on H-Soz-u-Kult (May, 2000)
Was erwartet man von einer Zeitreise in die europaeische Vergangenheit? Moeglicherweise eine knappe Darstellung der Geschichte der einzelnen Laender. Das ergaebe allerdings eine sehr eingeschraenkte Sichtweise. Oder aber die Herausbildung des geeinten Europas und die Darstellung von Personen, die sich fuer diese Entwicklung eingesetzt haben. Pascal Bonafoux versucht, beides miteinander zu verbinden. Laut Klappentext geht es um die "Wuensche nach einem gemeinsamen Europa und die europaeische Realitaet", die CD-ROM richtet sich damit an alle Europa- und Geschichtsinteressierten, besonders an Lehrer und Schueler. Die "Zeitreise" kann mit Hilfe der sechs Rubriken Epochen, Persoenlichkeiten, Ereignisse, Daten, Karten und Aspekte unternommen werden. Das erste Kapitel unterteilt sich in vier Epochen: Die Zeit der Kirche (732-1492), Die Zeit der Koenige (1493-1789), Die Zeit der Nationen (1790-1945) und Die Zeit der Einheit (1945-2000). Je ein sehr kurzer Text fuehrt in den Zeitabschnitt ein und beschreibt dessen Charakteristika. Im unteren Teil des Bildes erscheinen mehrere kleine Portraets bekannter Persoenlichkeiten, die man anklicken kann, um naehere Informationen zu erhalten. Positiv zu bewerten ist die Vielfalt der Persoenlichkeiten, die ausfuehrlich vorgestellt werden und die sich nicht allein auf den politischen Rahmen beschraenken. Neben Staats- und Kirchenmaennern tauchen auch Schriftsteller, Kuenstler und Entdecker auf. Personen, die sich besonders um Europa verdient gemacht haben und als "Vordenker Europas" bezeichnet werden, sind durch einen Sternenkranz hervorgehoben. <p> Die biographischen Artikel sind in der Regel knapp, aber sehr informativ. Nuetzlich sind dabei die Verbindungen zu anderen Artikeln und Zeitgenossen sowie die Ergaenzung durch Illustrationen, Textauszuege und musikalische Sequenzen. Leider wird nicht bei allen Persoenlichkeiten, zum Beispiel bei Anna Stuart, der Bezug zu Europa deutlich. Ebenso wird oft nicht ersichtlich, warum bestimmte Texte beigefuegt wurden. Viele sind zu kurz oder es fehlt der Bezug zu Europa. Beispielsweise waere zum Auszug aus Boccaccios 'Commento alla Comedia allegoria' (Canto XIV) eine Erlaeuterung notwendig. Die Passage aus Machiavellis 'Principe' koennte laenger sein, um diese Art von Quellen auch im Unterricht einsetzen zu koennen. <p> Begruessenswert erscheint jedoch, dass einzelne Texte auch gespeichert oder gedruckt werden koennen. Karten und Filmsequenzen veranschaulichen zusaetzlich die Epochen. Historische und politische Karten zeigen die Grenzveraenderungen Europas im Laufe der Jahrhunderte. Die kurzen Filme praesentieren mit Hilfe von zeitgenoessischen Malereien, Drucken und Karten die wichtigsten Ereignisse der europaeischen Geschichte, wie zum Beispiel den Vertrag von Verdun, den Fall Konstantinopels, den Westfaelischen Frieden, den Wiener Kongress, die Roemischen Vertraege sowie den Maastrichter Vertrag. Zusaetzlich fasst ein Text die Ereignisse zusammen. <p> Die Rubrik der Epochen fuehrt in die bedeutsamsten Ereignisfolgen fuer Europa ein, setzt aber auf die Darstellung von Persoenlichkeiten einen Schwerpunkt. Ein Verbesserungsvorschlag waere, die in der Einleitung genannten Charakteristika anhand von historischen Gegebenheiten zu verdeutlichen. Ueberdies erschwert die Unuebersichtlichkeit der Epochen-Startseite die Orientierung. Durch das Hintergrundbild wirkt sie ueberladen. Die Portraets der behandelten Persoenlichkeiten sind sehr klein und daher schwer erkennbar. Eher zufaellig stoesst man auf die Filmsequenzen. <p> Die drei folgenden Rubriken erleichtern dem Benutzer einen schnellen Zugriff auf "Persoenlichkeiten", "Ereignisse" und "Daten", die jeweils uebersichtlich praesentiert werden. Positiv zu bewerten ist die Begrenzung auf die wichtigsten Daten der europaeischen Geschichte. Allerdings wird nicht immer deutlich, warum bestimmte Ereignisse in die Datenreihe aufgenommen werden, da sie nicht unbedingt etwas mit der Herausbildung eines geeinten Europas zu tun haben, z.B. die Gruendung einer christlichen Republik durch die Jesuiten in Paraguay im Jahre 1610 oder diverse Hochzeiten europaeischer Fuersten. Besonders lobenswert erscheint die Rubrik "Aspekte", die Mythen, Werte und Lebensbilder als "Verbindungsglieder jenseits aller physischen, sprachlichen und kulturellen Grenzen zwischen den Voelkern Europas" vorstellt. Es werden die Mythen "Europa", "Prometheus" und "Don Juan" aufgegriffen und deren sich wandelnde Bedeutung bei den europaeischen Denkern beschrieben. Leider wird nicht ersichtlich, welche Rolle die Figur des Don Juan fuer die Entwicklung Europas spielte und warum gerade sie ausgewaehlt wurde. Im Gegensatz dazu wird u.a. die Entwicklung des Namens Europa sowie der Wunsch nach einem geeinten Europa bzw. der als Vorbild fuer die Idee eines geeinten Europas dienende Prometheus beschrieben. Die Lebensbilder des Kaisers, des Ritters und des Humanisten werden als Archetypen bezeichnet, die ueberall dieselbe Gueltigkeit besessen haetten. Diese Behauptung muss jedoch stark in Zweifel gezogen werden, denn nicht ueberall gab es einen Kaiser, noch existierte ein einheitliches Bild des Humanisten. Dabei laesst sich fragen, warum gerade diese Figuren ausgewaehlt wurden und Frauen, Bauern, Kirchenleute, Kinder ausgespart werden. Schwierigkeiten bereitet zudem die Untergliederung des Stichpunktes "Kaiser". Welche Verbindung besteht zwischen dem Kaiser, den Kolonien und dem Imperialismus? An dieser Stelle koennte naeher auf die Funktion und die Rolle des Kaisers, besonders im Mittelalter, eingegangen werden. Was ist der Unterschied zwischen einem Koenig und einem Kaiser? Warum stammte der Kaiser immer aus dem Reich? Warum hatten Spanien, Frankreich, Polen keine Kaiser? Diese und aehnliche Fragen koennten im Hinblick auf die Zielgruppe eingehender diskutiert werden. <p> Der dritte Abschnitt, der die drei Werte Religion, Freiheit und Demokratie umfasst, ist besonders beachtenswert. Die einzelnen Punkte werden sehr detailliert beschrieben, mit Hilfe von knappen Einleitungen wird auf Zusammenhaenge aufmerksam gemacht. Beispielsweise wird unter dem Stichwort Freiheit nicht allein auf die individuelle Freiheit und Meinungs- und Religionsfreiheit eingegangen, sondern ebenso auf die Freiheit der Maerkte, der Strassen und des Kapitalmarktes und damit naeher auf die fruehneuzeitlichen Banken. <p> Insgesamt ist die CD-ROM trotz einiger Unuebersichtlichkeiten, Druckfehler und Informationsluecken recht positiv zu bewerten, ihr ist ein breiter Benutzerkreis zu wuenschen. Sie kann als Infotainment und Nachschlagewerk dienen. Als Lern-CD ist sie allerdings weniger geeignet, denn haeufig erscheinen die Ereignisse zusammenhanglos und werden daher nicht immer dem Anspruch des Autors gerecht, den Wunsch nach einem geeinten Europa und seine Realisierung zu veranschaulichen. Die historischen Gegebenheiten werden innerhalb eines Textes, mit Hilfe von zeitgenoessischen Bildern, Karten und Filmen praesentiert und laden nicht zum Entdecken ein. Eine Verbesserungsmoeglichkeit besteht in der naeheren Beschreibung der Bilder sowie der Einrichtung einer Zoomfunktion. Beispielsweise koennte die Rechenmaschine von Leibniz eingehender auf ihre Funktion hin beschrieben werden. Positiv zu bewerten ist die starke Verlinkung innerhalb der Texte. Um nicht die Orientierung zu verlieren, listet eine Navigationsleiste die zuletzt besuchten Seiten auf. Ueberdies erleichtern die Suchfunktion und ein Index den Zugang zu bestimmten Begriffen, Personen oder Ereignissen. Vorteilhaft ist die Unterscheidung zwischen knappen Informationen und umfangreicheren Artikeln, die durch Fettdruck besonders hervorgehoben sind. Bedauerlicherweise fehlt eine Bibliographie. Nur die einzelnen Textauszuege werden zitiert. Hilfreich waere aber eine gesonderte Auflistung aller benutzten Texte sowie die Angabe weiterfuehrender Literatur.
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May, 2000.
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