Zisterzienser. Spuren in Brandenburg. Ein interaktiver Führer durch Geschichte und Gegenwart. MultiMedia Point.
Published on H-Soz-u-Kult (February, 2000)
Die CD-ROM "Zisterzienser. Spuren in Brandenburg" erschien bereits 1998 und somit marktgerecht zum 900jaehrigen Bestehen des Ordens. Als erste und bislang einzige Veroeffentlichung in der Reihe "Geschichte Interaktiv" der multi-media-point Agentur[1] ist es laut Booklet erklaertes Ziel der CD, den Nutzer "auf unterhaltsame Weise durch die Geschichte [zu] fuehren". <p> Die CD-ROM arbeitet hauptsaechlich mit der parallelen Praesentation von kurzen Texten und Bildern, wobei der Gebrauch der Abbildungen fast ausschliesslich als illustrativ, oft leider auch als beliebig bezeichnet werden kann; dies zeigt sich u.a. in der mehrfachen Verwendung einzelner Bilder in unterschiedlichen Kontexten. Instruktive Animationen (s.u.) sind rar, die Interaktion beschraenkt sich zumeist auf die Moeglichkeit, Textverknuepfungen anzuklicken, um weitere Informationen in Wort oder Bild zu erhalten. Bei den wenigen Hoerbeispielen handelt es sich zumeist um kurze Kommentare und nur selten um Quellenbeispiele bzw. Musiksequenzen. Aergerlich sind die teilweise fehlenden oder unvollstaendigen Bildbeschriftungen, Quellenbenennungen bzw. Kennzeichnungen der Hoerbeispiele. <p> Zunaechst praesentiert sich, nach problemloser Installation und dem Eroeffnungstrailer, das klar gegliederte Hauptmenue. Von hier aus gelangt man zur "Einfuehrung in die Geschichte des Moenchtums" und--subsumiert unter der Ueberschrift "Der Orden"--zu den Hauptinhalten "Kirche im Mittelalter", "Gesellschaft im Mittelalter" und "Kloester in Brandenburg". Zusaetzlich bietet das Menue den Zugriff auf eine Hilfeoption, das Impressum sowie ein "Lexikon", dessen ca. 150 Eintraege ueber die Ausfuehrlichkeit eines Glossars oftmals leider nicht hinausgehen.[2] Die Gestaltung der CD-ROM zeichnet sich insgesamt durch eine nutzerfreundliche Uebersichtlichkeit aus, das Design vermittelt den Eindruck einer liebevoll gestalteten "Altertuemlichkeit". <p> Die "Einfuehrung in das Moenchtum" bietet eine sehr knappe, chronologische Darstellung zur Geschichte monastischer Gemeinschaften. Die einzelnen Texte koennen mittels einer sechsstufigen "Bildertreppe" aktiviert werden. Nach Anklicken der Links erscheinen zumeist leider nur Eintraege des Lexikons bzw. Bilder ohne weiteren Textkommentar. Wenn beim Begriff "Skulptur" ein Bild der Kultstaette Stonehenge gezeigt wird oder zum Hinduismus eine gerade sechszeilige Erklaerung folgt, so sind diese Stichproben beispielhaft fuer die geringe inhaltliche Qualitaet des Abschnitts. <p> Die zwei Hauptkapitel "Kirche im Mittelalter" und "Gesellschaft im Mittelalter" erschliessen sich mittels einer am linken Rand ein- und ausblendbaren Menueleiste. Ueber die dort aufgelisteten Haupt- und Unterthemen werden die entsprechenden, zumeist eine Seite umfassenden, Dokumente aktiviert. Beide Kapitel taeuschen dabei durch ihre Titel eine umfassende Komplexitaet vor, die nicht eingeloest wird.[3] Insbesondere die ausserhalb der Thematik der Zisterzienser angesiedelten Texte bieten nur die Wiedergabe von schlichten Allgemeinheiten.[4] Aber auch die Seiten zum Orden erscheinen unbefriedigend blass. Zu generell und zu kurz bleiben beispielsweise die Aussagen zur gesellschaftlichen und politischen Funktion[5] oder wirtschaftlichen Bedeutung der Kloester. Kein kritisches Wort faellt zum Mythos der zisterziensischen Kulturleistungen bzw. der Uebernahme bereits kultivierten Landbesitzes insbesondere im Zuge der sog. "Ostsiedlung"; auch die Darstellung im Kapitel "Slawen" entfernt sich nicht vom alten Klischee des einseitigen Kulturtransfers. <p> Als haette es die juengere Forschung und die grundlegende Ausstellung von 1980 nie gegeben,[6] sind die Texte in ihrer verkuerzenden Darstellung einem imaginierten Idealbild verpflichtet und nicht einer differenzierten "Wirklichkeit". Aus eben diesem Grund finden Themen wie z.B. das Verhaeltnis von Orden und Laien, die seelsorgerischen Taetigkeiten, Zisterzienserkloester als Wallfahrtsstaetten, Laienbestattungen oder das Problem weiblichen Publikums in Maennerkonventen keine Beruecksichtigung. Aehnlich holzschnittartig fallen auch die Bemerkungen zu den "mindergestellten" Konversen aus, kein Wort zu ihren leitenden Funktionen in Landwirtschaft, Handel, Verwaltung, Kirchenbau, Rechtsgeschehen etc. Diese durchgaengige Reduktion von Komplexitaet zeigt sich insbesondere in den sehr schmal geratenen Seiten zur Kunst. In einseitiger Betonung der regelgebundenen zisterziensischen Schlichtheit wird die praechtige Vielfalt gerade auch ihres mittelalterlichen Schaffens in Architektur und bildender Kunst durch Nichtbeachtung negiert, die spaetestens seit dem Ende des 12. Jahrhunderts feststellbare regionale und stiftergebundene Konzessionsbereitschaft weit weg vom Idealplan bleibt unerwaehnt. <p> Der dritte Hauptteil "Brandenburgische Kloester" erschliesst ueber eine Karte die 16 zisterziensischen Maenner- und Frauenkloester innerhalb der Grenzen des heutigen Bundeslandes.[7] In der Kopfleiste sind zu den einzelnen Beispielen die Themen "Lage", "Geschichte", "Klostergebaeude" und "Tourismus" abrufbar. Die Moeglichkeit, das Material eines Kloster kontinuierlich durchzublaettern, ist jedoch zu bevorzugen, da die gewaehlten Kategorien nicht immer konsequent eingehalten werden. Bildschirmfuellende Abbildungen, ueber die jeweils in einem zweiten Schritt die Texte geblendet werden, bestimmen das Erscheinungsbild dieses Inventars. Der Umfang des Materials zu den einzelnen Kloestern variiert sowohl hinsichtlich des Textes als auch der Abbildungen stark. Die inhaltlichen Beschraenkungen der vorgenannten zwei Kapitel werden durch Details in den Darstellungen des dritten Hauptteils partiell wieder zurueckgenommen. Leider wird jedoch weder auf der Textebene ein Zusammenhang der einzelnen Kapitel aufgezeigt, noch sind die thematischen Teile und Klosterbeispiele durch Links verbunden, so dass der Nutzer z.B. angesichts der Informationen zu den Themen "Kunst" und "Architektur" ueber die Abbildungen praechtiger Glasfenster, figurenreicher Altaere, ueppiger Grabplatten und farbiger Ausstattungen nur staunen kann. Die Verknuepfungen leisten leider auch keine Vernetzung der einzelnen Kloester untereinander, wie es z.B. im Fall gleicher Bauteile interessant waere, sondern bieten in Bild und Text zusaetzliche Informationen nur zum jeweiligen Gegenstand. <p> Die "Multimedialitaet" der vorliegenden CD-Rom kann kaum ueberzeugen, zu wenig werden die Moeglichkeiten des Mediums genutzt. Zwar gibt es einige anschauliche Animationen (z.B. sind die Taetigkeiten der Moenche und Konversen im Tagesablauf des Klosters anhand einer Uhr ablesbar, Gebaeude und Gebaeudeteile des Klosters bzw. des Klausurbereiches werden in Modellskizzen beim Anklicken der Bezeichnungen hervorgehoben,[8] die Struktur des Ordensverbandes baut sich kontinuierlich in einem Schaubild auf), von einer grossen Interaktion kann anhand der geringen Vernetzung des Inhalts jedoch nicht gesprochen werden. Wenn z.B. zu den Konversen oder dem Zinnaer Marienpsalter[9] an zwei Stellen der CD-ROM Informationen ergaenzender Art vorhanden sind, kann sich der Nutzer wegen fehlender Hinweise oder Links nur auf sein Gedaechtnis verlassen, wenn er die Inhalte zusammenfuehren will. Nicht nur in diesen Faellen macht sich das Fehlen einer Suchfunktion fuer die CD-ROM bemerkbar, denn auch die Items der Menueleisten und Kopfzeilen weisen dem Nutzer nicht immer den richtigen Weg. Aergerlich ist auch, dass auf das Lexikon nur teilweise aus den Hauptkapiteln zugegriffen werden kann, der Rueckweg sogar immer nur ueber das Hauptmenue moeglich ist. <p> Nimmt man sich das zum Kapitel "Kloester" im Booklet empfohlene "Begleitbuch"[10] zur Hand, so werden die Ursachen der bislang angefuehrten Kritikpunkte schnell evident. Bild-, Grafik- und Textmaterial dieses Buches sind in einem solchen Ausmass mit dem der CD-ROM identisch, dass man sie getrost als (schnelles) Produkt einer Zweitverwertung bezeichnen kann.[11] Dabei wurde der Textteil auf ca. 1/3 abgespeckt sowie einige wenige Abbildungen hinzugefuegt; das Zerhacken und Kuerzen der ehemals kontinuierlichen Texte fuehrt mitunter zu logischen Bruechen. Neu erstellt wurden allein das wenig ueberzeugende Kapitel zur "Geschichte des Moenchtums", das "Lexikon" sowie die touristischen Informationen zur Umgebung der Kloester. Die kaum vorhandene Vernetzung der einzelnen Kapitel, die geringe Multimedialitaet der CD-ROM und das Fehlen einer Suchfunktion ueberzeugen indes nicht von der Notwendigkeit der Uebertragung des Buchtitels auf die Scheibe. Auch das "cui bono?" des Produktes bleibt unklar. Der Historiker und Kunsthistoriker wird angesichts der inhaltlichen Schwaechen, des Fehlens von Literaturangaben und des Forschungsbezugs-- auch in schneller Form - bereits weitaus besser bedient.[12] Der interessierte Laie, dem vor allem das touristische Material geschuldet ist, bleibt bei Planung und Durchfuehrung seiner Reise vor Ort weiterhin auf Karte und Buch angewiesen, da die CD-ROM keine Moeglichkeit zum Ausdruck bereithaelt. Einen praeziseren Einblick in die Welt der Zisterzienser erlauben ihm die zahlreichen Druckerzeugnisse um das Jubilaeumsjahr 1998.[13] "Cui bono CD-ROM?" In diesem Fall--bei entsprechenden Verkaufszahlen - wohl am ehesten multi-media-point. <p> Anmerkungen: <p> [1]. http://www.multi-media-point.com. <p> [2]. Die Eintraege erweisen sich allzu oft als zu kurz bzw. unausgewogen. Ein Blick in ein allgemeines Lexikon eroeffnet zumeist weitaus mehr an Informationen und weiteren Verweisen. <p> [3]. Unter der Ueberschrift "Kirche im Mittelalter" finden sich ausschliesslich Informationen zu den Zisterziensern: "Ordensverfassung", "Persoenlichkeiten", "Ausbreitung des Ordens", Politische Funktion", Geistliches Leben" (mit "Kunst" und "Architektur"). <p> [4]. Die Oberthemen des Abschnittes "Gesellschaft im Mittelalter" heissen: "Bauern und Adel", "Grundherrschaft", "Recht", "Wirtschaft", "Brandenburg". <p> [5]. Beispielhaft zur politischen Funktion vgl. Fritz Heinrich: Zwischen Machtkalkuel und Seelenheil. Die Gruendung eines Zisterzienserklosters als Instrument der mittelalterlichen Territorialpolitik, in: Arnd Friedrich/Fritz Heinrich (Hrsg.): Die Zisterzienser und das Kloster Haina, Petersberg 1998. <p> [6]. Kaspar Elm (u.a.) (Hrsg.): Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit, Bonn 1980. Beispielhaft fuer juengere Forschungsarbeiten seien genannt die Reihe "Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser 1(1996)ff.; Wolfgang Erdmann: Zisterzienser-Abtei Chorin. Geschichte, Architektur, Kult, Froemmigkeit, Fuersten-Anspruch und -Selbstdarstellung, kloesterliches Wirtschaften sowie Wechselwirkungen zur mittelalterlichen Umwelt, Koenigstein/Taunus 1994; Ulrike Seeger: Zisterzienser und Gotikrezeption. Die Bautaetigkeit des Babenbergers Leopold VI. in Liliental und Klosterneuburg, Muenchen 1997; Michael Toepfer: Die Konversen der Zisterzienser. Untersuchungen ueber ihren Beitrag zu mittelalterlichen Bluete des Ordens, Berlin 1983. <p> [7]. Altfriedland, Boitzenburg, Chorin, Doberlug-Kirchhain, Gueldenstern (Muehlberg), Heiligengrabe, Himmelpfort, Jueterborg, Lehnin, Lindow, Marienfleiss (Stepenitz), Neuzelle, Seehausen, Zehdenick, Ziesar, Zinna. <p> [8]. Dieselben Grafiken finden auch unter den Items "Konventsgebaeude" und "Wirtschaftsgebaeude" Verwendung. Die Animation wird hier allerdings nicht ausgefuehrt (bug?), so dass eine dreifache Zuordnung von Begriff, Photo und Gebaeudeteil nicht erfolgt. <p> [9]. Zum Kloster Zinna sei auf die umfangreiche Praesentation des Museums hingewiesen unter http://www.dhm.de/museen/zinna. <p> [10]. Oliver H. Schmidt/ H. Juergen Feuerstake (Hrsg.): Zisterzienserkloester in Brandenburg. Ein kulturhistorisch-touristischer Fuehrer, Berlin 1998. (34,80 DM). Hingewiesen sei auch auf vergleichbare Konkurrenzprodukte wie Georg Bieniek: Die Zisterzienserkloester in der Mark Brandenburg, 2. Aufl. Berlin 1998 und Klaus-Martin Bresgott/Arnt Cobbers: Die Zisterzienserkloester im Land Brandenburg, Berlin 1999. <p> [11]. Herausgeber Juergen Feuerstake wird neben Carmen Sabernak im Impressum als Redakteur der CD-ROM gefuehrt, die Autoren des Buches (Stephan Worch, Oliver H. Schmidt, Stephan Warnatsch und Uta Puls) als wissenschaftliche Berater benannt. <p> [12]. Gerhard Schlegel (Hrsg.): <cite>Repertorium der Zisterzen in den Laendern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thueringen</cite>, Langwaden 1998 (Der Band bietet einen historischer Ueberblick, ein Literaturverzeichnis und ein Verzeichnis der wichtigsten Archivalien zum jeweiligen Kloster); Karla Bilang: <cite>Die Frauenkloester der Zisterzienser im Land Brandenburg</cite>, Berlin 1998. <p> [13]. Als Auswahl sei vor allem auf die anschaulichen Kataloge und Bildbaende verwiesen: Buchmalerei der Zisterzienser. Kulturelle Schaetze aus sechs Jahrhunderten. Katalog zur Ausstellung "Libri Cisterciensis" im Ordensmuseum Abtei Kamp, Stuttgart (u.a.) 1998; Ulrich Knefelkamp/ Wolfgang F. Reddig (Hrsg.): Kloester und Landschaften. Zisterzienser westlich und oestlich der Oder, Begleitband zur Ausstellung der Europa-Universitaet Viadrina Frankfurt an der Oder, Frankfurt/Oder 1999; Judith Oexle (u.a.) (Hrsg.): <cite>Zeit und Ewigkeit</cite>. 128 Tage in St. Marienstern, Ausstellungskatalog, Erste saechsische Landesausstellung, 13. Juni 1998 - 18. Oktober 1998, Halle/Saale 1998; Terryl N. Kinder, Die Welt der Zisterzienser, Wuerzburg 1997. <p>
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