Der Ton. Das Bild. Die Bayern und ihr Rundfunk. Museum f?r Post und Kommunikation.
Published on H-Soz-u-Kult (August, 1999)
Ein Medium wie der Bayerische Rundfunk thematisiert sich selbst ueber das Medium Museum. Der Anlass ist gleich ein doppelter: 75 Jahre Rundfunk in Bayern und 50 Jahre Bayerischer Rundfunk. Grund genug fuer den Sender, sich seinen HoererInnen und ZuschauerInnen einmal von einer anderen Seite zu praesentieren und sich hinter die Kulissen schauen zu lassen. In Zusammenarbeit mit dem Haus der Bayerischen Geschichte in Augsburg organisierten die Verantwortlichen des Bayerischen Rundfunks die inzwischen von Muenchen (13. April-4. Juli 1999) nach Nuernberg gewanderte Ausstellung. Allerdings koennen die Interessierten der Nuernberger Praesentation nicht, wie noch ein paar Monate zuvor die Muenchner, ihre Neugierde direkt vor Ort, d.h. im Funkhaus selber befriedigen, sondern muessen mit den Raeumlichkeiten im Museum fuer Post und Kommunikation vorlieb nehmen. <p> Aufgeteilt in sieben Raeumen durchwandert der Besucher die Geschichte des medialen Tons und Bilds. Von einem dunklen Vorraum, in dem noch Vogelstimmen und andere Naturgeraeusche zu hoeren sind und wo schemenhaft Fotos auf das letzte nicht vom Rundfunk uebertragene Grossereignis--die Revolution von 1918/19--verweisen, schreitet man in das Zeitalter der Rundfunkuebertragung, wo einem eine Stimme mit "Hier ist die Deutsche Stunde in Bayern" empfaengt. Auf einer Standtafel wird erklaert, dass im September 1922 von Robert Riemerschmid, Hermann Kloepfer, Josef Boehm und Ernst Ludwig Voss die "Deutsche Stunde in Bayern Gesellschaft fuer drahtlose Belehrung und Unterhaltung m.b.H." gegruendet wurde (eine vergroesserte Gruendungsurkunde haengt von der Wand auf den Originaltisch, an dem die vier Gesellschafter ihre Unterschrift leisteten). Im Maerz 1924 ging sie dann erstmals in Muenchen und im August des selben Jahres in Nuernberg auf Sendung. Bayern folgte so, mit nur viermonatiger Verspaetung, der Gruendung der "Deutschen Stunde" in der Reichshauptstadt Berlin, und mit dem Riemerschmidbau von 1929 (ein Foto zeigt diesen) errichtete es sich sein eigenes Funkhaus in Muenchen. <p> Technikinteressierte kommen in dieser Ausstellung voll auf ihre Kosten. Sende- , Empfangs- und Uebertragungstechnik werden anhand alter und, im hinteren Teil der Ausstellung, auch sehr moderner Unikate sichtbar gemacht. So wird z.B. ein Einroehren-Audioempfaenger mit zweistufigem Verstaerker und Trichterlautsprecher von der Firma Huth aus dem Jahre 1924 gezeigt oder verschiedene Mikrofone, u.a. ein Kondensatorenmikrofon, die sog. Neumannflasche. Modernere Radio- und Fernsehgeraete (Breitbildschirm), ein Modell einer Rakete fuer Nachrichtensatelliten sowie diverse Antennenkabel (Koaxial- und Glasfaserkabel) und Geraete zur Geraeuschimitation sind ebenfalls zu besichtigen. Daneben finden sich zahlreiche Abbildungen bayerischer Rundfunk-Persoenlichkeiten, denen in der "Hall of Fame" breite Aufmerksamkeit gewidmet wird. Reportageausschnitte von z.B. Josef Kirmaier, dem ersten Sportreporter oder dem waehrend der NS-Zeit sehr beliebten Ansager Otto Willi Gail sind auf Knopfdruck im O-Ton zu hoeren. Ein Video mit Karl Valentin und Liesl Karstadt amuesiert nicht nur den Besucher, sondern vermittelt ihm zugleich, wie damals in den Senderaeumen Hintergrundgeraeusche erzeugt wurden. Ein Exemplar des Simplicissimus von 1924 sowie eine Plakat mit einem Veranstaltungshinweis auf einen Vortrag ueber "Das Kulturproblem der Rundfunk-Musik", erinnern daran, dass das neue Medium alte Hoergewohnheiten der Menschen in Frage stellte. <p> Eine gesonderte Abteilung informiert ueber die Rolle des Rundfunks im Nationalsozialismus. Zwischen 1934 und 1945 wurde die "Deutsche Stunde in Bayern" zum "Reichssender Muenchen". Verschiedene Modelle von Volksempfaengern sind zu besichtigen, die alle die Bezeichnung VE 301 trugen, womit das Radio als Massenmedium mit dem Tag der Machtergreifung der Nationalsozialisten identifiziert wurde. Das Informationsmonopol und der Rundfunk als Propagandainstrument verbot eine Senderskala an diesen Geraeten. Wer dennoch wahrend des Krieges sog. Feindsender hoerte oder eigene Stationen baute, wurde verfolgt oder gar hingerichtet, wie einige Beispiele erlaeutern. <p> Wie der Rundfunk auch waehrend der Nachkriegszeit im Dienste der damaligen Machthaber, der Amerikaner stand, zeigen Programmplaene zur "re-education" der Bayern. Aus dem Reichssender war nun "Radio Munich" geworden. Wie die Umerziehung nicht nur ueber Bildungs- und Aufklaerungsprogramme, sondern ganz entscheidend auch ueber die Verbreitung amerikanischer Jazzmusik erfolgte, zeigt besonders eindrucksvoll eine Originalwand, deren Graffiti eine Szene aus dem amerikanischen "Penguin Club" darstellt. Dieser befand sich auf dem Gelaende des heutigen Studios Franken, wo die Wand bei Renovierungsarbeiten entdeckt wurde. Ihr historischer Wert wird ihr nach der Ausstellung einen Platz im Haus der Geschichte in Bonn sichern. <p> Am 25. Januar 1949 beginnt eine neue Aera - der Bayerische Rundfunk wird als Anstalt des oeffentlichen Rechts gegruendet, dessen 50jaehriges Bestehen mit der Ausstellung gefeiert wird. Die von den Deutschen entwickelten UKW-Sender waren eine Reaktion auf die von den Westmaechten vergebenen Sendefrequenzen auf der Kopenhagener Wellenkonferenz, die Deutschland eine vergleichsweise schlechte Wellenlaenge zugestand. Waehrend Bayern in den 1920er Jahren--innovativ--, frueh seinen eignen Rundfunksender aufbaute, bildete es in Bezug auf das Fernsehzeitalter eher das Schlusslicht in Deutschland, da es erst ab 1954 mit einem eigenem Programm in der bereits 1950 gegruendeten ARD vertreten war. Dieser technisch bedingte Makel in der glanzvoll dargestellten Geschichte des Bayerischen Rundfunks bleibt dem Besucher jedoch verborgen. Der naechste Durchbruch in der Rundfunkgeschichte, die Stereouebertragung, repraesentiert durch einen Kunstkopf fuer kopfbezogene Stereophonie, ist schon keine bayerische Besonderheit mehr. Diese praegte sich aber umso deutlicher unter der Aegide des Franz Josef Strauss aus. Denn 1972 strebte die bayerische Staatsregierung eine Aenderung des Rundfunkgesetzes an mit dem Ziel, ihre Einflussmoeglichkeiten durch eine Vergroesserung des Rundfunkrates zu staerken. Verschiedene Dokumente belegen die Aktionen der Buergerkomitees, die diesen Schachzug der CSU ablehnten und ihn durch ein Volksbegehren auch tatsaechlich rueckgaengig machen konnten. Von den uebrigen Exponaten, die den Blick auf Requisiten bekannter Fernsehsendungen des BR gestatten, wie "Meister Eder und sein Pumukel", oder auch den Besuchern ein quasi interaktives "Heiteres Beruferaten" anbieten, ist vor allem jene Abteilung besonders hervorzuheben, die den "Bayerischen Rundfunk im Wettbewerb" zeigt. Denn sie verraet, was die Verantwortlichen des Bayerischen Rundfunks neben der Anhaeufung von Jubilaeumsdaten veranlasst haben mochte, diese Ausstellung zu inszenieren. Mit dem Muenchner Kabelprojekt von 1984 wandelte sich die bayerische Rundfunkrealitaet--der BR verliert seine Monopolstellung im Freistaat. Sicherlich, so koennte man einwenden, ist das zunaechst nichts spezifisch bayerisches, zumal auch in anderen Bundeslaendern das Monopol der oeffentlich-rechtlichen Sender verloren geht. Doch kein anderes Bundesland ist so sehr auf seine Eigenart bedacht, wie Bayern--eine Eigenart, die zu pflegen sich nicht zuletzt die dort seit je allein regierende Partei der CSU zur Aufgabe gemacht hat. Mit dieser Jubilaeumsausstellung, die in ihrer Praesentation im grossen und ganzen ein gelungenes, multimediales Ereignis darstellt, das Jung und Alt gleichermassen etwas bieten kann, scheint der Bayerische Rundfunk bzw. seine Macher mit Verve um die Gunst der Besucher zu werben. Nicht umsonst proklamiert der Titel der Ausstellung, dass der Bayerische Rundfunk der Rundfunk der Bayern ist, ungeachtet der inzwischen zahlreichen anderen Privatsender. Diese Ausstellung mag eine Suche des Bayerischen Rundfunks nach dem Eigenen symbolisieren, nach dem, was gerade ihn, mehr als alle anderen Sender, in die Gunst der Hoerer und Zuschauer spielen soll. Aber warum zeigt nur der Bayerische Rundfunk seine Geschichte? Denn vor 50 Jahren (1949) wurden ja auch andere "ARD-Rundfunkanstalten von den Alliierten in deutsche Haende uebergeben".[1] <p> Vielleicht ist es diese Eigenart, die fraglich geworden ist. Was nun aber dieses Bayerische ist, auf das der Sender so stolz zu sein scheint, bleibt unklar. Im Zeitalter der Europaeisierung und Globalisierung beschreitet Bayern bewusst den Weg der Regionalisierung. Dennoch wird diese bayerische Eigenart in seiner Inszenierung wohl mehr zum Projekt denn zum Faktum. Und das mediale Bemuehen um Volksmusik und Kommoedienstadl, um das Baeuerliche und Echte, kurzum um Mundart und Lederhosn, mag in sich selbst bereits ein Zeichen fuer eine Musealisierung einer wie auch immer gearteten Eigenart sein. Aber es gibt diese Identifikation von Zuhoerer und Zuschauer mit ihrem Rundfunk, wie ich aus Bemerkungen anderer Besucher der Ausstellung entnehmen konnte. Obwohl sich die Ausstellung vorwiegend an die Bayern wendet, ist sie doch auch fuer Nicht-Bayern zu empfehlen, da diese dort vieles wiederfinden, was sie aus ARD-Sendungen kennen oder was einfach allgemeine deutsche oder Technikgeschichte widerspiegelt. <p> Fuehrungen und Veranstaltungen <p> Wer nicht die Zeit hat, die Ausstellung genau zu betrachten, aber dennoch einen Ueberblick ueber die Geschichte des Bayerischen Rundfunks erhalten will, dem bietet eine ca. einstuendige, von einem kompetenten Mitglied des Ausstellungsteams angebotene, kostenlose Fuehrung eine fundierte Zusammenfassung des ansonsten doch mehrere Stunden dauernden Rundgangs. Fuer Kinder werden waehrend der Ferien diverse Workshops, z.B. "Radio machen", angeboten und fuer Schulklassen besondere Fuehrungen organisiert. <p> Internetpraesentation <p> Fuer Interessierte, die die Ausstellung in Nuernberg nicht besuchen koennen, haben die Mitarbeiter des HDBG und des BR eine ebenfalls sehr gelungene, virtuelle Praesentation auf ihre webpage (http://www.bayern.de/HDBG/75jahre.htm und http://www.br-online.de) gelegt. Dort finden sich nicht nur viele Abbildungen der in der realen Ausstellung gezeigten Gegenstaende, sondern der websurfer hat auch hier die Gelegenheit--sofern die technischen Voraussetzungen gegeben sind--sich die Radiostimmen im O-Ton anzuhoeren. <p> Katalog <p> Unbedingt empfehlenswert ist der von Margot Hamm u.a. herausgegebene und aeusserst preisguenstige Ausstellungskatalog "Der Ton. Das Bild. Die Bayern und ihr Rundfunk 1924-1949-1999". Nach Geleitworten von Albert Scharf, dem Intendanten des Bayerischen Rundfunks, und Claus Grimm, dem Direktor des HDBG, finden sich darin ueber vierzig Beitraege zu Themen wie "Ein Massenmedium in Staat und Gesellschaft", "Geschichte des Rundfunks in Bayern", "Der BR und sein Programm" und "Der Bayerische Rundfunk und sein Publikum". Den offiziellen Charakter dieses Katalogs unterstreichen die Beitraege des Intendanten ueber "Dienst an der Gesellschaft. 50 Jahre Bayerischer Rundfunk - Eine Geschichte mit Zukunft" und die Darstellungen ueber die Hoerfunk- und Fernsehprogramme der BR-Direktoren Thomas Gruber und Gerhard Fuchs.[2] Insgesamt eine sehr nuetzliche, gut bebilderte, mit Graphiken und einer detaillierten Chronologie versehene Festschrift fuer den Bayerischen Rundfunk. <p> Anmerkungen <p> [1]. Walter Roller in seiner Besprechung von "Radiozeiten. 50 Jahre Bayerischer Rundfunk" Rundfunk und Geschichte 25 (1999), S. 172-173. <p> [2]. Siehe Ansgar Dillers ausfuehrlichere Rezension dieses Ausstellungsbandes in: Rundfunk und Geschichte 25 (1999), S. 171-72.
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H-Soz-u-Kult, H-Net Reviews.
August, 1999.
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