Retrospect 1999. Die umfassende Chronik des 20. Jahrhunderts auf CD-ROM. Digital Publishing.
Published on H-Soz-u-Kult (June, 1999)
Das aus 6 CDs bestehende interaktive historische Nachschlagewerk ist geordnet in 21 strukturierte Themenfuehrungen (Dokumentationen). Diese Herzstuecke fuehren mit insgesamt ueber vier Stunden Film und Sprecherkommentar sowie linkreichen Textseiten in zentrale Themenbereiche der deutschen Geschichte und internationalen Entwicklung des 20. Jahrhunderts ein. Erfolgreiche historische Fernsehdokumentationen der letzten Jahre haben hier sichtlich Pate gestanden. Beginnen kann der Benutzer mit jeder CD-ROM. Aufgrund der neuen Technologie SmartCD ist es moeglich, auf allen CDs den gesamten Inhalt zu recherchieren. Das Programm fordert lediglich hin und wieder auf, eine andere CD einzulegen, wenn ein bestimmtes Film- oder Tondokument angesehen werden soll. Ausserdem gibt es eine Chronik der Jahre von 1900 bis 1998, ein vernetztes Lexikon mit ueber 200.000 Querverweisen und Stichwoertern sowie einer Suchmaschine, ein Archiv als eine elektronische Bibliothek mit einigen tausend Eintraegen von historischen Tondokumentn (12 Stunden) und zeitgenoessischen Filmdokumenten (etwa 3 Stunden), Diashows, Dokumenten, Reden und Gesetzestexten, ein Glossar mit rund 1.500 Kurzbiographien und weiteren Sacheintraegen in einer alphabetischen Liste. Damit kann man ueber einen Begriff oder eine Person in die Fuelle der verfuegbaren Themen einsteigen. Das Ganze wird auf ueber 20.000 Bildschirmseiten mit 10.200 Abbildungen, Karten und Illustrationen praesentiert. In der Begleitbroschuere werden verstaendlich, knapp und uebersichtlich der Aufbau, die Bedienung und die Installation erlaeutert. Angaben ueber die Autoren, ueber die Kriterien von Aufbau und Auswahl der historischen Dokumentation, vor allem auch ueber ihre Quellen und Herkunftsorte fehlen leider. So gilt es, dem versammelten historischen und technischen Sachverstand zu vertrauen und sich auf die Zeitreise durch das 20. Jahrhundert einzulassen. <p> Diese eindrucksvolle Bilanz einer der bisher umfassendsten interaktiven zeitgeschichtlichen Dokumentationen verspricht nach Aussage der Werbebroschuere zum Gesamtprogramm von "digital publishing", die dabei mit Spiegel Online kooperieren, sehr viel. Danach liegt mit dem vorliegenden Werk das "ultimative Lexikon des 20. Jahrhunderts" vor, "vollstaendig wie eine Enzyklopaedie, geordnet wie eine Chronik, dramatisch wie ein Film, vor allem mit allen Vorteilen eines interaktiven Mediums: Da bleiben keine Fragen offen." Diese hohen Ansprueche sind nun zu ueberpruefen. Die grosse Anzahl an verknuepften Informationen und Daten und ihre Praesentation erfordert eine etwas ausfuehrlichere Besprechung. <p> 1. Benutzerfreundlichkeit und Bedienungsprobleme <p> Wie sehen nun zunaechst der Einstieg und die Bedienung aus? Die Systemvoraussetzungen sind Microsoft Windows 3.x, 95, 98, MS Windows NT 4.0. Fuer ein problemloses Arbeiten sind die heutigen Standard-PC ausreichend ausgeruestet. Die Angaben bei den Systemvoraussetzungen mit 8 MB RAM erscheinen ziemlich niedrig. Daher werden 16 MB empfohlen. Ausserdem werden eine Windows-kompatible Soundkarte und Lautsprecher (oder Kopfhoerer) benoetigt, eine Bildschirmaufloesung 800x600 bei 256 Farben und natuerlich ein CD-ROM-Laufwerk. <p> Gut gefaellt, dass keine Installationsprozedur unter Windows 95/NT notwendig ist. Die Installation unter Windows 3.1 beinhaltet lediglich das Anlegen eines Symbols auf der Oberflaeche. Hierdurch werden verwaiste DLL's und "Datenmuell" auf der Festplatte vermieden. Das Anlegen eines Icons auf dem Desktop unter Windows 95/NT erfolgt nicht. Hier waere es schoen, wenn beschrieben waere, wie das Programm auch ohne die Autostartfunktion durch das CD-ROM-Laufwerk zu starten ist. Bleibt die CD-Rom nach Benutzung im Laufwerk, startet nach dem naechsten Start des PCs das Programm natuerlich nicht von allein. <p> Die Oberflaeche wirkt auf den ersten Blick aufgeraeumt und uebersichtlich. Doch bei der Navigation am Bildschirm fallen einige Probleme auf, die zunehmend Verwirrung stiften koennen. Kommen dann noch bewegtes Bild und Ton dazu, ist der Benutzer hin und her gerissen zwischen der beeindruckenden Informationsfuelle, der Buntheit und den vielen Verweisen und Abzweigungen, die sich ihm auf dem Bildschirm bieten, sowie dem Beduerfnis nach systematischer aufbauender Suche. Ist das Medium also doch mehr oft zufaellig verknuepftes Wissensspiel im Meer der zusammengetragenen historischen Informationen und Edutainment als systematische und geleitete Wissensvermittlung? Solche Gedanken kommen dem Fachhistoriker, je laenger er den CDs inhaltlichen Nutzen fuer sich zu entlocken sucht. Aber dann gibt es ja auch noch Glossare, ein biographisches Lexikon und eine elektronische Bibliothek mit Quellen. Hier werden vielleicht weitergehende fachliche Ansprueche befriedigt. Doch dazu im Zusammenhang mit dem Adressatenkreis unten mehr. <p> Welche Irritationen in der Benutzung treten nun auf? Zwischen den im Startbild erscheinenden Bildern am unteren Bildschirmrand--diese zeigen die in der jeweiligen CD-ROM enthaltenen drei bis vier Dokumentationen--kann mittels eines Mausklicks gewaehlt werden. Wenn der Cursor zwischen zwei Bildern steht, kann man ebenfalls waehlen. Dies bedeutet jedoch, dass der Anwender nicht genau weiss, welche der beiden Dokumentationen, zwischen denen er mit der Maus steht, ausgewaehlt wird. Hier waere eine deutlichere Unterscheidung mittels Umblendung des Mauszeigers von der Hand in einen ueblichen Mauszeiger guenstig. Gemaess den geltenden Standards sollte die Hand nur erscheinen, wenn diese auf eine der Bildbeschriftungen trifft. Eine weitere Moeglichkeit der genauen Unterscheidung liegt in der Umfaerbung der Bildunterschriften. <p> Beim Aufruf einer der Punkte vor einer blauen Weltkugel am Sternenhorizont--"Dokumentationen--Chronik--Glossar-- Archiv--Suche"--in der Mitte des Bildschirms springt der Cursor nach oben auf den Punkt "Retrospect" (in einer schwach erkennbaren Leiste), und es oeffnet sich das dazugehoerige Untermenue. Es besteht aus folgenden Punkten: Dokumentationen, Suche, Biographien/Glossar, Archiv, Chronik und Beenden. Tippt der Cursor an einen dieser Punkte, oeffnet sich das naechste Fenster mit den entsprechenden Informationen und Weiterverweisen. Diese Bewegung der Maus ist ziemlich gewoehnungsbeduerftig, da ein Eingreifen des Anwenders waehrend der automatischen Mausfuehrung bewirkt, dass der entsprechende Punkt eben nicht zur Auswahl kommt. Schoener waere es gewesen, wenn das entsprechende Untermenue an der Position, an der die Maus sich beim Aufruf des entsprechenden Punktes befindet, aufklappen wuerde. Ueber das Feld Bearbeiten in der Menueleiste am oberen Bildschirmrand ist es dann auch moeglich, aufgerufene Felder auszudrucken oder zu kopieren und somit weiterzuverwerten. <p> Das staendige Auf- und Zuscrollen der Menues in den Folgebildschirmen--sofern sich der Cursor ueber einem der Menuepunkte bewegt--wirkt aeusserst stoerend und auch ablenkend. Ein Anklicken auf den gewuenschten Menuepunkt ist sicherlich nicht weiter aufwendig und wuerde das staendige Scrollen ueber den Bildschirm unterbinden. Nach dem Aufruf einer der angebotenen Punkte auf der Startseite besteht lediglich ueber den Menuepunkt "Retrospect-- Startseite" die Moeglichkeit der Rueckkehr zum Einstiegsbild (Startbild). <p> Wenn man sich in einem der Folgebildschirme befindet, kann man in den Leisten ueber die mit gelb unterlegten Woerter auf entsprechende Querverweise gehen, sich biographische Informationen im Glossar holen oder im Archiv Dokumente suchen. Es gibt auch noch blaue Unterstreichungen fuer den Einstieg in einen Themenkreis und gruene Hintergruende fuer Hintergrundinformationen. Wem das kompliziert und verwirrend vorkommt, hat dasselbe Bedienungsproblem wie der Rezensent. <p> Leider muss anschliessend immer wieder ueber den Punkt "Retrospect--Verlauf" gegangen werden, um auf bereits besuchte Seiten zurueckzukehren. Waehlt man den Punkt "Retrospect--Startseite" kommt man an den Anfang der Dokumentation. Hier waeren kleine Icons auf dem Schirm, mit deren Hilfe man entsprechend blaettern koennte, schoener. Doch bei laengerer Benutzung merkt man rasch, dass es besser ist, zunaechst in den Feldern Dokumentation oder Chronik zu bleiben, als zuviel hin und her zu springen, da man sich sonst festhaengt oder nicht wieder zurueckfindet. <p> Da die Anzahl der Querverweise ueberaus gross und verwirrend ist, waere es je nachdem, auf welchen Benutzerkreis gezielt wird, gut, wenn der Anwender ein eigenes Profil von sich mit auf den Weg geben koennte. Hierbei wuerde es ausreichen, dem Anwender dadurch die Moeglichkeit zu geben, die Tiefe der Querverweise mitzubestimmen. Fuer Personen, die sich lediglich sehr knapp ueber bestimmte Zusammenhaenge informieren moechten, sind fuer den tatsaechlichen Einblick und das Verstaendnis nicht alle Informationen und beim Mauskontakt aufblendende Texte vonnoeten. <p> Wie sollte sich nun der Benutzer verhalten, um nicht gleich nach wenigen Minuten ganz den Ueberblick in der Informations-, Bild- und Tonfuelle und den Moeglichkeiten des Nachschlagens zu verlieren? Er bleibt am besten entweder innerhalb der 21 Dokumentationen oder in der Chronik von 1900 bis 1998. Die nach Jahreszahlen geordnete Chronikleiste am unteren Rand bietet darueber fuenf Leisten zu den Themen Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Katastrophen und Kriege, in denen dann ueber Bilder einzelne Abschnitte oder Ereignisse aus den Dokumentationen abgerufen werden koennen. <p> 2. Inhaltliche Gliederung und Maengel <p> Welche Themen werden nun in den Dokumentationen behandelt, die aehnlich wie 10- bis 15minuetige Fernsehdokumentationen funktionieren? Die Felder auf CD 1 lauten: "Anbruch des Jahrhunderts", "Bankrott der alten Welt", "Zwischen den Kriegen", "Das rote Imperium"; auf CD 2: "Im Schatten der Diktatoren", "An der Schwelle zum Krieg", "Der Zweite Weltkrieg"; CD 3: "Auftakt zum Kalten Krieg", "Aufbruch im Reich der Mitte", "Zwei deutsche Staaten"; CD 4: "Abtritt der Kolonialmaechte", "Wettruesten und Entspannung", "Erdbeben, Fluten, Abstuerze"; CD 5: "Krisenherd Indochina", "Von Adenauer zu Kohl", "Pulverfass Nahost", "Gesellschaft im Wandel" und auf CD 6: "Europaeische Einigung", "Umbruch im Osten", "Vereinigtes Deutschland" und "Die 90er: Neue Weltordnung?" <p> Bei der Ansicht saemtlicher Film- und Ton-Dokumentationen im Test auf drei verschiedenen PCs trat ein schwerwiegendes technisches Problem bei drei Dokumentationen auf den Rezensions-CDs auf, und zwar immer in den Dokumentationen "Bankrott der alten Welt" und "Das rote Imperium" auf CD 1 und "Europaeische Einigung" auf CD 6. Sie blieben frueher oder spaeter an einer bestimmten Stelle haengen. Dabei liess sich keine Fortsetzung der Filmsequenzen oder ein Zurueck bewerkstelligen. So fehlen die Ton-/Filmdokumente z.B. zu den Einzelthemen "Roemische Vertraege 1957" und "Maastricht 1992" ganz. Das Thema der europaeischen Einigung ist damit nur sehr lueckenhaft zugaenglich. Das ist aber insofern nicht verwunderlich, da im ganzen der Bezug zur deutschen Geschichte stark ueberwiegt, wenn auch ein Bemuehen um globale Bezuege erkennbar ist. <p> Sehr ansprechend sind die ausgewaehlten historischen Film- und Tondokumente, deren Auswahlkriterien allerdings leider nirgendwo erlaeutert oder begruendet werden. Dabei sind dem Rezensenten einige rare und schoene Beispiele aufgefallen, die hier exemplarisch fuer diese besonders erfreuliche Seite des angezeigten interaktiven Mediums erwaehnt werden sollen. So findet sich eine Rede Breitscheids zum deutschen Voelkerbundbeitritt von 1927, eine Rundfunkreportage zum Unglueck des Zeppelins "Hindenburg" am 6.5.1937, de Gaulles deutsche Ansprache in Ludwigsburg am 9.9.1962. In diesen auf einem kleinen Fenster weitestgehend ansprechend und verstaendlich wiedergegebenen zeitgenoessischen Ton- und Filmdokumenten liegt ein aehnlich hoher Reiz wie im Gebrauchswert der umfangreichen Quellendokumentation (vor allem der Reden und Gesetze) im Archiv. Zum Ersten Weltkrieg hingegen gibt es keine Ton- oder Filmdokumente, sondern nur eine Textauswahl von Barbusse, Dorgeles und Remarque. Ueber die Gruende dieser beschraenkten Auswahl kann der Leser hier ebenso nur spekulieren wie ueber die in anderen Faellen durchaus gelungene Auswahl von Filmdokumenten--so zum Umbruch 1989. <p> In der historischen Information ueberwiegen die Jahrzehnte bis um 1960 eindeutig, waehrend es dann vor allem im Glossar immer duenner wird. Die Chronik endet mit dem 27.9.1998, dem "Ende der Aera Kohl". Wenn de Gaulle als "Frankreichs bedeutendster Politiker des 20. Jahrhunderts" bewertet und mehrfach erwaehnt wird, so laesst sich darueber eventuell noch Einigkeit erzielen. Doch muss deshalb Mitterand in einer Chronik des 20. Jahrhunderts ganz fehlen, waehrend der franzoesische Praesident Millerand immerhin vorkommt? Im Detail der Texte--vor allem des Glossars--fallen eine ganze Reihe kleinerer oder groesserer Fehler und Luecken auf. So war Paul Loebe nie Reichskanzler, und der irritierte Leser fragt sich, was unter der Ueberschrift "Katholische Parteien loesen sich auf (1933)" ausser einer durcheinandergeratenen Chronologie die DNVP und die "Deutsche Staatspartei unter (sic!) Theodor Heuss" zu suchen haben. Hier waere noch eine ganze Reihe von sachlichen Korrekturen angebracht, die in dem technisch anspruchsvollen und aufwendigen Unternehmen wohl am Ende unter den Tisch gefallen sind. Leider schraenken die Sachfehler aber den Wert fuer eine fachwissenschaftliche Benutzung stark ein. <p> Schliesslich ein typisches Beispiel fuer den inhaltlichen Aufbau einer Dokumentation, der nicht immer sehr tief geht. Unter "Gesellschaft im Wandel" verbergen sich folgende Stichpunkte mit einer 1968 einsetzenden Zeitleiste: Martin Luther King und die Gleichberechtigung der Schwarzen in den USA, Geschlechterfrage (seit Jahrhundertbeginn!), Studentenrevolte (Paris und Bundesrepublik Deutschland), Buergerbewegungen der 70er Jahre (Anti-Atomkraftbewegung, Brokdorf-Demo 1976), ,neokonservative Wende' seit Ende der 70er Jahre (Thatcher, Reagan, Kohl), oekologische Protestbewegungen in den 80er Jahren (Greenpeace; Brent Spar 1995), Umweltpolitik in den 90er Jahren. Hier wird nichts historisch vertieft oder gar problematisiert (ausser dem Punkt der Frauenbewegung). Hingegen wird alles etwas angetippt. <p> 3. Benutzerkreis und Brauchbarkeit fuer den Historiker <p> Schon die wenigen inhaltlichen Hinweise sollten deutlich gemacht haben, dass es sich bei dieser CD-ROM-Sammlung nicht um ein wissenschaftlichen Zwecken dienliches Arbeitsinstrument handelt. Dafuer ist es zu lueckenhaft, enthaelt noch zu viele Sachfehler und ist in seinen Auswahlkriterien weder theoretisch noch methodisch begruendet, so schoen und originell auch fuer den Kenner der eine oder andere Einzelfund der Bild-, Ton- und Textquellen sein mag. Nuetzlich sind im beschraenkten Sinne einer Kurzinformation die vielen Personen- und Sachglossare, auch die zahlreichen Textdokumente, die sich im Archiv verbergen. Allerdings gibt es dazu zuverlaessige gedruckte Hilfsmittel und in letzter Zeit auch immer mehr elektronische Nachschlagemoeglichkeiten. <p> Besonderen Reiz gewinnt das Ganze eigentlich vor allem durch die Verknuepfungsmoeglichkeit der verschiedenen Medien. Die Zielgruppe wird bewusst offengehalten, um ein moeglichst grosses Kaeuferpotential anzulocken. Als Arbeitsinstrument fuer den Fachhistoriker, vor allem den Zeithistoriker, taugt es weniger. Wer historische Unterhaltung sucht, die auch Vertiefungsmoeglichkeiten bietet, und ein eher enzyklopaedisch veranlagter Anhaenger neuer Medien ist, scheint der ideale Ansprechpartner fuer diese CD-ROM-Sammlung zu sein. Fuer ihn lohnt sich die Anschaffung. Der Rezensent muss zugeben, dass ihm die vielen interaktiven Moeglichkeiten vor allem damit Spass bereitet haben, dass sich von Bekanntem aus leicht vielfache historische Verknuepfungen zu weiteren Informationen, zu zeitlichen und geographischen Assoziationen und weniger Bekanntem ergeben. Dabei vergeht leicht eine Stunde des Stoeberns und der Ablenkung, auch des Aergers ueber fehlende Informationen oder des Nachsinnens, warum nun dies Ereignis vorkommt und ein anderes fehlt. Doch wem passiert dies bei der Lektuere nicht auch? <p> Der Sinn einer solchen interaktiven Datenaufbereitung liegt wohl in erster Linie darin, ein sehr allgemein geschichtlich am 20. Jahrhundert interessiertes oder neugieriges (junges?) Publikum mit einfachen Sachverhalten und Grundinformationen zum Weltgeschehen im 20. Jahrhundert vertraut zu machen. Wer von den interaktiven Moeglichkeiten der CD-ROMS (immer noch?) fasziniert ist, wird mit Hilfe dieser eindrucksvoll gestalteten und umfangreichen Kompaktsammlung bis auf einige kleine technische Maengel und eine Reihe von Detailfehlern gut bedient. Bilder, Filme, Toene und viele Texte und Detailinformationen aus dem 20. Jahrhundert finden sich hier wie in einem Kaleidoskop zusammengestellt. Das Spielerische und das Zufallsprinzip draengen sich hier auf. Mancher wird vielleicht nach einigen Stunden etwas mitgenommen haben ueber zeitgeschichtliche Themen. Schueler koennen sich hier Stoff fuer Referate zusammensuchen und mancher Student einen ersten optisch ansprechenden Einstieg in eine Thematik finden. Die bunte Abwechslung von Bild, Ton, Text und Tausenden eigenen Recherchemoeglichkeiten ermuedet vielleicht weniger schnell als andere traditionelle Vermittlungsformen von Geschichte. <p> Damit steht das Medium durchaus in der Mitte zwischen Film und Fernsehen, Textdokumentationen und Nachschlagewerken. Es kann darueber hinaus dank der vielen - allerdings auch ablenkenden - Links und Verknuepfungen moeglicherweise auch zum Auffinden von thematischen Querverbindungen, zu historischen Assoziationen und zu weiterer vertiefender Informationsrecherche veranlassen. Das sind Hoffnungen. Doch welche Informationen in der Art dieser Praesentation und Aufbereitung wie und bei wem haengenbleiben, ist ein ganz anderes Problem dieser jungen Gattung. <p> Ich kann mir gut vorstellen, dass diese neue Praesentationsform bei manchem Geschichtsinteressierten, der vom problem- und strukturorientierten Geschichtsunterricht gelangweilt oder ueberfordert ist, ein neues Interesse an Zeitgeschichte weckt. Neugierig geworden, beginnt er vielleicht eine eigenstaendige Beschaeftigung mit historischen Themen und sucht nach weiterfuehrenden Informationen in Bibliotheken, Datenbanken und Internet. Vielleicht stoesst dieser muendige historisch Interessierte dann auch auf Abweichungen, Probleme, Kontroversen und Widersprueche der Zeitgeschichte, die ihm diese CD-ROM-Edition noch vorenthalten hat. Dann beginnt aber erst das eigentlich aufregende Erlebnis Zeitgeschichte, das eben nicht nur aus bunten Filmen, Toenen, Glossaren und Daten des Gestrigen besteht. Assoziationsmoeglichkeiten bietet ihm diese insoweit gelungene CD-ROM-Edition dazu in reicher Auswahl.
If there is additional discussion of this review, you may access it through the network, at: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/.
Citation:
Review of , Retrospect 1999. Die umfassende Chronik des 20. Jahrhunderts auf CD-ROM.
H-Soz-u-Kult, H-Net Reviews.
June, 1999.
URL: http://www.h-net.org/reviews/showrev.php?id=14897
Copyright © 1999 by H-Net, Clio-online, and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact H-SOZ-U-KULT@H-NET.MSU.EDU.