1848. Politik, Propaganda, Information und Unterhaltung aus der Drucker Presse. Deutschen Historischen Museums in Berlin.
Published on H-Soz-u-Kult (December, 1998)
Die CD-ROM mit Druckschriften und Karikaturen aus der Zeit der Revolution von 1848/49 ist bereits die zwoelfte in dem grossangelegten Projekt DISKUS, Digitales InformationsSystem fuer Kunst- und Sozialgeschichte. Das Bildarchiv Foto Marburg hat mit Unterstuetzung der Volkswagen-Stiftung eine einheitliche Software entwickelt, so dass derjenige, der mit einer DISKUS-CD-ROM gearbeitet hat, auch die anderen problemlos benutzen kann[1] Zunaechst soll der Inhalt kurz beschrieben werden, dann die Form der Katalogisierung mit ICONCLASS. Abschliessend werden praktische Beispiele fuer Forschung und Lehre gegeben. <p> Das Deutschen Historischen Museum (DHM) hat einen umfangreichen Bestand an Druckschriften und Karikaturen aus der Zeit der Revolution von 1848/49, wovon etwa 2.000 Maueranschlaege, Flugblaetter, Flugschriften, Zeitungen und Lithographien ausgewaehlt wurden. Waehrend die Karikaturen aus dem ganzen deutschen Sprachraum kommen, stammen die laengeren Texte (Zeitungsseiten oder Flugblaetter) vorwiegend aus Preussen und OEsterreich. Zunaechst stellt sich die Frage nach der Repraesentativitaet des vorhandenen Materials. Ein Vergleich mit dem Ausstellungskatalog "1848. Aufbruch zur Freiheit"[2] zeigt, dass nicht alle fuer die Ausstellung aus dem DHM ausgeliehenen Drucke auf der CD-ROM vorhanden sind. Das ist merkwuerdig, da bei der Konzeption der Ausstellung auf eine repraesentative Auswahl Wert gelegt worden sein duerfte. Andererseits findet man Stuecke aller bekannten Drucker von Karikaturen auch auf der CD-ROM.[3] Da die CD-ROM nicht alle relevanten Drucke des DHM enthaelt, handelt es sich also nur mit Einschraenkungen um ein Findbuch. Wenn man einen Druck auf der CD wiederfindet, so erspart man sich aber unter Umstaenden einen vergeblichen Besuch des DHM. <p> Jede Abbildung ist durch ein Datenblatt erschlossen. Man kann nach Objekten, Themen, Personen, Ort und Zeit suchen. Hinter den Objekt verbirgt sich die Gattung des Druckes, z.B. sind 762 Anschlagblaetter zu finden oder 485 Karikaturen. Das Stichwortverzeichnis erlaubt eine Recherche in allen Erlaeuterungstexten der Bilder. Der Menuepunkt "Themen" verweist auf die Stichwoerter, die zu jedem Bild vergeben sind. Leider ist keine Referenzierung vorgesehen, d.h. wenn man ein Bild mit der Thematik "schlechte Regierung" (44 B 62) gefunden hat, kann man auf dem Datenblatt nicht zu weiteren Bildern dieser Thematik gelangen. Im Menue "Suche-- ICONCLASS" muss man die Klassifikation erneut eintippen und findet dann zwei weitere Karikaturen. Man wundert sich allerdings, dass es so wenige sind--bei einer Sammlung von etwa 2000 Dokumenten ist mehr zu erwarten und so ist zu vermuten, dass manche Karikatur zum Thema ohne die passende Klassifikation geblieben ist. <p> Die Expertensuche, die im Suchmenue erreichbar ist, wird nicht erlaeutert; hier waeren Beispiele sinnvoll; z.B. verbirgt sich hinter Feld 2950 die Inventarnummer; damit koennen Drucke aufgesucht werden, deren Dokumentnummer z.B. durch eine andere, vorliegende Publikation bekannt ist. Die Felder des umfangreichen Datensatzes zu jeder Abbildung entsprechen MIDAS, dem Marburger Informations-, Dokumentations und Administrationssystem. Die einzelnen Felder in der MIDAS-Datenbank[4] erlaeutert ausfuehrlich ein Buch, das man gern als Datei auf der CD-ROM sehen wuerde.[5] Die MIDAS-Klassifikation mag Kunsthistorikern vertraut sein, Historiker haben damit vermutlich seltener zu tun, wenn auch die Interpretation von Bildquellen laengst zum Repertoire gehoert.[6] <p> Ein entscheidendes Kriterium fuer die Beurteilung einer CD-ROM mit Bildmaterial ist die Qualitaet der Bilder. Es muss in jedem Fall gewaehrleistet sein, dass man Details erkennen und vor allem auch Beschriftungen und Texte jeglicher Art lesen kann. Die Abbildungen auf der CD liegen in komprimierter Form vor. Da nach Aussagen der Hersteller etwa 2000 Bilder enthalten sind, hat jedes Bild etwa 250 KB Speicherplatz zu Verfuegung. Das muesste an und fuer sich genuegen, doch da alle Abbildungen, die ueber 1000x1000 Bildpunkte aufweisen, in 16.000 Farben abgespeichert wurden, ist wertvoller Speicherplatz verschwendet worden. Im Klartext: Die Karikaturen, Flugblaetter etc., die ueberwiegend einfarbig sind, sind so gescannt worden, dass man einen hervorragenden Eindruck von dem inzwischen stark vergilbten Papier erhaelt, aber Schwierigkeiten hat, die Beschriftungen und den Text ueberhaupt zu lesen. Diese Manko ist umso groesser, da keine Transkription der enthaltenen Texte vorgenommen wurde. Die vielen Zeitungsseiten (es sind ueber 200 enthalten) sind nur schwer lesbar.[7] Die Vergroesserungsfunktion der Software zeigt eindeutig, dass eine zu starke Komprimierung angewendet wurde. Hilfsweise kann man die jeweiligen Seiten in ein Bildverarbeitungsprogramm exportieren und die Seite heller ausdrucken. Wenn ein guter Laserdrucker (ab 600 dpi) zur Verfuegung steht, kann man die Texte besser als am Bildschirm entziffern. Die mitgelieferte Software selbst enthaelt nur zwei Bildverarbeitungsfunktionen (Aenderung der Bildorientierung und Scharf- bzw. Weichzeichnen), so dass man anderweitig ein Programm beschaffen muss (z.B. Paintshop oder Photopaint).[8] <p> Ein Beispiel zeigt die Grenzen der Bildqualitaet: Zu Friedrich Hecker findet man ueber das Stichwortverzeichnis vier Drucke (die geringe Zahl ist durch den Schwerpunkt Preussen / Oesterreich im Bereich der Druckschriften zu erklaeren). Darunter befindet sich auch das "Guckkastenlied von grossen Hecker", ein Liedtext von Karl Gottfried Nadler, der nur mit Muehe zu entziffern ist. UEber Nadler selbst erfahren wir einiges: <p> Karl Gottfried Nadler (Schmitt, Johann [Spielmann bei den Hessen]) (Advokat [1834]) anderer Beruf: Jurist, Dichter geboren: 1809.09.19, Heidelberg; gestorben:1849.08.26, Baden, Grossherzogtum; taetig 1848 in Heidelberg: 1848 Dichter in Heidelberg Literatur: ADB , XXIII, 209 <p> Zu Hecker selbst erfahren wir nur, dass es sich bei dem mit Figuren geschmueckten Druck um eine fiktive Szene handelt, die auf den Badener Aufstand von 1848 Bezug nimmt.[9] Eine Umschrift des Liedtextes ist, wie gesagt, nicht enthalten. Die Verweise aus dem ICONCLASS-System erlauben theoretisch, weitere thematisch aehnliche Stuecke zu finden, doch unter dem CONCLASS Eintrag "61 (Badener Aufstand)" gibt es keine anderen Stuecke. Die Deutung der Szene und des Textes bleibt dem Benutzer ueberlassen.[10] Damit ist der Adressatenkreis klar: die CD-ROM richtet sich vor allem an diejenigen, die Vorkenntnisse haben und denen Fachliteratur zur Verfuegung steht; viele der enthaltenen Abbildungen und Drucke enthalten Literaturverweise, v.a. auf Ausstellungskataloge und Monographien. <p> Der Einsatz der CD-ROM in der Lehre wird dadurch erleichtert, dass man die Software direkt von der CD-ROM starten kann. So erspart man sich Komplikationen bei der Installation, die leider haeufig zu beobachten sind.[11] Die CD kann hervorragend illustrieren, welch vielfaeltigen Nutzen die Revolution von 1848 aus den Moeglichkeiten der schnellen Verbreitung von Drucken gezogen hat. Die herangezogenen Gattungen sind repraesentativ: Zeitungen, Anschlaege, Flugblaetter aller Art, auch Karikaturen, die teilweise bereits farbig waren. Alles in allem haben wir eine Sammlung von Bildquellen vor uns, die ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhaeltnis bietet. Wem die Bildqualitaet nicht genuegt, der wird nach wie vor den Weg in das Museum selbst antreten muessen. <p> Anmerkungen: <p> [1]. Vgl. die Aufzaehlung auf der Homepage http://fotomr.uni-marburg.de/. Rezensionen einzelner dieser CD-ROMs liegen in den Informationsmitteln fuer Bibliotheken (IfB) online vor: http://www.swbv.uni-konstanz.de/depot/media/3400000/3421000/3421308/3421308/97 1_181v.html (Allgemeines), http://www.swbv.uni-konstanz.de/depot/media /3400000/3421000/3421308k.html (DISKUS 7), http://www.swbv.uni-konstanz.de/depot/media /3400000/3421000/3421308k.html (DISKUS 6). <p> [2]. Eine Ausstellung des DHM und der Schirn Kunsthalle Frankfurt, 18. Mai - 18. September 1998 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt, hrsg. von Lothar Gall, Berlin 1998. <p> [3]. Vgl. etwa die Arbeit von Sylvia Wolf: Politische Karikaturen in Deutschland 1848/49, Mittenwald 1982, die Frankfurter und Rez. CD-ROM: Sehlmeyer ueber "1848. Politik, Propaganda..." (fwd) Muenchener Archive ausgewertet hat. [4] Eine Kumulation der bisher erfassten Bilder liegt auf CD-ROM vor (Bilder nur in Auswahl): Marburger Index Datenbank auf CD-ROM, Berlin (K.G. Saur), <p> [4]. Ausgabe 1998 (Preis: 2480,- DM, 3 CD-ROMs). Vgl. die Rez. der 2. Ausgabe: Angelka Karasch, IfB 97-1/2-166, http://www.swbv.uni-konstanz.de/depot/dokersch/3400000/3421000/3421308k.html. <p> [5]. Lutz Heusinger: MIDAS: Handbuch, Muenchen 31994 (593 S., K.G. Saur, 148,- DM). <p> [6]. Als einfuehrende Texte vgl. A.E. Imhof, Im Bildersaal der Geschichte oder Ein Historiker schaut Bilder an, Muenchen 1991; G. Jaritz, Zwischen Augenblick und Ewigkeit. Einfuehrung in die Alltagsgeschichte des Mittelalters, Wien-Koeln 1989. Von A.E. Imhof und seinen Schuelern liegen auch schon etliche CD-ROMs vor (Anm. 10). <p> [7]. Man vergleiche etwa die Verordnung des Generals von Wrangel vom 12. November 1848 auf der CD-ROM (schlechte Qualitaet) und dagegen die gute Abbildung im Katalog (Anm. 2) S. 352. <p> [8]. Einen anderen Weg gehen die vom Max-Planck-Institut fuer die Geschichte (MPIG) betreuten Projekte. Die von Manfred Thaller fuer historische Zwecke entwickelte Public-Domain-Datenbank kleio enthaelt eine grosse Zahl von Bildverarbeitungsfunktionen. Derzeit werden allerdings auch Ueberlegungen angestellt, Daten ueber Internet anzubieten und dann ggf. in kleio weiterzuverarbeiten: Vom digitalen Archiv zur digitalen Edition, hrsg. MPIG / Stadtarchiv Duderstadt, Goettingen 1998 (CD-ROM mit Broschuere, hrsg. von H.-H. Ebeling, H.-R. Fricke, P. Hoheisel, M. Rehbein, M. Thaller). <p> [9]. Der in Anm. 2 erwaehnte Ausstellungskatalog hingegen vermittelt einen konkreteren Eindruck, vgl. die Abbildungen S. 150-54 mit praegnanten Kurzerlaeuterungen. <p> [10]. Hier sind die CD-ROMs von Arthur Imhof u. Schuelern ueberlegen, die auch den allgemeingebildeten Laien ansprechen sollen: Die Kunst des Sterbens. Wie unsere Vorfahren sterben lernten, Stuttgart 1998 (Hirzel); Quellenbasis sind Totenbuecher; Das prekaere Leben. Leben, Not und Sterben auf Votivtafeln, Stuttgart 1998 (Hirzel); Die vier Jahreszeiten. Nach einer Bildfolge von Joos de Momper--1615--in Geschichte, Meteorologie, Astronomie und Musik, erhaeltlich bei der Dt. Meteorologischen Gesellschaft. Vgl. dazu http://userpage.fu-berlin.de/~aeimhof/mmzeit/einstieg.htm. Eine von Imhof betreute Magisterarbeit zeigt eindrucksvoll die Perspektiven: Benjamin-Mathis Ohloff: Die Votivtafeln von Sammarei als historische Quelle, Berlin 1998 (online vorhanden: http://tthist.zedat.fu-berlin.de/ivs/defaultnc.asp). <p> [11]. Vgl. die Rez. CD-ROM: Sehlmeyer ueber "1848. Politik, Propaganda..." (fwd) Rezension der Historischen Bibliographie von Christian Ritzi, IfB 97-3/4-404; http:// www.swbv.uni-konstanz.de/depot/dokersch/3400000/3421000/3421308k.html.
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Citation:
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H-Soz-u-Kult, H-Net Reviews.
December, 1998.
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