Internationaler Biographischer Index / World Biographical Index. K.G. Saur.
Published on H-Soz-u-Kult (November, 1998)
Biographische Nachschlagewerke unterschiedlichster Art stellen fuer viele Historiker ein unverzichtbares Arbeitsinstrument dar. Vor allem dann, wenn nicht nur Daten zu einzelnen Personen ueberprueft werden muessen, sondern wenn umfassendere prosopographische Auswertungen die Grundlage historischer Studien bilden. Daher war es zu begruessen, dass vor knapp zwei Jahrzehnten der K.G. Saur-Verlag in Muenchen, mittlerweile Teil der grossen, internationalen Reed Elsevier Group, damit begann, sogenannte Biographische Archive als Mikrofiche-Ausgabe aufzulegen. Viele Historiker werden dieses Hilfsmittel kennen und vielleicht auch regelmaessig nutzen. Fuer diejenigen, die damit noch nicht gearbeitet haben, sei kurz erlaeutert, was darunter zu verstehen ist. <p> Ein "Biographisches Archiv" ist nichts anderes als eine Kumulation vorhandener gedruckter biographischer Lexika zu Personen bestimmter Laender. So wurden zum Beispiel fuer das "Deutsche Biographische Archiv", das seit 1982 als erstes in dieser Art publiziert worden war, 264 biographische Sammelwerke ausgewertet, die einzelnen Artikel auf Mikrofiches kopiert und jeweils unter einer Person zusammengefuehrt. Dazu wurde ein gedruckter Index erstellt, der die Personennamen mit Lebensdaten und Angabe des Berufs auffuehrte und der direkt auf den jeweiligen Mikrofiche verwies, welcher die kumulierten Artikel aus den gedruckten Lexika enthielt. Man musste damit nicht mehr muehsam nacheinander neben der ADB (Allgemeine Deutsche Biographie) weitere spezielle biographische Nachschlagewerke--diese bilden das Gros der 264 ausgwerteten Werke -, durchsuchen, wie, um nur zwei beliebige Beispiele zu nennen, "Das gelehrte Schwaben" von Johann Jacob Gradmann[1] oder das "Allgemeine Gelehrten-Lexicon" von Christian Gottlieb Joecher,[2] um alle publizierten Artikel zu einer Person lesen zu koennen, sondern hatte diese zusammen auf einem Mikrofiche. Aufgrund des Urheberrechts konnten zunaechst nur aeltere, mittlerweile urheberrechtsfreie Lexika, die somit in der Regel vor 1900 erschienen waren, in das Biographische Archiv integriert werden. <p> Nach der Publikation des Deutschen Biographischen Archivs begann der Saur- Verlag die biographischen Nachschlagewerke weitere Laender und Regionen nach derselben Methode zu kumulieren. Mittlerweile existieren folgende Biographischen Archive: <p> - American Biographical Archive I and II <br>- Archives Biographiques Francaises I et II <br> - Archivio Biografico Italiano I e II <br> - Archivo Biografico de Espana, Portugal e Iberoamerica I e II <br> - Australasian Biographical Archive <br> - Biografisch Archief van de Benelux <br>- British Biographical Archive I <br> - Deutsches Biographisches Archiv I <br> - Scandinavian Biographical Archive <p> Die Archive II, die fuer Amerika, Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und Iberoamerika existieren, umfassen neuere Lexika, die im 20. Jahrhundert veroeffentlicht wurden. Diese biographischen Archive enthalten mithin auch Daten zu Personen der Zeitgeschichte, anders als zum Beispiel das Deutsche Biographische Archiv. <p> 1995 legte der Saur-Verlag eine Kumulation aller Indices der jeweiligen Biographischen Archive auf CD-ROM auf. Dieses Jahr ist die vierte, aktualisierte Ausgabe erschienen, unter dem Titel "Internationaler Biographischer Index / World Biographical Index", welcher biographische Kurzinformationen zu ueber 2 Millionen Personen, die in Nord- und Suedamerika, in Europa und im australasiatischen Raum wirkten. Insgesamt werden, wie der Hilfetext der CD-ROM erlaeutert, damit fast 3.200 Quellenwerke, also biographische Nachschlagewerke, erschlossen. Zugleich existiert seit diesem Jahr auch ein freier [!] Zugriff auf diese Datenbank ueber das Web, welchen die Universitaetsbibliothek Braunschweig in Kooperation mit dem Verlag anbietet. Die CD-ROM selbst kostet DM 1.980,-, der Zugriff auf die Web-Version ist--derzeit zumindest--kostenfrei. Daher liegt es nahe, beide Versionen vergleichend zu rezensieren. <p> Die CD-ROM laeuft laut Angabe des Herstellers der Retrievalsoftware, der Firma Lasec, ab MS-DOS 5.0 oder ab Windows 3.1, also auch noch auf schon etwas aelteren Rechnern. Getestet wurde das Rezensionsexemplar auf einem Pentium-PC unter Windows95, auf dem sowohl die Installation als auch die Anwendungssoftware ohne jede technische Probleme lief. Nach dem Aufruf der Anwendung erscheint eine windowstypische Menueleiste und ein Suchfenster mit Eingabefelder fuer die verschiedenen Suchkategorien. Neben der Direkteingabe von Suchbegriffen kann auch ueber ein Indexfenster in den jeweiligen Registern der Datenbank gesucht werden. Suchergebnisse werden in jeweils eigenen Fenstern angezeigt, also zunaechst bei mehreren Treffern ein Fenster mit den Kurztiteln, danach ein neues Fenster mit den jeweils vollstaendigen Angaben zu einer Person. Das mag fuer den Anfaenger zunaechst etwas verwirrend sein, wer jedoch Erfahrung mit Windows- Applikationen und mit CD-ROM-Retrievalsoftware hat und darueber hinaus bereit ist, sich eine Viertelstunde Zeit zu nehmen, um den einfuehrenden Hilfetext zu lesen, duerfte eigentlich kaum Probleme bei der Benutzung der CD-ROM haben. Zu diesen Grundfunktionen kommen, mittlerweile fast Standard fuer eine Retrievalsoftware, die Moeglichkeit der Expertensuche, also der direkten Formulierung von Recherchefragen unter Verwendung der internen Feldbezeichnungen, sowie Druck- und Downloadmoeglichkeiten. Wer die CD-ROM privat erworben hat--angesichts des Preises freilich eher die Ausnahme--und nicht ueber eine Fach- oder Universitaetsbibliothek nutzt, kann auch direkt zu einzelnen Datensaetzen Notizen anlegen und fuer eine spaetere Verwendung speichern. <p> Das einzige Handicap bei der ersten Benutzung der Datenbank duerfte fuer den unerfahrenen Rechercheur das Problem der Namensansetzung sein. Wer "Jacob Burckhardt" oder "Burckhardt, Jakob" sucht, wird zunaechst nichts finden. Wer dagegen eingibt "Burckhardt Jakob Christoph" wird mit einem Treffer belohnt, der eben genau zu dem Basler Kulturhistoriker fuehrt, den man gemeinhin kennt. So zu suchen, wird einem Historiker natuerlich nicht auf Anhieb einfallen, wer allerdings seine Suche ueber die Indexsuche beginnt, wird in der Regel ohne Probleme seine gesuchten Personen finden. Anders als die Voreinstellung der Software es anbietet, sollte der Einstieg ueber den Index, also die Register der Datenbank zu den einzelnen Suchkategorien, fuer den gelegentlichen Nutzer die erste Wahl sein. Dann findet man auch auf einen Schlag unterschiedliche Namensetzungen, wie zum Beispiel bei Martin Luther, zu dem es auch unter Martin Lutero (Beruf: Reformista religioso) noch einen Eintrag gibt. Die fuenf Treffer, die man bei dieser Recherche erhaelt, lassen zugleich auch erkennen, dass fuer die Datenbank wohl die Indizes einzelner Biographischer Archive zusammengefuehrt, aber Mehrfacheintragungen nicht auf eine normierte Ansetzung zurueckgefuehrt wurden. Die Suchbarkeit des Index wird dadurch in der Praxis freilich kaum beeintraechtigt. <p> Doch welche Suchmoeglichkeiten bietet denn nun die CD-ROM im einzelnen? Zunaechst kann natuerlich nach Personennamen gesucht werden, sodann koennen als weitere Suchkriterien eingegeben werden: Geschlecht, Erwaehnungsjahr, Geburtsjahr, Sterbejahr, Beruf, Berufscode, Archiv (Beschraenkung der Suche auf eines der oben angegebenen Biographischen Archive), Quelle (Beschraenkung der Suche auf ein bestimmtes, ausgewertetes biographisches Nachschlagewerk) und Land, wobei diese Kategorie nur einen Teil der englischsprachigen Archive erfasst. Interessant fuer den Historiker, der mehr aus der Datenbank herausholen will, als sie als Einstieg zu den Mikrofiche-Archiven zu nutzen, kann die Auswertung der Kategorie der Berufsgruppe sein. Zusammen mit der Einschraenkung ueber die Jahre, wobei man je nach erwuenschter Praezision mit dem Erwaehnungsjahr oder einer Kombination von Geburts- und Sterbejahr arbeiten kann, lassen sich so biographische Listen zu bestimmten Berufen, nach Wunsch auch noch geschlechtsspezifisch getrennt, fuer beliebige Epochen und Zeitraeume zusammenstellen. Mit der Eingrenzung ueber ein bestimmtes Biographisches Archiv koennen auch noch einzelne Laender oder Regionen selektiert werden. <p> Wer zum Beispiel nach Druckern im 16. und 17. Jahrhundert sucht, wird in der Datenbank bei entsprechender Selektion 3.515 Eintraege finden (unter Nutzung des etwas ungenaueren Erwaehnungsjahrs, was auch zur Nennung von Personen fuehrt, die noch 1699 geboren wurden oder 1501 gestorben waren). Schraenkt man die Suche auf das Deutsche Biographische Archiv ein, bleiben noch 861 Drucker ueber, von denen wiederum 12 weiblich waren. Bei derartigen Recherchen zeigt sich der spezifische Vorteil der CD-ROM gegenueber den gedruckten Indices, die derartige Suchen mit einem akzeptablen Aufwand nicht erlauben. Und es wird augenfaellig unterstrichen, dass die CD-ROM dem Historiker neue, bis dato so nicht vorhandene Arbeitsmoeglichkeiten an die Hand gibt. <p> Dabei darf man freilich auch die Grenzen der Datenbank nicht uebersehen. Wer, um bei dem Beispiel der Drucker zu bleiben, das einschlaegige Verzeichnis von Josef Benzing zum 16. und 17. Jahrhundert zur Hand nimmt,[3] welches fast 3.000 Drucker im deutschen Sprachraum umfasst, wird sofort die Grenzen der aus dem Index selektierten Liste erkennen. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass fuer die Archive jeweils nur aeltere und eher allgemeine Nachschlagewerke ausgewertet wurden und dass vor allem auch alle Angaben ueber Berufe direkt aus den vorliegenden Artikeln genommen wurden. Der Koelner Drucker Johann Wilhelm Friessem II (1668-1700), Nachfolger der Offizin seines gleichnamigen Vaters, wird--um nur ein Beispiel zu nennen--im Index als Buchhaendler gefuehrt. Nur ueber eine Kombination beider Berufsgruppen, zu der man zudem noch Verleger hinzunehmen muesste, kommt man auf immerhin 978 Nennungen fuer das 16. und 17. Jahrhundert in Deutschland. Je spezieller die Fragestellung wird, umso deutlicher wird man die Grenzen des Index' zur Kenntnis nehmen muessen. Fuer allgemeinere Recherchen bleibt er indes, vor allem auch aufgrund der Einfachheit der Recherche, ein ueberaus interessantes Arbeitsinstrument fuer den prosopographisch arbeitenden Historiker. <p> Lohnt es sich aber nun die CD-ROM zu erwerben, wo es, derzeit zumindest, einen kostenfreien Web-Zugang gibt? Dazu muss man zunaechst einmal pruefen, welche Moeglichkeiten der Zugriff auf den Index ueber den Webserver der UB Braunschweig bietet (Adresse: http://www.biblio.tu-bs.de/acwww25u/wbi/). Auf den ersten Blick scheint die Recherche ueber das Web-Interface sogar einfacher zu sein. Es gibt sowohl die Moeglichkeit der Direkteingabe als auch des Blaetterns in dem Register der Personennamen. Nach der Recherche erhaelt man eine einfache Kurzanzeige und auf einer Seite dann alle Angaben zur Person mit Angabe der jeweils ausgewerteten biographischen Nachschlagewerke. Das ist einfach und uebersichtlicher als die CD-ROM-Retrievalsoftware. Auf den zweiten Blick werden indes einige gravierende Einschraenkungen deutlich. So bietet die Web-Site nicht alle Suchmoeglichkeiten. Sie beschraenkt sich auf den Namen der Personen, die Berufsgruppe sowie Geburts-, Sterbe- und Erwaehnungsjahr. Darueber hinaus ist es nicht moeglich, allein nach Berufsgruppen zu suchen. Die Datenbank akzeptiert nur Anfragen, die eine mindestens vierstellige Angabe im Suchfeld "Person" enthalten. <p> Damit ist klar, dass der Web-Zugang nur dann nutzbar ist, wenn man nach einzelnen Personen sucht und die Fundstellen fuer die Mikrofiches benoetigt oder rudimentaere Angaben zu den Lebensdaten. Ansonsten ist die CD-ROM mit ihren erweiterten Suchmoeglichkeiten unverzichtbar. Und diese bietet wiederum, trotz der genannten Grenzen der Datenbank, durchaus interessante Suchmoeglichkeiten fuer Historiker, welche zu nutzen sich lohnen duerfte. <p> Anmerkungen: <p> [1]. Johann Jacob Gradmann: Das gelehrte Schwaben oder Lexicon der jetzt lebenden Schriftsteller, Ravensburg 1802. <p> [2]. Christian Gottlieb Joecher: Allgemeines Gelehrten-Lexicon, Bde. 1-4, Leipzig 1750-1751. <p> [3]. Josef Benzing: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet (= Beitraege zum Buch- und Bibliothekswesen, Bd. 12) 2. verb. und erg. Aufl., Wiesbaden 1982. <p>
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Citation:
Review of , Internationaler Biographischer Index / World Biographical Index.
H-Soz-u-Kult, H-Net Reviews.
November, 1998.
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