
Falk Eisermann, Eva Schlotheuber, Volker Honemann, eds. Studien und Texte zur literarischen und materiellen Kultur der FrauenklÖ¶ster im spÖ¤ten Mittelalter: Ergebnisse eines ArbeitsgesprÖ¤chs in der Herzog August Bibliothek WolfenbÖ¼ttel, 24-26 Februar 1999. Leiden: Brill, 2004. 414 pp. $188.00 (cloth), ISBN 978-90-04-13862-9.
Reviewed by Frederik Felskau (Independent Scholar [Cologne])
Published on H-German (October, 2005)
In Zeiten eines sich beschleunigenden Literaturbetriebes darf man es zunächst bedauern, daß der zu besprechende Band erst ein halbes Jahrzehnt nach der Wolfenbütteler Tagung über die literarische und materielle Literatur der Frauenklöster erschienen ist, aus welcher er hervorging. Schon deshalb wird man hinsichtlich der in den elf Beiträgen behandelten Themen mittlerweile manche Bearbeitung erwarten dürfen, auf die nur einige Autoren offenbar noch eingehen konnten und die auch hier nur ausnahmsweise zitiert werden soll. Zudem ließen sich aus unterschiedlichen Gründen, wie die Herausgeber einleitend bemerken, nicht alle Tagungsvorträge aufnehmen, ja die frühneuzeitliche Sektion mußte gänzlich ausgeklammert werden, weshalb die Aufsätze zu den Bereichen Raummerkmale, Lebensgestaltung sowie Bibliothekswesen lediglich die Zeit des 13. bis 15. Jahrhunderts abdecken (S. xiii). Wenn der Band ungeachtet der Einschränkungen als ausgesprochen instruktiv und von anhaltendem Gewinn für die Forschung gelten darf, dann hat das nicht allein mit der Edition einiger bislang unzureichend erschlossener Texte oder vernachlässigten Forschungsrichtungen zu tun, sondern verdankt sich nicht zuletzt der grundsoliden Bearbeitung der jeweiligen Gegenstände.
Jeffrey Hamburgers durch viele Abbildungen veranschaulichter, kunsthistorischer Beitrag mit dem Titel "Am Anfang war das Bild: Kunst und Frauenspiritualität im Spätmittelalter" stellt eine geringfügig überarbeitete Version der Einführung seiner 1998 veröffentlichten Studie dar (S. 1-43).[1] Die forschungsgeschichtlichen Einlassungen des Autors, in denen er moderne, aus der Geschlechterskepsis des 18. und 19. Jahrhunderts gespeiste Rezeptionsweisen der spätmittelalterlichen Frauenspiritualität in ihren sinnlichen wie körperlichen Ausdrucksformen Revue passieren lässt, lesen sich als eine lehrreiche Zwischenbilanz der Forschung selbst, die, wie der üppige, mithin nur eine Orientierungshilfe bietende Anmerkungsapparat verdeutlicht, in ihrer ganzen Richtungsvielfalt, von der feministischen Wissenschaft, den gender studies bis hin zu Studien über ästhetische oder sensitive Wahrnehmungsmodi im Mittelalter, einbezogen wird. Hamburgers Ansatz, mittels der diskutierten Andachtsbilder "den Spannungen zwischen den Begriffspaaren Latein und Volkssprache, Geist und Fleisch, Wort und Körper nachzugehen" und sie "als dynamische Teilnehmer an Debatten unter den Gemeinschaften zu interpretieren", entpuppt sich noch dann als fruchtbar, wenn man der gelehrigen Zuspitzung der imago als Quelle erster Rangordnung für die Einsicht in das Sensuelle und Spirituelle der Mystikerinnen und Visionärinnen, Nonnen und Christusbrüßte nicht unbedingt teilen will (S. 24). Am Beispiel Gertruds von Helfta, genauer des ihr zugeschriebenen Legatus divinae pietatis, beschreibt er die Verknüpfung von affektiver Frömmigkeit und biblischem Prototyp, macht er den Vorrang des Bildes nicht nur als Vergegenwärtigung Gottes gemäß biblischem Diktum, sondern auch in Bezug auf die sich zunehmend sinnlich artikulierende Gotteserfahrung fest (S. 29). Der Autor problematisiert in nuce die Entstehungsbedingungen der unterschiedlichen Räumen und Zeiten entnommenen Illuminationen und bildnerischen Werke, indem er am Ende der cura monialium einen formativen Einfluß auf die Herstellung seelsorglicher Literatur und Bildprogramme konstatiert (S. 21).[2] Sucht man dann einen systematischeren Zugang zu der auszulotenden "Dissonanz zwischen den Nonnen und ihren Ratgebern" und eine tiefere Erörterung der Quellen in ihrer Repräsentationskraft und ihren jeweiligen Rezeptionsgehalten, ist man wiederum auf die eingangs zitierte Studie des Autors verwiesen.
Margit Mersch gelangt in ihrem Aufsatz über die "Gehäuse der Frömmigkeit ?" Zuhause der Nonnen. Zur Geschichte der Klausurgebäude zisterziensischer Frauenklöster im 13. Jahrhundert" unter Einbezug normativer Quellen und Prozessionsbeschreibungen zu durchaus neuen Akzenten in der Bewertung zisterziensischer Architektur in den frühen Frauenklöstern des Ordens, wobei sie sich vor allem auf Brenkhausen konzentriert und vergleichend Marienstern und Heiligenkreuztal in den Blick nimmt (S. 45-102). Es ist nicht nur ihrer Redlichkeit zuzuschreiben, wenn sie die Erkenntnisgrenzen der methodischen Ansätze und hilfswissenschaftlichen Instrumente zur Klärung der traditionell kontrovers diskutierten Frage nach Funktionalität und Kreativität zisterziensischer Klosterbauten aufzeigt.[3] Indem sie die Verwendung zahlreicher Gebäudeteile wie des Bibliothekraums (S. 79), der Kerkerzelle (S. 83f.) und des Kapitelsaals (S. 91) ergebnisoffen diskutiert, bietet sie ein gelungenes Beispiel bedachter Hypothesenbildung, die sich nicht in Forschungsspekulationen verlieren will. Die wesentliche Erkenntnis, die Mersch unter Einschluß prozessionaler Informationen zieht, liegt jedoch in der Beobachtung, die Raumfolge in den untersuchten Frauenklöstern habe sich auffallend eng an der des "Ersten Ordens" orientiert, wobei sie verblüffende Parallelen vornehmlich zum Loccumer Kloster herausarbeitet (S. 96, 98). Auch wenn Bezüge zur Formsprache burgundischer Einrichtungen nur angedeutet bleiben (S. 101), liefert die Autorin tragende Bausteine für eine vertiefende Diskussion über die Zisterzienserinnen-Architektur im 13. Jahrhundert und gibt fruchtbare Anregungen zu weitergehenden Fragestellungen, die etwa das Verhältnis zwischen architektonischer Planung und institutioneller Zuordnung noch weiter problematisieren können.
Annette Kern-Stähler wertet in ihrem kurzen Beitrag "Zur Klausur von Nonnen in englischen Frauenklöstern des späten Mittelalters: Die Lincolner Visitation Returns 1429-1449" mit den bischöflichen Visitationsprotokollen eine für die Beziehungen der Frauenklöster zur Außenwelt äußerst aufschlussreiche Quellensorte aus (S. 103-118).[4] Trotz der Qualität ihres Materials gelingt es der Autorin jedoch nur in Ansätzen, selbige für die Thematik gewinnbringend aufzuschließen. Dies liegt weniger an manch sprachlicher Redundanz, mit der sie etwa dem Leser die gattungstypologischen Merkmale der detecta und comperta (S. 105, 107, 114) mehrmals erläutert. In erster Linie dürfte es dem generischen Zugriff zuzuschreiben sein, mit dem sie, ungeachtet selbstverständlicher Unterschiede in den Klausurvorschriften, Männer- und Frauenklöster miteinander vergleicht (S. 109). Immerhin wird die angelsächsische Forschung mit ihren grundlegenden Einsichten zur Beziehung zwischen Raumgefüge und sozialer Formation und ihrer kategorialen Unterscheidung in active und passive cloisters einbezogen (S. 108). Eine komparative Analyse ausschließlich der Frauenklöster hätte gleichwohl zu weniger naheliegenden Schlußfolgerungen führen können. Mit Hinweisen auf Potentiale der Desintegration, zu denen Individualisierungstrends, die als "Einschließung in der Einschließung" gelesen werden (S. 115), und familiae-Bildungen (S. 112, 114) zählen, spricht die Autorin am Ende Prozesse an, die, so zentral sie für das Verständnis der spätmittelalterlichen Klöster sind, einer zeitlich breiteren Quellenbasis bedürfen--und sich ohnehin anschaulicher an der einzelnen Anstalt als durch eine generische Betrachtung beschreiben ließen.
Falk Eisermann, bereits bekannt durch seine Arbeiten zu Einblatt- und frühen Buchdrucken,[5] trägt mit "Carissima soror Agnes. Zur Rezeption einer päpstlichen Simonie-Konstitution in spätmittelalterlichen Frauenklöstern. Mit Edition" aufgrund der editorischen Leistung zu den Verdiensten des Bandes bei (S. 119-167). Der von ihm herausgegebene, gegen 1410 im volkssprachlichen Deutsch verfasste und in drei Handschriften überlieferte Sendbrief mit seinem im Titel übernommenen Initium beinhaltet neben der päpstlichen Konstitution Ne in vinea domini (4.4.1369), in der Urban V. den simonistischen Gewohnheiten unter Prälaten, Kapiteln und Konventen den Kampf ansagte, auch ausführlichere Erläuterungen und Kommentierungen. Nach Präliminarien zu Stoßrichtung, Verbreitung und Aufnahme der Konstitution (S. 123-130) beschäftigt sich Eisermann näher mit der Traditionsgeschichte des Briefes, wobei er sie den reformerischen Kreisen der Dominikaner und Zisterzienser zuordnen kann, dabei jedoch eine mögliche Autorschaft Johannes Niders überzeugend zurückweisend (S. 130-135). Wesentlich kenntnisfördernder als die gattungstypologische Verortung des Textes zwischen ordensrechtlichem und epistolarem Schriftgut (S. 139-141) fällt die Besprechung seines Inhalts aus, die leider etwas knapp gerät (S. 137-139). Denn was der anonyme Prediger den Schwestern des wegen Simonie gebannten Klosters darlegt, wirft allemal ein Schlaglicht auf zentrale Zusammenhänge zwischen Klausurverletzung, Novizinnenaufnahme und klösterlicher Wirtschaftsführung, die so manch einer synthetischen Abhandlung entgehen. Hier und an den nicht weniger bemerkenswerten Auslassungen des Verfassers des Briefes über Devotion und Vision, Askese und Gottesdienst lassen sich Gestaltungs- und Wahrnehmungsmuster spätmittelalterlicher weiblicher Klosterexistenz ablesen, die die Edition (S. 144-167) zu einer ergiebigen Fundgrube der interessierten Forschung macht.
Eva Schlotheuber beschäftigt sich in ihrem Beitrag "Ebstorf und seine Schülerinnen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts" (S. 169-221) mit ähnlichen Fragestellungen, wie sie sie in ihrer fast parallel erschienenen Habilitationsschrift über die Zisterzienserinnen von Heilig-Kreuz verfolgt hat, nämlich mit der Bildung und Ausbildung der Benediktinerinnen, die sich in diesem Fall aber die durch die Priorin Mechthild von Niendorf vorangetriebenen Reformphase in Ebstorf seit den 1470er Jahren betreffen.[6] Nach Erläuterungen zum Kloster und seiner Bibliothek (S. 170-174, 174-179), widmet sich Schlotheuber dem Aspekt der lateinischen Bildung der Schwestern (S. 178-192), wobei sie auf das breitere Material ihres Habilitationsprojektes zurückgreift. Ihre zentrale These lautet, ungeachtet des generellen Bemühens der Bursfelder Kongregation um eine Hebung der klösterlichen Lateinkenntnisse habe sich in einer Reihe norddeutscher Frauenklöster eine im Vergleich zu süddeutschen Anstalten ungebrochenere Tradition des Lateinunterrichts halten können (S. 190). Zur Erhärtung der indizienhaft und deshalb vorsichtig vorgetragenen Zwischenbilanz bedürfe es allerdings, wie sie selbst einräumt, einer umfassenderen Diskussion der heranzuziehenden Quellentypen (normativ/pädagogisch/narrativ) und ihrer Verwendbarkeit, um zu abgesicherten Aussagen hinsichtlich individueller oder allgemeiner Sprachstände zu gelangen. Mit den im Anschluß besprochenen "tagebuchartigen Notizen" und dictamina der Klosterschülerinnen aus der Ebstorfer Bibliothek (S. 192-205) hat Schlotheuber dann aber eine faszinierende Quelle zur Hand, die einen lebendigen Einblick in deren Alltags- und Ausbildungswelt gewährt. Während die erstgenannte Textgruppe eher ungelenk, fehlerhaft und vom übungscharakter geprägt sei, folgten die Aufsätze in ihrer Struktur erkennbar dem Stufenmodell geistiger Reflektion, also der lectio, meditatio und oratio, wie es unter anderem in der Vita Christi Ludolfs von Sachsen angelegt sei (S. 202f.). Dies nimmt die Autorin zum Anlaß, breiter über Normierungstendenzen im Rahmen der geistigen Meditation als Instrument zur Bewältigung des klösterlichen Alltags im Reformumfeld nachzudenken (S. 205-220). Angesichts der Beobachtung, daß meditative Strukturen und Inhalte bereits durch die hoch- und spätmittelalterlichen Theologen weitgehend abgesteckt gewesen seien, bleibt am Ende der Synthese nur die Feststellung, das Neue gebe sich eher in den allgemeinen, von Geistlichen wie Laien akzeptierten und übernommenen Gebrauchsformen zu erkennen (S. 218). Weiter holen die abschließenden Bemerkungen aus, wenn sie den Zusammenbruch einer verinnerlichten, meditativen Gotteserfahrung im klösterlichen Raum nicht allein Luthers Kirchenkritik anrechnen wollen, sondern in dem unauflösbaren, das Individuum letzten Endes überfordernden Spannungsgefüge zwischen sponsa Christi und den realen Lebensumständen begründet sehen (S. 219f.). Kurzatmiger fällt dagegen Schlotheubers auf der Notiz einer Klosterschülerin fußender Nachtrag aus (S. 221), der jedoch auf ein nicht weniger Aufmerksamkeit verdienendes Moment hinlenkt, und zwar auf die sich die im Zuge der Normierung unweigerlich verstärkenden Tendenzen zur Perfektion und sozialer Konkurrenz. Bei diesen Dynamiken handelt es sich beileibe nicht bloß um Zeichen menschlicher Schwäche, sondern um Grundprobleme der Organisation jedweder, insonderheit religiöser Gemeinschaft.
Eine weitere Edition hat Volker Honemann in seinem Aufsatz "Eine niederdeutsche Drittordensregel für Tertiarinnen aus Münster" beigesteuert (S. 223-242). Sie zeichnet sich schon deshalb aus, weil es sich bei der Quelle um die älteste überlieferte niederdeutsche Fassung des Regelwerkes handelt. Aufgrund der naheliegenden Verwendung in einem Tertiarinnenkloster, der ostfälischen Schreibsprache der Handschrift und endlich eines Vergleiches mit dem so genannten Schöppinger Missale kommt Honeman zu dem Schluß, die Anfertigung sei wahrscheinlich als eine von den Münsteraner Fraterherren ausgeführte Auftragsarbeit aus dem zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts zu bestimmen (S. 226-230). Nach der Edition des Textes (S. 230-239), die nur ausnahmsweise auf die lateinische Vorlage eingeht, nimmt er dessen Einordnung in den Kontext der übrigen deutschsprachigen Überlieferungen des Regulariums vor, das auf Nikolaus' IV. Bulle Supra montem (1289) zurückgeht (S. 239-242). Dabei stützt er sich vornehmlich auf die Editionen Deglers (Solothurn, Freiburg), Birlingers (Reutlingen), Stammlers (Rostock) und Müller-Ravensburgs (Indersdorf), zeigt aber zugleich durch die zahlreichen, im Apparat untergebrachten Fragen, wie viel noch zu leisten ist, um die Traditionsgeschichte der volkssprachlichen Drittordensregeln im germanischen Sprachraum umfassend zu erschließen. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist jedenfalls getan.
Peter Schmidt beweist in seinem Beitrag "Kleben statt malen: Handschriftenillumination im Augustiner-Chorfrauenstift Inzigkofen" (S. 243-283), wie lohnend Provenienzforschung und kodikologische Analysen sein können, um zu Aufschlüssen über Produktionsbedingungen von Texten und literarischen Verbindungen eines Klosters zu gelangen.[7] In diesem Fall steht eine von der Priorin Anna Jäck des angezeigten Stiftes 1449 kopierte Vita Christi im Mittelpunkt, das erst wenige Jahre zuvor, 1430, die Reformstatuten der Pillenreuther Chorfrauen übernommen hatte (S. 270). Ausgehend von einer im frühen Holzschnitt angefertigten und in zwei Exemplaren erhaltenen Verkündigungsdarstellung, die er der Inzigkofener Kommunität zuschreibt (S. 243-254), beschäftigt er sich eingehender mit den insgesamt 45, größtenteils später abgetrennten und weit verstreuten Miniaturen und Holzschnitten des Christuslebens, zu denen sie gehören. Dabei kann er die These revidieren, bei dem Text handele sich um die Abschrift des Christuslebens Ludolfs von Sachsen, von dem schon die Rede war, indem er ihn als eine Fassung der Vita Christi ausweist, die Michael de Massa 1337 anfertigte und deren oberdeutsche Überlieferung in der Literatur als "Leben Jesu der Schwester Regula" geführt wird (S. 260, 266). Stilsicher und fundiert beleuchtet er die von der Priorin aufgewandte Sorgfalt, mit der sie anhand einer notwendig vorhandenen zweiten Vorlage Textkorrekturen (S. 268) einflocht, hebt er die von ihr nicht gescheuten Mühen hervor, mit denen sie über die Einfügung der Illustrationen das intendierte Ziel des Erbauungstextes, die memoria passionis zu veranschaulichen, vorbildlich und tadellos umzusetzen trachtete (S. 273), und beschreibt er die Handschrift als eindrückliches wie exzeptionelles Bestandteil einer einst umfangreichen Bibliothek. Das Außergewöhnliche an dem Buch liege zum einen in dem Umstand begründet, daß es sich um eine der wenigen, im Stift angefertigten Schriften handelt. Die Handschriften der Bibliothek, die ganz überwiegend in anderen Anstalten angefertigt wurden, unterstreichen dabei Schmidts Deutungsperspektive, in ihnen Indikatoren einer interinstitutionellen Kommunikation zu sehen. In leichter Polemik weiß sich der Autor hier gegen eine Forschung zu positionieren, die allzu gerne einer romantischen Vorstellung von den literarischen und handwerklichen Tätigkeiten der spätmittelalterlichen Frauenklöster anhängt (S. 281f.). Denn Schmidt weist nach, daß keine der Chorfrauen über ein solches Malvermögen verfügte, das die mühevolle Zusammenstellung der applizierten Illustrationen zum Christusleben aus wenigsten vier auswärtigen Sammlungen hätte überflüssig machen können. Fast möchte man es dem Autor nach der überzeugenden Darlegung nachsehen, wenn er wegen des Mangels an Indizien zu der mit der Herkunft der eingeklebten Miniaturen verknüpften Frage nach der Produktion und Zirkulation von Einzelblättern behauptet, selbige führe über das Thema hinaus (S. 280).
Was die herausragende Bedeutung der Observanzbewegung für die Literaturproduktion in und um die Klöster herum anbelangt, herrscht unter den Mediävisten, wie unter anderem Hans-Jochen Schiewers einleitende Bemerkungen zu seinem Beitrag "Literarisches Leben in dominikanischen Frauenklöstern des 14. Jahrhunderts: Das Modell St. Katharinental bei Diessenhofen" (S. 285-309) unterstreichen, weitgehende Einhelligkeit. Vor diesem Hintergrund verdient sein Bemühen, den Bibliotheksbestand der dortigen Dominikanerinnen im 14. Jahrhundert zu rekonstruieren und so gewissermaßen eine bibliothèque imaginaire (S. 300) zu beschreiben, alle Achtung, handelt es sich doch um Grundlagenforschung im eigentlichen Sinne. Ob das Kloster St. Katharinen tatsächlich als Modell gelten kann (S. 286), wird indes erst eine solche Forschungsempirie zu beurteilen haben, die, falls sie es überhaupt zu leisten vermag, noch vieles vor sich hat. Der Exkurs zu den Helftaer Zisterzienserinnen (S. 297-300) dürfte in dieser Hinsicht jedenfalls nur eingeschränkt für Generalisierungen oder Querschlüsse taugen. Wie schwer das Unterfangen im Einzelfall ausfällt, verdeutlicht sich an den unvermeidlichen Plausibilitäten und Prämissen, mit denen der Autor arbeiten muß um aus Parallelüberlieferungen das Vorhandensein mehrerer Codices in der klösterlichen Bibliothek des 14. Jahrhunderts zu schlußfolgern, die die Forschung ihr bislang nicht (oder fälschlicherweise) zurechnete. Immerhin ergibt sich aus diesem ergänzenden Material, zu dem der Johannes-Libellus, mehrere Predigtsammlungen, das Katherinentaler Schwesternbuch, Heinrich Seuses Vita und andere Werke gehört haben dürften, eine wesentlich korrigierte Sicht auf den Bibliotheksbestand. Sie hilft, und das ist schon beachtlich, das verbreitete Diktum der Blüte mystischer und volkssprachlicher Literatur zu qualifizieren. Als besonders nützlich erweist sich der von Schiewer in zwei Anhängen mitgelieferte Handschriftenkatalog, der seine Ergebnisse nochmals übersichtlich zusammenfaßt (S. 303-309).
Mit der Literaturproduktion an der Schwelle der Reform setzt sich Werner Williams-Krapp in dem Beitrag "Die Bedeutung der reformierten Klöster des Predigerordens für das literarische Leben in Nürnberg im 15. Jahrhundert" (S. 311-329) auseinander, auch um damit auf die von Klaus Graf vorgebrachten Einwände zu seinen vorangehenden Arbeiten zu reagieren(S. 311-313). Ins Auge gefasst werden dabei die Niederlassung der Dominikaner in der Reichsstadt und das ansässige Kloster ihres "Zweiten Ordens", St. Katherina, die Zeit von den frühen Reformversuchen des letzteren im Jahre 1396 bis zur Einführung der Observanz 1428 abdeckend. Anhand des Bibliothekskatalogs 1455ff.) mit seinen insgesamt 46, diesem Zeitraum zuzuordnenden Eintragungen, die sich überwiegend aus katechetischer Literatur und überraschend geringen Beständen frauenmystischer Werke zusammensetzen (S. 315), zeichnet er ein Bild vom Literaturkreislauf in Nürnberg, das insbesondere die Rolle der Predigerbrüder und der Laien akzentuiert. Der Autor zeigt dabei auf, daß die für die Einführung der Reform so bedeutsame Bürgerswitwe Kunigunde Schreiberin, die bei ihrem Klostereintritt bereits 19 Codices mitbrachte, für die Bildung eines Literaturbestandes mitverantwortlich zeichnete, der ganz der von Johannes Nider formulierten dominikanischen Reformprogrammatik entsprach (S. 317). Den außerordentlichen Einflußradius und hohen Anteil der örtlichen Dominikaner an der Literaturproduktion durch Austausch, Anschaffung, Illumination und Kopistentätigkeit, über die ordenseigenen Einrichtungen hinweg, erklärt Williams-Krapp unter anderem mit der ihnen von Rat und den Bürgern gleichermaßen entgegengebrachten hohen Wertschätzung, die noch in dem von den Nürnberger Klarissen geäußerten Reformwunsch zum Ausdruck komme (S. 321-323). In seinen Beobachtungen werden Facetten eines Literaturbetriebes sichtbar, die in ihrer Thematisierung des Beziehungsgefüges von Kloster und Welt, Ort und Landschaft dessen tragende Modalitäten und Mechanismen freilegen. Im abschließenden Teil (S. 324-329) entgegnet der Autor einem weiteren, von Burkhard Hasebrink vorgebrachten Einwand, wonach die herausgehobene Rolle des privaten Bücherbesitzes Williams-Krapps These von der Reform als wichtigsten Impuls für die Ausbildung literarischer Standards in den Klöstern des 15. Jahrhunderts zu relativieren sei. Tatsächlich scheint das Verdikt in dieser Form allzu verengt und dennoch sind die Kontroversen, wie der Aufsatz selbst, Indizien für einen anhaltenden Differenzierungsbedarf, der endlich das für literarische Interessensbildungen konstitutive Problemfeld 'Individuum vs. Institution' in den Blick nimmt.
Marius Winzeler leistet in "Die Bibliothek der Zisterzienserinnenabtei St. Marienstern. Zu Geschichte und Bestand einer frauenklösterlichen Büchersammlung des Mittelalters" eine tour d'horizont der Bibliotheksgeschichte des 1248 von Bernhard III. Gegründeten oberlausitzischen Frauenklosters (S. 331-356). Eigentlich übersichtlich in Ausführungen zum Buchbestand (S. 333-336), zu den Bibliotheksräumen (S. 336-341), zu den liturgischen Büchern (S. 341-348), zu den nichtliturgischen Werken (S. 348-351) und zum Buchgebrauch (S. 351-356) gegliedert, liegt es wohl nicht zuletzt an dieser diachronen Weitläufigkeit, daß der Autor immer wieder zwischen Mittelalter, Früher Neuzeit und Barock springen muß und einzelne, äußerst interessante Fragen bzw. Aspekte nur angerissen werden können. Dynamiken der Veränderungen und Hintergründe klösterlicher Verbindungen klingen mithin nur beiläufig an und was die klösterlichen Beziehungen gerade nach Böhmen anbelangt, wird die einschlägige Literatur, gerade wenn es sich um tschechische Titel handelt, zuweilen nur ausgewählt und kursorisch wahrgenommen.[8] Ähnlich weitläufig fällt denn auch das Fazit aus, das der mittelalterlichen Bibliothek ein Übergewicht an privaten Gebrauchsschriften bescheinigt (S. 354f.). Dennoch: In diesem kompakten Überblick, der sich nicht scheut, auch das bisher kaum erschlossene nichtliturgische Schriftgut vorzustellen, wird mehr unternommen als nur die Bibliotheksgeschichte in ihren Grundzügen und -problemen vorzustellen. Denn es gelingt Winzeler, epochenübergreifende Kontinuitätslinien herauszustellen, an denen Werden und Wirken einer der wichtigsten Klosterräumlichkeiten eindrücklich werden. Insgesamt handelt es sich um eine gediegene Gesamtdarstellung der Bibliothekskultur des Klosters, deren vielfältige Anregungen Anlaß zu anknüpfender Forschung bieten.
Wolfgang Brandis bringt in dem letzten, mit "Quellen zur Reformationsgeschichte der Lüneburger Frauenklöster" betitelten Beitrag des Bandes zahlreiche klösterliche oder klosterbezogene Zeugnisse zum Sprechen, die die Einführung der Reformation in den sechs, im Fürstentum Lüneburg gelegenen Frauenklöstern Ebstorf, Isenhagen, Lüne, Medingen, Walsrode und Wienhausen betreffen (S. 357-398). Beim Lesedurchgang stellt man fest, daß sich der Autor vornehmlich auf die Klöster Wienhausen und Lüne konzentriert hat und ihm insbesondere an erzählenden, darunter epistolaren Quellen gelegen ist, die entweder noch nicht in einen breiteren Kontext diskutiert wurden oder nur archivalisch vorliegen. Zu Recht würdigt Brandis die bislang unzureichend edierten Briefstücke als Quellen, die "die geistliche und religiöse Situation der Konvente viel nuancenreicher [als normative Quellen; Chr.-Fr.F.] darstellen und die bei den Betroffenen erlebten Empfindungen widerspiegeln" (S. 363). Nach einleitenden Bemerkungen zum Vollzug der Umwandlung der Klöster in evangelische Damenstifte (S. 357-361) und einem quellentypologischen Überblick über die vorliegenden Klosterarchivalien (S. 363f.) zitiert er ausführlicher Passagen aus der 1692 abgefaßten Wienhausener Chronik und im Anschluß auszugsweise aus dem Briefwechsel zwischen der Äbtissin Katharina und der aus dem Kloster vertriebenen herzoglichen Mitschwester Appolonia (nach 1531). Es folgt die Wiedergabe jener von Böttger 1855 erledigten Abschrift einer im 17. Jahrhundert angefertigten Akte aus Lüne, die nach Brandis auf der verlorenen sogenannten Chronik II des Klosters fußen dürfte; wegen ihrer komplizierten Überlieferung möchte er sie nur als "Sekundärquelle" bezeichnet wissen (S. 372-391). Da die aufschlußreiche Schrift weder eine nähere Besprechung erfährt noch eine gründlichere Einordnung des Geschilderten in ereignisgeschichtlicher oder quellenkritischer Hinsicht erfolgt, bleibt nicht allein ihre Funktion innerhalb des Aufsatzes unscharf, hätte sie doch ebenso gut in dem Anhang Aufnahme finden können, der einzelne, dem Wienhausener Kloster zuzuordnende epistolare Zeugnisse sowie einen Urkundenauszug versammelt. So wird man des Autors Verdienst vordringlich in der Zugänglichmachung der Archivalie und jener anderen, im Anhang untergebrachten Fundstücke sehen müssen und beinahe erwarten dürfen, daß sich eine nähere Besprechung an späterer Stelle finden werde. Grundsätzlich eignen sich die Schriftstücke dazu, im Rahmen einer erweiterten Forschungsperspektive erörtert zu werden, die sich der Wahrnehmung der Reformation aus der individuellen, persönlichen Sicht der Nonnen bzw. ChronistInnen widmet.
Der überzeugende Band ist überdies mittels eines Personen-, Orts- und Sachregisters, wenngleich nicht in allen Punkten vollständig, so doch überdurchschnittlich gut erschließbar, was seinen Gebrauchswert im handwerklichen Sinne noch erhöht.
Anmerkungen
[1]. Jeffrey Hamburger, The Visual and the Visionary: Art and Female Spirituality in Late Medieval Germany (New York: Zone Books, 1998).
[2]. Zuletzt etwa die Magisterarbeit von Christopher Montoni an der Central European University, Budapest College; knapp: Ders., "Constructing Conformity: Pastoral Care and the Role of Images in the Passional of Abbess Cunigund," Annual of Medieval Studies at CEU 10 (2004): S. 224f.
[3]. Matthias Untermann, "Gebaute unanimitas. Zu den ’Bauvorschriften’ der Zisterzienser", in Zisterzienser. Norm, Kultur, Reform--900 Jahre Zisterzienser, Hg. Ulrich Knefelkamp (Berlin: Springer, 2001); Wolf-Heinrich Kulke, "Zwischen Ordens-Tradition und Stifter-Repräsentation--die frühgotische Architektur der zisterziensischen Frauenklöster in Südfrankreich," Das Münster 55 (2002): S. 167-175.
[4]. Unberücksichtigt: Jörg Oberste, Die Dokumente der klösterlichen Visitationen (Brepols: Turnhout,1999); mittlerweile die Studie von Kern-Stähler, A room of one's own. Reale und mentale Innenräume weiblicher Selbstbestimmung im spätmittelalterlichen England (Frankfurt a.M.: Lang, 2002).
[5]. Falk Eisermann, "Bevor die Blätter fliegen lernten. Buchdruck, politische Kommunikation und die 'Medienrevolution' des 15. Jahrhunderts," in Medien der Kommunikation im Mittelalter, Hg. Karl-Heinz Spieß (Stuttgart: Steiner, 2003), S. 289-320.
[6]. Eva Schlotheuber, Klostereintritt und Bildung. Die Lebenswelt der Nonnen im späten Mittelalter. Mit einer Edition des "Konventstagebuchs" einer Zisterzienserin von Heilig-Kreuz bei Braunschweig (1484-1507) (Tübingen: Mohr Siebeck, 2004).
[7]. Zuletzt z.B.: Ders., "Inneres Bild und äußeres Bild: Porträt und Devotion im späten Mittelalter," in Das Porträt vor der Erfindung des Porträts, Hg. Martin Büchsel und ders. (Mainz: von Zabern, 2003).
[8]. Bei der Besprechung des in der Prager Nationalbibliothek verwahrten Lektionars, Ms. Osek, Nr. 76, vermißt man z.B. die Arbeit von Helena Soukupová, Aneský kláster v Praze (Praha: Odeon, 1989), hier S. 162-166, die die Handschrift ausführlicher diskutiert.
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Citation:
Frederik Felskau. Review of Eisermann, Falk; Schlotheuber, Eva; Honemann, Volker, eds., Studien und Texte zur literarischen und materiellen Kultur der FrauenklÖ¶ster im spÖ¤ten Mittelalter: Ergebnisse eines ArbeitsgesprÖ¤chs in der Herzog August Bibliothek WolfenbÖ¼ttel, 24-26 Februar 1999.
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