Jörg Rogge, Schirmer, Uwe. Hochadelige Herrschaft im mitteldeutschen Raum (1200 bis 1600): Formen - Legitimation - Repräsentation. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2002. 506 S. ISBN 978-3-515-08245-7.
Reviewed by Patrizio Foresta (Historisches Seminar, J. W. Goethe Universität, Frankfurt am Main)
Published on H-German (March, 2005)
Die Beiträge des vorliegenden Bandes gehen aus den Referaten hervor, die im Rahmen eines Kolloquiums in der Werner-Reimers-Stifung (Bad Homburg) im November 1999 vorgetragen wurden. Der Anlaß war das nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1989/1990 erneute Interesse für die Landesgeschichte Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, wie der Buchtitel deutlich zu verstehen gibt, die hochadelige Herrschaft im mitteldeutschen Raum im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit. Zunächst stellt sich mithin die Frage, was man mit dem Stichwort "mitteldeutscher Raum" bezeichnet bzw. inwiefern sich diese Abgrenzung anhand der historischen Quellen rechtfertigen läßt.
Die Herausgeber sprechen das Problem in der Einleitung an. Der mitteldeutsche Raum erstrecke sich von der Elbe im Osten bis an den Harz im Westen. Bereits im 14. Jahrhundert sei die Vorstellung eines zusammenhängenden mitteldeutschen Raums in einem Brief des Notars Nikolaus von Posen nachweisbar. Ein "über die Herrschaftsgrenzen hinweg Kohäsion erzeugender Friedensgedanken", der allerdings zu den existierenden Herrschaftsverhältnissen nicht in Widerspruch gestanden habe, habe einer politischen Realität zugrunde gelegen, in welcher "verschiedene hochadelige Herrschaftsträger untereinander und mit dem Königtum um Einfluß, Ansehen und die Machtvorstellung in diesem Raum konkurrierten" (S. 9). Erhebliche Forschungslücken seien zudem im Hinblick auf die Verfassungsstrukturen und Verwaltungspraxis der hochadeligen Herrschaft für das Spätmittelalter und das 16. Jahrhundert zu konstatieren.
In diesem Zusammenhang heißen die zwei Herausgeber jede Anregung aus der Sozial-, Gesellschafts-, Mentalitäts- und modernen Kulturgeschichte willkommen (S. 10). Deshalb sei der Sammelband mit Beiträgen von Historikern, Kunsthistorikern und Archivaren interdisziplinär angelegt, damit ein breiter Forschungsansatz der "Herrschaftsvoraussetzungen und der Herrschaftspraxis des geistlichen und weltlichen Hochadels" im mitteldeutschen Raum Rechnung tragen könne (S. 10). Überdies gehe es auch darum, "die Entwicklung hochadeliger Herrschaftsformen zu problematisieren", "die verschiedenen Möglichkeiten der Institutionalisierung von Herrschaft unter vergleichendem Aspekt" zu erörtern und Legitimationsstrategien, Repräsentationen und Inszenierungen der hochadeligen Herrschaftsträger zu untersuchen (S. 10-12). Der Band umfaßt also 13 Beiträge kulturgeschichtlichen und institutionellen Zuschnitts, obgleich offensichtlich die Mehrzahl der Autoren Letzteren bevorzugt hat.
Die Beiträge können vom Stoff und Ansatz her in zwei Hauptgruppen ungleichen Umfangs aufgeteilt werden: jene, die sich mit institutionellen und rechtsgeschichtlichen Themen (Herrschaftspraxis, Verwaltung, Landesherrschaft, Reichsunmittelbarkeit usw.) befassen, und jene, die aus einem kulturgeschichtlichen Themenkomplex (Legitimation, Repräsentation, Statussymbole) hervorgehen. Fünf extensiven Beiträgen stehen weitere acht gegenüber, die deutlich knapper ausfallen. Hier seien der Kürze halber und auf Basis der persönlichen Auswahl des Rezensenten nur einige eingehender beschrieben, da die Unterschiedlichkeit von Themen und Ansätzen, die Dichte und Fülle des Stoffes und der Reichtum an Details eine konzise Besprechung kaum ermöglichen. Trotzdem wird hier versucht, einen möglichst vollständigen Überblick anzubieten.
Ernst Schubert geht in ausführlicher Weise das Thema der "Harzgrafen im ausgehenden Mittelalter" an (S. 13-115). Der umfangreiche Essay geht zunächst vom Vorfall des Grafen Dietrich von Wernigerode aus, der 1386 als Landfriedensbrecher von seinen Standesgenossen hingerichtet wurde. An diesem Beispiel erörtert Schubert die politischen Verhältnisse der Grafenlandschaft am Harz, die sich über "Brückenlandschaften" zwischen welfischen und wettinischen Landen erstreckten (S. 16). Dies sei die treffendste Bezeichnung für den Harzraum, denn "mit klarer naturräumlicher Art" und im Rahmen der spätmittelalterlichen "Fragilität" und "Variabilität" ist "dieser von den Harzgrafen gestaltete Raum ebenso wenig zu fassen wie mit Methoden der historischen Geographie" (S. 17-19). Ziele der Abhandlung sind erstens, die Territorialpolitik nicht auf kartographisch fixierbarer Basis, sondern mit Blick auf die "Brückenlandschaften" am Harz zu untersuchen; zweitens, über jedes, in der Auffassung des Autors "erkenntnishinderndes" Auflisten der Herrschaftsgewinne und -verluste im Harzraum hinauszugehen; drittens, den Begriff des "Hegemonen" zu konkretisieren; viertens, in Anlehnung an diesen letzten Punkt, die Rolle und die Funktion des Hegemonen präziser zu konturieren (S. 20-21).
Da eben die Rechtsformen die Harzgrafen "weder als Genossenschaft noch als Korporation" verbanden, beruhte diese Gemeinschaft besonderer Art auf dem Konnubium: Die Grafenfamilien im Harz waren alle miteinander verwandt (S. 27). Schubert verweist auf die Verdienste der historischen Schule von Gerd Tellenbach, der die Bedeutung von hochadeliger Verwandtschaft für Reichskirche und Verfassung des entstehenden Reichs im Frühmittelalter herausarbeitete. Die hochadeligen Verwandtschaftsstrukturen seien darum ein effektiver Leseschlüssel der politischen Konstellationen im Mittelalter (S. 30). Noch wichtiger, "Erbstreitigkeiten sind mitnichten ein innerfamiliäres Problem, sondern ein dramatischer Beweis dafür, daß die sogenannte Territorialbildung im Spätmittelalter nicht von einer Vorstellung von Staat, sondern von den tragenden Prinzipien der Gesellschaft, von Familie und Verwandtschaft her gedacht werden muß" (S. 33). Die Erbverbrüderung sei zudem ein "die Geschichte im Harzraum stabilisierender Faktor" (S. 38).
Anhand von zahlreichen und sehr detaillierten Beispielen aus dem Harzraum beschreibt Schubert Laufbahnen und Familienverflechtungen der Harzgrafen, ihre Anliegen in der territorialen Ordnung der Reichskirche und Heiratspolitik. Ferner analysiert er die Herrschaftsstrukturen der Harzgrafschaften, bei denen "die verwirrendsten Verflechtungen mit den verschiedensten Lehnsherren festzustellen" sind (S. 60). Der Autor verläßt dann das Gebiet der rechtsgeschichtlichen Rekonstruktion, um sich im Kapitel "Adeliges Leben und höfische Repräsentation" einem historisch-anthropologischen Thema--leider nur en passant--zu widmen (S. 64-68).
Ein anderes Argument in Schuberts Untersuchung bilden die wirtschaftlichen Angelegenheiten der Harzgrafen, wie Bergwerke, Schulden, Kapitalinvestitionen, finanzielle Verwaltung (S. 68-81). Auch im Kapitel 4.2 "Interterritoriale Systeme, Landfrieden und das Verhältnis der Harzgrafen zu den Städten" geht es Schubert darum, auf der Grundlage zahlreicher Beispiele aus den einschlägigen Quellen zu zeigen, daß die Harzgrafen nicht nur aufgrund eines expliziten Bündnisses, sondern auch durch ein gemeinsames Verhalten, wie etwa im Falle von Gefangenschaft oder Bezahlung von Lösegeld, als eine territoriale Einheit zu betrachten seien. Nach dem letzten Abschnitt unter der Überschrift "Das Verhältnis zum wettinischen Hegemonen und zum Reich" (S. 98-115) faßt Schubert seine Forschungsergebnisse zusammen (S. 115): Die den Führungsschichten oftmals zugeschriebenen "weitschauenden Zielvorstellungen" seien "weder in verfassungsgeschichtlicher noch in wirtschaftshistorischer Hinsicht erkennbar". Hingegen gehe es dabei um "die wechselnden Strategien, um die Stellung, ja eigentlich nur das Überleben des eigenen Hauses zu sichern". Allen Konflikten und Rivalitäten zum Trotz sei außerdem das Gemeinschaftsbewußtsein der Grafen, das Letztere "in ihre Überlebensstrategien" einbezogen hätten, "zwar nicht gerade untypisch, aber ziemlich außergewöhnlich".
André Thieme befaßt sich mit dem institutionsgeschichtlich spannenden Verhältnis von Landesherrschaft und Reichsunmittelbarkeit ("Landesherrschaft und Reichsunmittelbarkeit. Beobachtungen bei den Burggrafen von Meißen aus dem Hause Plauen und anderen Nachfolgefamilien der Vögte von Weida, Gera und Plauen", S. 135-161), welche sich der neuzeitlichen Staatsrechtstheorie zufolge "gegenseitig und zwangsläufig" miteinschließen (S. 143). Dabei gelte es, schreibt Thieme, den prinzipiellen Charakter von Landesherrschaft zu untersuchen, wobei sich "keine klaren, keine eindeutigen Herrschaftsstrukturen" erhellen ließen: Land und Herrschaft "begegnen dabei als zwei sich in ihrem rechtlichen Zugriff gegenüberstehende, in ihrem machtpolitischen Anspruch konkurrierende und in ihrem territorialen Ansatz überschneidende Begriffe" (S. 147). Dem gemäß, so Thieme, erscheint der Begriff Landesherrschaft für das 14. Jahrhundert als eine Chimäre. Der Blick öffne sich stattdessen auf eine differenzierte Sicht des Phänomens (S. 147). Thieme schlägt eine differenzierte Deutung der Begriffe Landesherrschaft und Reichsunmittelbarkeit vor, die er als Termini ansieht, welche sich "allzu klaren Definitionsversuchen entziehen und die je nach Zeit, je nach Umständen und je nach betroffener Partei neu bestimmt werden müssen" (S. 160).
Helge Wittmanns Beitrag "Landgraf Hermann I. von Thüringen (1190-1217) und die Gründung der Grangie Vehra an der Unstrut" (S. 179-194) hat eine Urkunde des Landgrafen zum Gegenstand, die 1208 angefertigt wurde und an deren Beispiel sich "das politische Handeln Hermanns I. Illustrieren" läßt. "Schlaglichtartig" lasse sich zudem erhellen, wie der Landgraf die "Herrschaftsmittel und die Autorität ... zum Ausbau eigener herrschaftlicher Positionen und zur Integration unterschiedlicher politischer Akteure in seine landgräfliche Herrschaft zu nutzen verstand" (S. 181). Die Figur des Landgrafen sowie "die weitere Entfaltung und Festigung der landgräflichen Herrschaft" wird im vorliegenden Beitrag mithilfe der oben erwähnten Urkunde verdeutlicht (S. 194). Ferner wird dargestellt, wie der Landgraf die "herrschaftlichen Eigeninteressen unterschiedlicher politischer Akteure in seinem Einflußbereich und die daraus resultierenden Gegensätze und Konflikte" zu nutzen vermochte, "um eigene Interessen durchzusetzen und eigene herrschaftliche Positionen auszubauen" (S. 194).
Das "adelige Gruppenbewußtsein", die "dynastische Vernunft" und die "transpersonalen Herrschaftsvorstellungen" erweiterten die landesgeschichtlichen Forschungen zum Wesen des Spätmittelalterlichen Fürstenstaates, so Werner Freitag in der Einleitung seines Beitrages "Anhalt und die Askanier im Spätmittelalter. Familienbewußtsein, dynastische Vernunft und Herrschaftskonzeptionen" (S. 195-226). Unter dem Familienbewußtsein seien die "Legitimationsstiftungen der Herrscher aus der Erhabenheit der Person und der Familie des Fürsten heraus" als "Indizien für dynastisches Bewußtsein" zu verstehen; Erbverbrüderungen, ungleichmäßige Teilungen, Abfindungen unter den Erbberechtigten und der Einsatz geistlicher Karrieren zeichneten die "dynastische Vernunft" aus; mit den "transpersonalen Herrschaftsvorstellungen" identifiziert Freitag schließlich die "Übererhöhung einzelner Rechtstitel" und "das Aufkommen eines neuen auf eine bestimmte Fläche und auf Untertanen bezogenen, andere Herrschaftsträger ausschaltenden Herrschaftswillens" (S. 194-195). Im Mittelpunkt von Freitags Untersuchung steht, wie der Titel verlautet, das relativ kleine Fürstentum des Geschlechtes der Askanier in Anhalt. Freitag stellt die Hypothese auf, daß trotz des Rückstandes im Prozeß territorialer Verdichtung die Dynastie im Zeitraum von 1350 bis ca. 1540 deswegen nicht untergegangen sei, weil "für diese territoriale Stabilität dynastische Vernunft und ein Wandel der Vorstellungen über Herrschaft und Herrschaftsgebiet" verantwortlich sein könnten (S. 198).
Der Herausarbeitung dieser Hypothese geht Freitag detailliert nach. Während im ersten Abschnitt die territorialen Voraussetzungen des "familiären Zusammenhaltes" untersucht werden (S. 198-205), wird im zweiten "das mentale Band des Zusammenhaltes" aufgegriffen: Familienbande, Grablegen und vor allem die Memoria des Geschlechts (S. 205-210), im dritten Abschnitt schließlich das dynastische Bewußtsein (S. 210-217). Die Ausführung ermöglicht interessante Schlußfolgerungen: vor allem, daß die Adelsfamilie nicht nur über ein Gruppenbewußtsein verfügte, sondern auch, daß sich ebendieses Gruppenbewußtsein im 15. Jahrhundert verstärkte (S. 226).
Einer der zwei Herausgeber, Uwe Schirmer, konzentriert sich in seinem Beitrag "Untersuchungen zur Herrschaftspraxis der Kurfürsten und Herzöge von Sachsen. Institutionen und Funktionseliten (1485-1513)" (S. 305-378) auf eine Aufstellung aus dem Jahr 1518, in der alle "rethe und diner" der Kurfürsten Friedrich und Johann von Sachsen verzeichnet wurden. Ausgangspunkt für die Untersuchung ist die bekannte Tatsache, daß "die mittelalterliche Fürstenherrschaft sich vorrangig auf die Mitwirkung der Personenverbände" gründete. Das Lehnswesen sei "das verbindende Element zwischen dem Fürsten und seinen Herrschaftsträgern" gewesen. Seit dem Spätmittelalter seien auch "die institutionalisierte Herrschaftsausführung und -durchführung" aufgetreten, die sich wegen einer "beliebigen Wiederholbarkeit von Verhaltensweisen", der "Signatur der Institutionalisierung", abzeichneten (S. 306). Das Verzeichnis bzw. Register, das 179 Einträge umfaßt, ist auf den Seiten 343-348 abgedruckt. Anschließend befindet sich ein Personenverzeichnis, in dem die wichtigsten wettinischen Funktionsträger für den Zeitraum 1485-1513 aufgelistet sind.
Schirmer hebt zudem eine Vielfalt an Fragen hervor: Wie eng waren die wettinischen Lehnsverbände mit den landesherrlichen Institutionen verflochten? Aus welchem sozialen Milieu stammten sie? Waren die engsten Vertrauten des Fürsten auch in die landesherrlichen Institutionen integriert? Über welche Ausbildung konnten sie je nach Herkunft verfügen? Welche Ämter waren von wem bekleidet? Inwiefern unterschieden sich im Laufe dieses Bürokratisierungsprozeßes die ernestinische und die albertinische Linie voneinander?
Schirmer kommt zu erwähnenswerten Schlußfolgerungen. Einerseits habe die Fürstenherrschaft Ende des 15. Jahrhunderts weiterhin auf der Mitwirkung der Personenverbände basiert, andererseits seien die Institutionalisierungs- und Bürokratisierungsprozeße rasch vorangeschritten (S. 342). Im Falle der Kurfürsten und Herzöge von Sachsen zeigt Schirmer, daß "die agierenden Personen- und Lehnsverbände mit den Institutionen verschmolzen", wobei Grafen und Herren als Angehörige des wettinischen Lehnsverbandes nur ausnahmsweise bei ihren Herren Dienst verrichteten. Die Mehrzahl der Funktionäre kam also aus dem Milieu des schriftsässigen Dienstadels (S. 342).
Matthias Müller hebt in seinem Beitrag "Das Schloß als fürstliches Manifest. Zur Architekturmetaphorik in den wettinischen Residenzschlössern von Meißen und Torgau" (S. 395-441) hervor, daß sich das Thema der "Hochadeligen Herrschaft" im Tagungsband kaum adäquat darstellen lasse, ohne die zugehörigen Schloßbauten zu berücksichtigen. Dies belegt er in vielerlei Hinsicht: Die Schloßbauten gäben "der hochadeligen Herrschaft mit ihren alltäglichen und symbolischen Bedürfnissen Raum und verliehen dem zeitbedingten Verständnis von hochadeliger Herrschaft über die Formen der ... Architektur und der ... inneren Ausstattung zeichenhafte Gestalt" (S. 395); überdies sei weniger die "unbestrittene ästhetische Strahlkraft als vielmehr das ästhetische Potential" der sächsischen Residenzen ein durchaus guter Grund, sie "erneut in den Blick zu nehmen" (S. 396). Vermochten die Wettiner auf eine für jene Zeit außergewöhnliche Weise "den Schloßbau ganz in den Dienst von moderner Territorialstaatlichkeit und Landesherrlichkeit zu stellen, so kennzeichnet das "ästhetische Potential" vor allem "das Bemühen ..., auf der Grundlage des gültigen Kanons adeliger Repräsentation, ein modernes Konzept von ... Staatsarchitektur zu entwickeln". Daraus gewinne man eine "bildhafte Anschauung historisch geprägter Vorstellung von Fürstlichkeit und fürstlichem Regiment im ausgehenden Mittelalter und der beginnenden frühen Neuzeit" (S. 396).
Der Autor versah seinen Text mit S/W Abbildungen, etwa der "Hirschjagd" von Lucas Cranach d. Ä (1540), einem Grundriß und einigen Ansichten der Meißener Albrechtsburg, deren Baugeschichte, Architektur und Stil minuziös beschrieben werden (S. 399-428). Was die wettinische Dynastie mit dem Bau der Albrechtsburg hervorbrachte, ist Müllers Auffassung nach "eine wegweisende Modernisierung des deutschen Schloßbaus ... und im besonderen die Kreation eines unverwechselbaren, die reichs- und territorialpolitischen Ansprüche der Wettiner auf anspruchsvollste Weise visualisierenden Baustils" (S. 428). Anschließend wird das Torgauer Schloß Hartenfels abgehandelt (S. 428-441), das auch nur verständlich ist, "wenn wir es als Bestandteil des historischen und politischen Geschehens betrachten, das in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts das Reich und besonders die Wettiner vor vollkommen neue Herausforderungen stellte" (ebd.). Daher erweise sich die Neukonzeption des Torgauer Schlosses als "das in Stein umgesetzte Manifest eines Fürsten", Johann Friedrichs von Sachsen, der "sich des vollziehenden Paradigmenwechsels in territorial-wie in reichspolitischer Hinsicht vollauf bewusst" gewesen sei (S. 428-429). Auch dieser Abschnitt ist mit S/W Abbildungen und einem Grundriß des Schlosses versehen.
Der letzte zu besprechende Beitrag ist jener des Mitherausgebers Jörg Rogge, "Zur Praxis, Legitimation und Repräsentation hochadeliger Herrschaft im mitteldeutschen Raum. Ergebnisse und Perspektiven" (S. 465-506), der die Forschungsergebnisse des Bandes zusammenfaßt (S. 467). Das Hauptproblem, an das der Band herangegangen sei, stelle die Vormachstellung der Wettiner dar, denn während Letztere relativ gut untersucht worden sei, sei das Schicksal derjenigen Geschlechter vernachlässigt worden ("eine Schieflage zugunsten der Wettiner", S. 505; "ein Forschungsvorsprung für die Wettiner", S. 506), die als "Verlierer" aus der Verschiebung der Kräfteverhältnisse an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert im mitteldeutschen Raum hervorgingen (S. 465-467). In dieser Hinsicht habe der Band versucht, der Vielfalt der historischen Wirklichkeit angemessen Rechnung zu tragen.
In den Abschnitten 1, "Die Herren und (gefürsteten) Grafen" (S. 468-481), 2, "Das Erzstift Magdeburg, die Ludowinger und die Wettiner" (S. 481-488), und 3, "Die Grafen und Herren zwischen Reichsunmittelbarkeit und Landsässigkeit oder die Wettiner als Hegemon im mitteldeutschen Raum um 1500" (S. 489-498), werden die Themen aufgegriffen, die Gegenstand der im Band versammelten Beiträge sind. Aufschlußreich ist der Abschnitt 4, "Perspektiven und Aufgaben der Forschung" (S. 498-506). Die Aufsätze seien als über den jeweiligen Ertrag im Einzelfall konzipiert zu verstehen, so Rogge, denn das Hauptanliegen des Bandes sei das "Bemühen um das Eröffnen von weiteren Perspektiven und zur Kennzeichnung von Forschungsaufgaben" gewesen (S. 498). Einerseits sei ein Mangel an Untersuchungen zur Herrschaftspraxis in den geistlichen Herrschaften im mitteldeutschen Raum zu konstatieren, anderseits gehe es darum, aus dem Blickwinkel der Beherrschten zu fragen, wie sich der adelige Herrschaftsanspruch umgesetzt habe (S. 500). Eng verbunden damit sei auch das Thema der Fehdepraxis ( S. 501). "Erheblicher Forschungsbedarf" bestehe noch im Hinblick auf die Finanzpolitik der Herren und darüber hinaus in einer verfassungs- und verwaltungsgeschichtlichen Perspektive (S. 503-504).
Zumindest erwähnt werden sollen hier auch die Beiträge, welche in allen Einzelheiten nicht haben behandelt werden können: Manfred Kobuch, "Herrschaftspraxis und Verwaltung der Burggrafen von Leisnig im 15. Jahrhundert" (S. 117-133); Jochen Vötsch, "Zwischen Reichsfreiheit und Landsässigkeit. Die Grafen von Mansfeld im 15. und 16. Jahrhundert" (S. 163-178); Johannes Mötsch, "Die gefürsteten Grafen von Henneberg und ihre fürstlichen Statussymbole" (S. 227-242); Stefan Tebruck, Pacem confirmare--iusticiam exhibere--per amicitiam concordare. Fürstliche Herrschaft und politische Integration: Heinrich der Erlauchte Thüringen und der Weißenfelser Vertrag von 1249 (S. 243-303); Dieter Stievermann, Die Wettiner als Hegemonen im mitteldeutschen Raum um 1500 (S. 379-393); Michael Scholz, "Geistliche Landesherrschaft zwischen Kurbrandenburg und Kursachsen. Das Erzstift Magdeburg vom 14. bis zum 16. Jahrhundert" (S. 443-464).
Zusammenfassend seien in dieser Rezension zwei Punkte besonders hervorgehoben. Einerseits zeugen alle Forschungsbeiträge von der profunden Kenntnis der jeweiligen Thematik. Quellennahe Ausführungen, Familiarität mit dem Stoff und Fachkompetenzen fallen dem Leser schon auf den ersten Blick auf. Damit geht fast unvermeidlich eine weitgehende Spezialisierung der Forschungsthemen und -ansätze einher, wenngleich in manchen Beiträgen Allgemeinprobleme der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte Deutschlands aufgegriffen werden. Anderseits hat der Rezensent die in der Einleitung angesprochene und von den Herausgebern erhoffte Zusammenarbeit mit bzw. Aufgeschlossenheit gegenüber der Kulturgeschichte mancherorts vermißt, da die Autoren dem "traditionellen" rechts- und institutionsgeschichtlichen Forschungsansatz den Vorzug gegeben haben und das etwas unsicherere Terrain der Historischen Anthropologie nicht in dem Maße erkundet haben, wie es das Quellenmaterial hätte ermöglichen können. Diesem Einwand zum Trotz bleibt der Tagungsband ein gelungenes Forschungsunterfangen, das, wie in Rogges Schlußbilanz angedeutet (S. 506), den Anstoß zu weiteren Untersuchungen im Rahmen der Landesgeschichte geben wird.
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Citation:
Patrizio Foresta. Review of Rogge, Jörg; Schirmer; Uwe, Hochadelige Herrschaft im mitteldeutschen Raum (1200 bis 1600): Formen - Legitimation - Repräsentation.
H-German, H-Net Reviews.
March, 2005.
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