Karl-Heinz Kohl. Die Macht der Dinge: Geschichte und Theorie sakraler Objekte. MÖ¼nchen: C.H. Beck Verlag, 2003. 304 S. + 24 Abbildungen. EUR 29.90 (cloth), ISBN 978-3-406-50967-4.
Reviewed by Jörn Sieglerschmidt (Universität Mannheim)
Published on H-Museum (October, 2004)
Karl-Heinz Kohl ist ein rundum spannendes, immer wieder anregendes, lesbar geschriebenes Buch gelungen, das eine gründliche Lektüre vielfach belohnt. Gleich zu Beginn führt er das Thema mit einem persönlichen Erlebnis bei seiner Ankunft auf der indonesischen Insel Flores ein: Die Dorfbewohner, die selbst nur wenige Dinge ihr Eigen nannten, registrierten mit Erstaunen die Unmenge von Dingen, mit denen sich der Ethnologe umgeben hatte. Die Abfallgrube wurde überflüssigerweise angelegt, da die Kinder des Dorfes für alle weggeworfenen, exotischen Gegenstände Verwendung fanden. Kohl deutet diese Geschichte mit einem Verweis auf die Cargokulte der Karibik, die eine Art indigener Ethnologie über die mit Dingen beladenen Europäer seien. Die Verführung durch Dinge ist für ihn daher weit einflußreicher im Prozeß der Kolonisierung gewesen als die christliche Mission. Die Einsicht, daß westlich-kapitalistische Kulturen durch die hohe Bedeutung materieller Gegenstände charakterisiert sind, wird im folgenden in einen breiten kultur- und religionsgeschichtlichen Zusammenhang eingebettet.
Obwohl Kohl sich für die Bedeutsamkeit von Dingen im menschlichen Alltag insgesamt interessiert, schränkt er seine Untersuchung dann doch auf sakrale Objekte ein. Dabei entwirft er mit seinen Ausführungen zur Genese sakraler Objekte und zur Geschichte der Sammlungstätigkeit von Menschen zugleich eine Theorie des Sammelns und des Museums, die sich eng an die Studien von Krzysztof Pomian halten.[1] Die folgenden Bemerkungen können und wollen nicht den fachlichen Ertrag des Buches für die ethnologische und religionshistorische Forschung erörtern, sondern die Bedeutung für Museumsleute. Viele der letztgenannten fragen sich angesichts der Vorbereitung von Ausstellungen, aber auch angesichts fertiger Ausstellungsszenarien, welche Bedeutung Objekte in solchen Inszenierungen haben. Kohl versucht, ihnen darauf eine religionshistorisch fundierte Antwort zu geben.
Im ersten Abschnitt (pp. 13-29) leitet Kohl in die Thematik ein, indem er die Herkunft des Begriffes Fetisch und dessen kulturellen Entstehungszusammenhang erläutert. Etymologisch geht der Begriff Fetisch auf den portugisischen Begriff feitiço zurück, der sich seinerseits vom lateinischen factitius (künstlich gemacht) herleitet und für ein magisches Objekt bzw. ein Zaubermittel steht. Die Christianisierung des Kongo in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ließ vermutlich jene Formen der Religiosität entstehen, die von den Reisebeschreibungen des 17. und 18. Jahrhunderts als Fetischismus beschrieben, ja denunziert wurden. Kohl spricht daher von einem fetischistischen Komplex, einem kulturellen Zusammenhang, der in der Gemengelage zwischen Kolonisierten und Kolonisatoren zu dem führt, was späterhin seit Charles de Brosses in der europäischen Geistesgeschichte als Fetischismus interpretiert wird.
Daß dabei Formen der katholischen Religiosität, allen voran der Reliquienkult, eine wichtige Rolle spielen, wird dann vom Autor im folgenden Abschnitt (pp. 31-68) entwickelt, der sich zunächst auf die Bibelstellen bezieht, die vom Wort factitius Gebrauch machen und sich durchwegs dem Bilderverbot widmen. In der religionshistorisch bedeutsamen Auseinandersetzung um den Bildgebrauch beschreitet die katholische Kirche nach Kohl--mit Bezug auf Adolf von Harnack--einen populären synkretistischen Weg, der die unterschiedlichen Traditionen der Antike (Mysterienkulte, antike Philosophie, Monotheismus des Judentums, hierarchisch gegliederter Priesterstand) erfolgreich zusammenführte. Dabei knüpfte die Märtyrerverehrung an die antiken Toten- und Heroenkulte an, da es auch dort um die Vermittlung zu Gott ging. In der Frühzeit werden Kirchen über Heiligengräbern errichtet, wie auch in der Folgezeit der Bezug von Reliquie und Kirchengründung eng, ja vielfach konstitutiv bleibt. Bis zur Reformation entwickelt sich eine wahre Sammelleidenschaft, die nicht nur einen entsprechenden Markt, sondern auch die zur gewaltigen Nachfrage gehörigen Fälschungen zur Folge hat, wenn nicht sogar Leichen geradezu gefleddert wurden, sobald Personen bereits vor dem Ableben im Verdacht der Heiligkeit standen, z. B. Thomas von Aquin. Die Kritik der Reformatoren nicht nur an den Auswüchsen des Reliquienkultes, sondern auch an den dahinterstehenden Auffassungen der heilsvermittelnden Wirkung der religiösen Objekte hat langfristig auch in der katholischen Kirche zu einer Abkehr vom Reliquienkult geführt.
Kohl gibt anschließend (pp. 69-115) einen Überblick über die Begriffsgeschichte des Fetischismus von den Anfängen bei Charles des Brosses Mitte des 18. Jahrhunderts über die Aufklärung bis zur Verwendung des Begriffes bei Marx und Freud. Der Begriff wird in einer Zeit entwickelt, in der die Kolonialisierung und damit Erfahrung bzw. Erkundung fremder Kulturen zwar zu einer Relativierung eigener Vorstellungen führt, zugleich aber mit der Aufklärungsphilosophie in eine Fortschritts- und Evolutionsideologie mündet, die rationales und wissenschaftliches Denken zur Norm und zum höchsten Maßstab menschlicher Entwicklung erhebt. Fetischismus wird zum ersten Stadium religiösen Denkens, das mit der Lebensgeschichte eines Menschen metaphorisch parallelisiert wird: So wie Kinder Dinge auffassen, so infantil denken auch sog. Naturvölker über die Welt und die Religion, eine Denkfigur, die sich zuweilen bis in unsere Tage erhalten hat. Eines der wesentlichen Argumente von Kohl ist--nicht allein in diesem Abschnitt--der Nachweis, daß diese Art kolonialistischen Evolutionismus endgültig auf den Müllhaufen geistiger Hervorbringungen gehört, wie schon lange biomorphe bzw. soziomorphe Theorien der historischen Entwicklung dem Ideologieverdacht ausgesetzt waren, nicht erst seit Ernst Topitsch.[2] Weitgehend unbekannt ist die Entwicklung von Auguste Comte, der durch seine Evolutionstheorie der Kultur bekannt geworden ist, in seiner Spätphase aber mit dem Grand Fétiche die uns unmittelbar bekannte Dingwelt bezeichnet, die einen Zugang zum Numinosen gewährt. Zusammen mit dem Grand Être, dem Menschen bzw. Menschsein, und dem Grand Milieu, dem Kosmos, erschließt Karl-Heinz Kohl die wenig bekannte Weltsicht von Comte, die zugleich in einen mit Fetischismusvorwurf verbundenen Antiprotestantismus mündet. Er stellt fest: "Fetischisten--das sind immer nur die anderen, gleichgültig ob Katholiken, Protestanten oder Afrikaner" (p. 91).
Der Fetisch ist das Resultat eines Anthropomorphisierungsprozesses, denn nach Marx sind Ware und Kapital geronnene menschliche Arbeit. Wie der Fetisch sein Leben erhält durch Abtrennung vom menschlichen Herstellungsprozeß, so erhält die Ware einen vom menschlichen Arbeitsprozeß abgekoppelten Wert, wird eine "fetischistische Illusion" (p. 95). Waren- und Kapitalzirkulation erscheinen als Selbstzweck. Beziehungen zwischen Menschen erscheinen als Beziehungen zwischen Sachen, Entfremdung und Verdinglichung als Formen kapitalistischer Produktionsverhältnisse. In der Geldwirtschaft wird der Warentausch zunehmend anonymisiert und entpersönlicht. Warenfetischismus führt zur Trennung von Produzent und Konsument, trägt damit aber im Rahmen einer unbehinderten, ja globalisierten Warenökonomie zum Reichtum der Gesellschaften bei. Zwar hat sich aus der Warenwelt der Charakter der Gabe als Träger persönlicher Eigenschaften des Gebenden verflüchtigt, doch im Privaten hat er sich erhalten. Beim freudschen Begriff von Fetischismus geht es um die Sexualisierung, d. h. um die Lust gewährende, Begehren auslösende Deutung von Dingen, die mit dem sexuellen wenig oder garnichts zu tun haben. Der für Marx im Vordergrund stehende Gebrauchswert einer Ware, der den Tauschwert bestimmt, wird ergänzt durch den symbolischen Wert, der einem Gegenstand zugemessen wird: z. B. wenn eine geschätzte Person diesen Gegenstand getragen hat, vorgibt, bevorzugt zu tragen usw. Kohl ist überzeugt, daß darauf und auf der Sexualisierung der Gegenstände heute alle Werbestrategien beruhen. Er weist schließlich darauf hin, daß in allen von ihm behandelten Bereichen der Begriff Fetischismus als Mittel der Gesellschaftskritik (Aberglauben, Entfremdung, Sittenverfall) eingesetzt wird.
Der vierte, dem Versuch einer Taxonomie der Gegenstände gewidmete Abschnitt (pp. 117-154) erscheint zunächst eher als wissenschaftliche Pflichtübung, läßt aber dann Ansätze zu einer Semiologie der Dinge erkennen und wird spannend dort, wo es nochmals um die Wertigkeit von Dingen in unterschiedlichen Gesellschaften und die Gabenökonomie geht (pp. 133ff.). Nach der Unterscheidung von natürlichen Objekten und Artefakten werden Gebrauchs-, Repräsentations-, Tauschgegenstände und Prestigegüter unterschieden, wobei die einzelnen Kategorien nicht streng voneinander abzugrenzen sind. Ein Objekt kann auch mehrere Funktionen übernehmen, unter Umstaenden in historischer Abfolge. Erst als Museumsobjekte werden Dinge reine Zeichenträger, Semiophoren, wie Kohl im Anschluß an Krzysztof Pomian feststellt. Gebrauchsgegenstände sind Konsumtions- (Verzehr, Darstellung sozialer Hierarchien), Schutz- (der Mensch als Mängelwesen bedarf der Kleidung, Behausung, Waffen), Hilfs-, Produktionsmittel (Werkzeuge zur Herstellung der ersten drei Arten von Gebrauchsgegenständen). Tauschgegenstand kann alles werden, was einen Wert für andere hat. Sobald jemand ein Objekt besitzt und ein anderer es begehrt, wird es zum Tauschen brauchbar (gegen andere Objekte, sozialen Status, Zuneigung usw.), verliert aber zuweilen sofort nach dem Tausch seine Bedeutsamkeit. In den Besitz eines begehrten Objektes zu gelangen, verschafft Ansehen, wie umgekehrt soziale Achtung bestimmten Objekten Ansehen verschafft und damit erst begehrenswert macht. Dinge bekommen durch die Verleihung symbolischer Bedeutungen Eigenschaften der sozialen Distinktion, die von unterschiedlichen Gruppen ebenso unterschiedlich genutzt werden, um soziale Distanzen wie soziale Wiedererkennung zu schaffen. Karl-Heinz Kohl geht nach diesen Unterscheidungen ausführlich auf den Unterschied zwischen Gabenökonomie bzw. einfachem Tauschhandel und durch Geld vermittelter Warenökonomie ein. Beim ersteren muß der Wert eines Dinges aus der Summe des von beiden Seiten darauf gerichteten Begehrens ermittelt und ein Äquivalent gefunden oder um ein solches gefeilscht werden. Neben anderen Vorteilen wie Transportierbarkeit und Haltbarkeit ist der Erwerb eines Gutes gegen Geld nicht mit Prestigeverlust verbunden. Ein wesentlicher Vorteil liegt in der verzögerten Bedürfnisbefriedigung des Verkäufers, während das Begehren des Käufers unmittelbar befriedigt wird. Der Verkäufer erwirbt eine Option auf ein Gut seines Begehrens. Verzicht (in zwanghafter Form: Geiz) erweitert die Zahl der Optionen. Kohl sieht zwar vor allem die Opposition zwischen der schwierig herzustellenden Äquivalenz im einfachen Tauschhandel und der unproblematischen beim Tausch gegen Geld, doch sollte auch bedacht werden, daß der Kaufmannstand in der Geschichte meist nicht so gut beleumundet war, weil er immer schon dem Verdacht der ungerechtfertigten Bereicherung ausgesetzt war.
Im fünften Abschnitt und Hauptteil geht es um die Genese sakraler Objekte (pp. 155-223). Hier wird am Beginn zunächst Ferdinand de Saussure der Vorzug vor Charles Sanders Peirce gegeben, da die Sprachtheorie des ersteren sich besser für ein zentrales Argument eignet: daß nämlich sakrale Objekte, damit gleich den sprachlichen Graphemen, aus der Dingwelt beliebig ausgewählt werden und erst nach der Zuweisung eines symbolischen Charakters diese arbiträre Eigenschaft verlieren. Es könnte nun trefflich darüber gestritten werden, ob diese Ablehnung der erkenntnistheoretisch besser fundierten Unterscheidung von Index, Ikon und Symbol angemessen ist. Wichtiger ist, daß Karl-Heinz Kohl mit der Fragestellung nach der Entstehung von sakralen Objekten an drei Beispielen (Tjurungas der australischen Aborigines, Nkisi der BaKongo und griechische Götterstatuen) nicht nur eine klare, empirisch reich belegte Abgrenzung von sakralen und profanen Objekten definiert, sondern auch viele Bezüge zur heutigen Zeit herstellt. Es ist klar, daß die Zahl der Gegenstände, die Träger sakraler Zeichen werden können, kulturell unterschiedlich, aber begrenzt ist. Sie stehen für Kohl außerdem in einem metonymischen Verweisungszusammenhang. Sakrale Gegenstände werden durch außergewöhnliche Erfahrungen, z. B. Begegnungen mit dem Heiligen (Hierophanien), konstitutiert und müssen sich in das gesellschaftlich gegebene Beziehungsgefüge sakraler Dinge einpassen. Talismane und Amulette sind auch in heutigen, sogenannten aufgeklärten Gesellschaften verbreitet.0 Auch sie werden durch Kontingenzerfahrungen, die mit starken Emotionen verbunden sind, konstituiert. Die Fetische zeigen, daß die uns geläufige Idee der toten Materie anderen unbekannt ist, da jedes Ding "Teil eines belebten Universums" und "mit einer bestimmten Bedeutung versehen" ist (p. 202). Der Einwand gegen sakrale Symbolsysteme nordamerikanischer, australischer oder westafrikanischer Ethnien "sie seien allzusehr dem Konkreten verhaftet" ist nicht haltbar. "Bei näherer Betrachtung erweisen sie sich als Zeichensysteme, die sich natürlicher Gegenstände bedienen, um soziale und kosmologische Beziehungen zum Ausdruck zu bringen" (p. 208). Menschengemachte Objekte haben das Problem, keine geoffenbarte Herkunft vorweisen zu können. Entweder werden sie daher auf ähnliche Art wie natürliche Objekte mit einer Geschichte, einem Mythos versehen oder erhalten nach Verlassen der Werkstatt durch Aufstellung in heiligen Bezirken einen sakralen Status. Die griechischen Götterstatuen in ihrer konkreten Darstellung sieht Karl-Heinz Kohl eher als Rückschritt gegenüber der abstrakten Darstellung z. B. der Kykladenidole. Ebenso wie bereits in der klassischen Zeit die Kritik an der anthropomorphen Götterwelt aufkam und zur Aussage führte, daß diese Götterwelt menschengemacht sei, sieht Kohl im Naturalismus der Statuen einen Nachteil, der letztlich dazu führt, daß die Statuen, die an keine Hierophanie gebunden sind, den umgekehrten Weg gehen: Aus sakralen Objekten, die zunächst zerstört bzw. als Materiallieferanten genutzt werden, macht die Renaissance profane Kunstobjekte. Während noch im frühen und hohen Mittelalter die Heiligkeit der Objekte sich in Wundergeschichten äußert, werden die antiken Kultstatuen zu Vorbildern der bildnerischen Kunst der Renaissance.
Der sechste und letzte Abschnitt (pp. 223-260) verbindet das Vorherige mit der Entstehung wie Geschichte von Sammlungen und Museen, wobei Kohl zu sehr die Parallelitäten zwischen Tempeln und Museen bemüht, so sehr die gängige Metaphorik (Musentempel, Aura, Andacht usw) solche Auffassung bedient. Kohl hat nun durch das gesamte Buch diesen Schritt vorbereitet, indem er die Definitionen Krzysztof Pomians immer wieder zitiert und sie durch seine eigenen Einsichten ergänzt. So spannt sich ein Bogen von Anfang bis zum Schluß.
Eine Semiologie der Dinge, an die offensichtlich auch Kohl gedacht hat, könnte zu einer Unternehmung von Taxonomiepolizisten werden, die anderen einmal mehr vorschreiben wollen, was sie in welche Dinge hineinzulesen haben. Dieser Versuchung hat der Autor widerstanden und sich mehr auf den Weg der Geschichtserzählung begeben, der sehr viel anschaulicher und einprägsamer sich der Semiologie sakraler Dinge nähert. Ob es die Vorhäute Christi oder die Tjurungas der australischen Aborigines sind, Kohl weiß diese Dinge in die jeweiligen gesellschaftlichen Kontexte einzuordnen und für unser Nachdenken über Religion und Dingwelt fruchtbar zu machen.
Kohl resümiert die neuere Literatur zur Geschichte des Museums und entwirft dabei eine Theorie des Museums. Die von ihm vorgebrachte Kompensationsthese überzeugt allerdings nicht ganz. Daß Museen als profane Orte mit sakralisierten Objekten ein Bollwerk gegen die Vergänglichkeit darstellten, strapaziert Analogien und Metaphorik zu sehr. Ebenso wie die Kunst wohl kaum als Religionsersatz taugt. Dazu sind Museen und die in ihnen gezeigte Kunst doch zu arkane Veranstaltungen. Daß sich in den Museen die Gesellschaft feiert, bleibt allerdings und gleichwohl richtig.
Das Hauptargument ist bemerkenswert: Sakrale Objekte entstehen durch Hierophanie oder durch Zuschreibung sakraler Eigenschaften an natürliche oder von Menschenhand gemachte Objekte. Diese Objekte erhalten einen herausgehobenen Status, es sei denn die gesellschaftlichen Umstände änderten sich so, daß den Objekten die vorherige Zuschreibung entzogen wird. Das weitere Geschick der Dinge spielt sich ab zwischen Verbleib auf dem Müllhaufen der Geschichte und Neubewertung der Dinge bzw. Aufnahme in den Pantheon der dauerhaften Objekte.
Karl-Heinz Kohl begreift Religion mit Durkheim als Spiegel der Gesellschaft: Sie feiert sich in ihren Texten und Riten selbst, ist Ausdruck der sozialen und kosmologischen Auffassungen einer Gesellschaft. Die Selbstbezüglichkeit der Religion eröffnet das weite Terrain der heute möglichen Zuschreibungen. Er argumentiert für die Sakralität musealer Objekte, zumindest für eine Analogie zwischen diesen und sakralen Dingen. Doch könnte auch die Objektwelt der Industriegesellschaften insgesamt oder in Teilen als eine sakrale Welt verstanden werden, in denen die angebeteten Dinge (Auto, Unterhaltungselektronik, Kleidung, Behausung, Ernährung usw.) eine Art individualisierter und veralltäglichter Hierophanie bilden. Auch wenn der Begriff des Fetischismus wegen seiner ideologischen Grundierung wohl seine beste Zeit hinter sich hat, bleibt er dennoch attraktiv, zumal in seinen marxschen und freudschen Ableitungen. Auch das macht Kohl deutlich, ohne es explizit vorzuschlagen.
Im Anschluß an die Überlegungen Kohls ließen sich viele weitere Themen aufgreifen und mit ihm erörtern, so z. B. das des Verhältnisses von Natur und Kunst bzw. Religion und Kunst sowie bildlicher Darstellung. Kohl kennt die Literatur zur beginnenden Bildwissenschaft und hätte auch hierzu wohl manches mehr zu sagen, als dieser Text ihm zu erlauben schien. Für Museumsleute ist dieses Buch eine wichtige Lektüre, zumal das ausführliche Literaturverzeichnis Hinweise auf weitere Texte gibt. Text und Anmerkungen sind außerdem durch ein Register vorzüglich erschlossen.
Anmerkungen:
[1]. Krzysztof Pomian, Der Ursprung des Museums. Vom Sammeln (Berlin: K. Wagenbach, 1993.
[2]. Ernst Topitsch, Vom Ursprung und Ende der Metaphysik. Eine Studie zur Weltanschauungskritik (München: Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1972).
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Citation:
Jörn Sieglerschmidt. Review of Kohl, Karl-Heinz, Die Macht der Dinge: Geschichte und Theorie sakraler Objekte.
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October, 2004.
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