Die Ritter/ Les chevaliers. Historischen Museum der Pfalz, Speyer.
Reviewed by Rainer Atzbach
Published on H-Museum (July, 2003)
<b>English Summary</b> <p> This exhibition uses archaeological finds and written sources (mostly as facsimiles), to display an era of knighthood. Especially with regard to weapons and armor, it gives a good overview of developments taking place between the eleventeenth and early sixteenth century. Other sections of exhibit deal with <cite>Minne</cite> (love), the tournament, the castle (showing elaborated scaled models), everyday life, the end of knighthood, and its romantized rebirthing during the nineteenth century. <p> Although the showcases are well-labelled (in German and French), a more general explanation should have been given on tablets. Due to this lack use of the audioguide, which is available in English, is recommended. The secret highlight of this exposition is the "Jumus becomes a knight" section (hidden in the basement), which is designed for "young people," but is not only interesting for children. It contains a lot of information on childhood and everyday life during the Middle Ages, providing numerous opportunities to touch displays, to play or to test one's knowledge. Visiting this exhibit is worthwhile for all who are interested in medieval weapons, and for families who wish to discover the lost world of knights together. <p> <b>Die Ausstellung</b> <p> Es gibt wohl keine andere historische Personengruppe, mit der so viele Idealbilder, Legenden und auch Verfilmungen verknüpft sind wie mit den Rittern. Sie gelten als glanz- und ehrenvollste Facette des ansonsten angeblich so finsteren Mittelalters. Der Rundgang beginnt bei ihren Ursprüngen im 11. und 12. Jahrhundert und erläutert vornehmlich mit Originalfunden, aber auch unter Zuhilfenahme von Schriftquellen (leider meist Faksimiles) die Entstehung dieser abendländischen Lebensform. Eine zentrale Rolle spielt die Präsentation der Bewaffnung, die zugleich den Schwerpunkt der Hauptausstellung bildet: Die Entwicklung von Schwert und Helm als Kernelemente wird von den hochmittelalterlichen Nasalhelmen (gleich zwei der extrem seltenen Stücke sind zu sehen) bis zum Vollharnisch des späten 15. Jahrhunderts eindrucksvoll gezeigt. Hier wäre eine hellere Ausleuchtung wünschenswert--Metallfunde und Repliken bedürfen keiner Lichtbeschränkung--, das mystische Dunkel ist aber wohl Bestandteil des Designs. Den martialischen Höhepunkt des ersten Bereichs bildet die durchaus ernst gemeinte immerwährende Vorführung der Turniersequenz aus Noel Langleys "Ivanhoe - Der schwarze Ritter" (1952), passend sekundiert von zwei Schneiderpuppen gewandet in handelsüblichen Accessoires der Mittelaltermarkt-Szene. Als Kontrast wird die Minne erörtert--in ihrer ebenso edlen wie unerfüllten hohen und der derb-erotischen niederen Variante: Die Worte etwa Oswald von Wolkensteins oder der Codex Manesse sind von zeitloser Schönheit und berühren bis heute. <p> Der zweite Hauptbereich ist der Burg gewidmet. Eine Abfolge sehenswerter Modelle soll die Entwicklung von der frühmittelalterlicher Fluchtburg zur klassischen Adelsburg als standesgemäßer Behausung dokumentieren, der maßstäblich verkleinerte Nachbau einer Blide (Katapult) symbolisiert zugleich ihre Belagerung. Während jedoch im vorigen Ausstellungsteil die Balance zwischen einführenden Texten und Exponaten gewahrt ist, verschiebt sie sich hier zugunsten der Visualisierung. Gerade die sehr detaillierten Modelle hätten eine intensivere Erläuterung der dargestellten Elemente und auch der Gesamtentwicklung verdient. Wer den hierzu sehr informativen Begleitband[1] nicht durch die Ausstellung tragen mag, kann sich mit dem handlichen Kurzführer aus dem Hause Schnell&Steiner[2] behelfen. Die im Burgenteil installierte Tastschirmpräsentation ist ein Gewinn für die Kenner der Region: Zu allen Burganlagen der Pfalz finden sich Bilder, Grundrisse und ein Abriss ihrer Geschichte. <p> Der nächste Abschnitt zeigt das Alltagsleben auf der Burg. Der geballte Einsatz archäologischer Funde ist für Fachleute sicherlich eine Augenweide, vermittelt aber Unkundigen nur einen sehr reduzierten Einblick. Obwohl die Objektbeschriftungen (übrigens durchgehend zweisprachig deutsch/ französisch) prägnant und gut platziert sind, wären auch hier ausführlichere Erläuterungen zu Versorgung, Ernährung und Lebensführung wünschenswert. Leider hilft auch der bisher informative Audioguide nur wenig weiter. <p> Eine deutlich glücklichere Hand waltete dagegen in der folgenden Sektion: Eine gelungene Kombination originaler Funde, historischer Abbildungen und kurzer, aber präziser Texte beleuchtet Jagd, Spiel und Musik. Gerade letztere wird zu einem echten Erlebnis, da über einen Tastschirm die Klänge nachgebauter Instrumente zu kurzen Erläuterungen ein Stück mittelalterlicher Lebensfreude wiedererstehen lassen. <p> Im Bereich Feuerwaffen befindet sich die unverdient schlecht ausgeschilderte Abzweigung zum heimlichen Glanzstück: "Jumus wird ein Ritter" im Untergeschoss, gestaltet vom JUngen MUSeum Speyer, richtet sich an "junge Menschen"--und es wäre ein grober Fehler, hierunter nur Kinder zu verstehen.[3] An einen großzügigen Kletter(!)- und Spielbereich mit modernen Utensilien (Playmobilburg, Lego usw.) schließt sich eine sorgfältig aufbereitete Ausstellung zur Ausstellung an, die alle Fragen zu Leben und Alltag nicht nur von Kindern im Mittelalter beantwortet. Die Texte sind klar und informativ, aber noch wichtiger ist die Gelegenheit, vieles anzufassen oder anzuprobieren--so mancher Vater stülpt sich den Helm noch vor seiner Tochter über den Kopf. Diese Zone entschädigt nicht nur gelangweilte Kinder für die eher sterile Präsentation der oberen Räume. Auch wenn es leider keine Betreuung gibt (dies wäre sicher eine echte Marktlücke für Ich-AGs!), macht "Jumus" den Ausstellungsbesuch zum echten Familienerlebnis. <p> Zurück im oberen Ausstellungsbereich schließt sich der Niedergang des Rittertums an, der weniger durch die Feuerwaffen als durch eine Veränderung der Kriegsführung verursacht wurde. Den Endpunkt bildet die theatralische Wiederbelebung des Rittertums im 19. Jahrhundert, teils als heute grotesk wirkende Inszenierung einer hochadligen Laienspielschar, teils als politische Demonstration teutscher Überlegenheit wider den nachbarlichen Erbfeind (Bau der preußischen Operettenburgen entlang des Rheins). Die hoch gegriffen als "Multivision" bezeichnete Filmvorführung (deutsch/ französisch) gibt zwar abschließend eine gute Zusammenfassung zum Thema, freilich wäre ein Besuch dieser eigentlich letzten Station vor dem Rundgang zu empfehlen. <p> Der Begleitband <p> Der reich und qualitätvoll illustrierte Begleitband gibt in sprachlich wie inhaltlich gelungener Form einen runden Überblick zur Welt der Ritter, aber auch ihrer Frauen und Kinder. Die Abschnitte Historischer Überblick - Zum Begriff des Ritters--Lebenslauf--Familie--Liebe und Minne--Die Rüstung-- Waffen--Krieg und Fehde--Das Turnier--Wappen und Herolde--Kreuzzüge-- Ritterburgen--Bau- und Raumprogramm der Burg--Verteidigung und Belagerung--Wohnverhältnisse--Der Alltag--Fest und Zerstreuung--Exemplarische Lebensläufe--Niedergang des Rittertums--beleuchten Aufstieg, Blüte, Alltag und Verfall dieser spezifisch mittelalterlichen Lebensform aus allen Richtungen. Der bedauerliche Verzicht auf einen Katalog zu den Exponaten im engeren Sinne hatte sicherlich finanzielle Gründe. Es mag auch kleinlich sein, auf das Fehlen der beiden wichtigsten wissenschaftlichen Neuerscheinungen in der Literaturliste hinzuweisen.[4] Ein größeres Manko ist dagegen die Vernachlässigung eines zentralen Aspekts des Rittertums: die christliche Dimension. Im Buch wird dieses Thema auf einer Seite (S. 12) abgehandelt, in der Ausstellung fehlt es bis auf zwei Nebensätze komplett-- im Gegensatz zum im zeitgenössischen Verständnis weit weniger bedeutenden Turnier (S. 66-72). Dies ist eine beinahe sträflich zu nennende Unterlassung: Der christliche Glaube war im Mittelalter keine Privatangelegenheit, sondern eine allgegenwärtige Grundüberzeugung. Dies gilt noch viel stärker für eine Kriegerkaste, die von ihren Idealen her bereit war, in Ausübung ihres Glaubens sogar in den Tod zu gehen und dies als Weg der Nachfolge Christi verstand. Trotz dieser Lücke macht die ansonsten fundierte Darstellung und die klare Sprache das Buch zu einem Gewinn nicht nur für interessierte Laien, sondern durchaus für alle, die einen Einstieg in das Thema suchen. <p> Fazit <p> Die Ausstellung bietet einen insgesamt guten Überblick zum Rittertum im Mittelalter. Besonders der vom Jungen Museum gestaltete Bereich lässt den Besuch auch für Familien zu einem bleibenden Erlebnis werden. Der gelungene Begleitband ermöglicht nicht nur die gezielte Lektüre nach der Heimkehr, sondern kann auch für sich allein als Einführung in das Thema bestehen. Das Historische Museum Speyer erklärt somit gleich doppelt in überzeugender Weise, warum "Ritterlichkeit", "Kavalier", "Höflichkeit", "Dienst" und "Ehre" bis heute als abendländische Werte und bleibendes Erbe dieser vor 500 Jahren untergegangenen Lebensform fortbestehen. <p> Anmerkungen: <p> [1]. Andreas Schlunk/Robert Giersch: Die Ritter. Geschichte--Kultur--Alltagsleben, Stuttgart 2003. <p> [2]. Ulrich Großmann: Burgen und Schlösser. Entdecken und Verstehen. Ein Schnellkurs, Regensburg 2001. <p> [3]. "Jumus wird ein Ritter". Begleitausstellung Junges Museum: http://www.zum.de/Faecher/G/BW/Landeskunde/rhein/kultur/museen/speyer/ausste ll/ritter/txtejumus.htm (1.7.2003) <p> [4]. Horst-Wolfgang Böhme (Hg.): Burgen in Mitteleuropa. Ein Handbuch, Darmstadt 1999; Thomas Biller/Georg Ulrich Großmann: Burg und Schloss. Der Adelssitz im deutschsprachigen Raum, Darmstadt 2002. <p>
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Citation:
Rainer Atzbach. Review of , Die Ritter/ Les chevaliers.
H-Museum, H-Net Reviews.
July, 2003.
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