Pergamon. Geschichte und Monumente der antiken Stadt. Konrad Theiss Verlag.
Published on H-Soz-u-Kult (December, 2000)
Der Pergamonaltar ist nur ein Beispiel fuer die Konkurrenz europaeischer Museen um die "Sicherung" antiker Monumente im 19. Jhd.[1] Doch an dieser Stelle soll es nicht um Probleme der Dislozierung antiker Kunstschaetze gehen, sondern um das antike Pergamon in der akademischen Lehre, etwa in Lehrveranstaltungen zur griechischen und roemischen Geschichte.[2] Die Pergamon-CD-ROM ist keine Multimediaapplikation, die speziell fuer die althistorische Lehre und Forschung entwickelt worden waere, sondern fuer archaeologisch Interessierte auch ausserhalb der Universitaet. Im folgenden soll die CD-ROM vorgestellt und mit anderen Medien zu Pergamon verglichen werden.[3] Sie ist symptomatisch fuer die Eignung archaeologischer CD-ROMs bei Fragen der Topographie, also der historischen Entwicklung antiker Staedte, stellt aber gleichwohl ein besonders gut gelungenes Beispiel fuer eine Archaeologie-CD-ROM dar. <p> Die zum Historikertag in Aachen erschienene CD-ROM bietet ihre Inhalte gut ueberschaubar dar. Juergen Suess und Mitarbeiter haben Pergamon besucht, eigene Photographien angefertigt, sicher auch mit den Ausgraebern gesprochen und anschliessend das Material in eine multimediale Praesentation mit Makromedia Director gebracht. Der Text laeuft in einem 800x600 Punkte grossen Bildfenster ab (65.536 Farben). Am Anfang bietet die CD-ROM fuer Windows eine etwa fuenfminuetige Einfuehrungssequenz in Gestalt einer "Diaschau" mit gesprochenem Text. Alle Bilder der Einfuehrungssequenz koennen bei der spaeteren Arbeit mit der CD-ROM auch einzeln angesehen werden. Der Text weist gelegentlich Maengel--wenn nicht Fehler--auf. So heisst es am Anfang der Sequenz im Begleittext: "Beruehmt wurde die Stadt [...], als die Dynastie der Attaliden sie zu ihrem Sitz machte." Der Wechsel des Sitzes der Dynastie wird hier faelschlich behauptet. Es war doch umgekehrt: Fuer den seleukidischen Verwalter Philetairos bot sich beim Zerfall des Seleukidenreiches die Gelegenheit, sich in Pergamon selbstaendig zu machen und eine Dynastie zu begruenden (281 v. Chr.). Die uebrigen Texte auf der CD-ROM sind von der Qualitaet her recht unterschiedlich. Zumeist liegt das daran, dass bei einer multimedialen Praesentation der Text sehr kurz gehalten werden muss. Bei Stichproben auf der CD-ROM fiel mir ein Anachronismus auf: In dem darstellenden Text zur Geschichte von Pergamon in der hellenistischen Zeit wird davon gesprochen, dass ein militaerisches Buendnis mit Rom den Aufstieg Pergamons beguenstigte. Der einschlaegige Vertrag wird bekanntlich erst in die Jahre 212/11 v. Chr. datiert und ist nicht einmal direkt zwischen Rom und Pergamon geschlossen worden. <p> Die Vielzahl der bislang unpublizierten Photographien und neu gezeichneten Plaene--insgesamt ueber 600--macht die CD-ROM interessant, wenn es um topographische Themen geht. Auch in Ergaenzung zu gedruckten Publikationen sind die vielen Photos bemerkenswert. Die Abbildungen sind teilweise ueber die Zeitleiste zu finden, teilweise ueber Menues. Das einfachste ist es, ein Gebaeude ueber den Index zu suchen. Als Beispiel dient der Demeter-Tempel. <p> Das linke Textfeld vermittelt nur sehr kurze Informationen, die aber zur ersten Orientierung ausreichen. Die kleinformatigen Photos und Plaene unten koennen im rechten Bildfeld vergroessert angesehen werden; die Aufloesung entspricht etwa 600x400 Bildpunkten. Ein Photo zeigt den Blick auf Tempel und Altar. Im Falle des Demetertempels wird sowohl ein Grundriss als auch ein Querschnitt des Gelaendes angeboten. Zudem erlaeutert eine Skizze den Wandel der Tempelfront in der 2. Haelfte des 2. Jhds. n. Chr. Alle auf der Pergamon-CD enthaltenen Bilder sind recht anschaulich und entsprechend gut im Unterricht verwendbar. Unten als Beispiele eine topographische Uebersicht ueber den Burgberg und eine Karte mit der groessten territorialen Ausdehnung von Pergamon: <p> Weder Text noch Bilder koennen exportiert werden, aber eine Kopie aus dem Bildschirmspeicher waere denkbar.[4] Manche Abbildungen auf der Pergamon-CD liegen in Gestalt von Abzeichnungen und Aquarellen vor, eigentlich ohne Grund. Muenzbilder fuer die Portraets wie z.B. das des Philetairos waeren leicht beschaffbar gewesen. Insgesamt faellt die gute Bebilderung auf, auch in Ergaenzung zu dem Buch von Radt (Anm. 3). Die CD-ROM ist geeignet fuer das Selbststudium--natuerlich zusammen mit gedruckten Texten; also duerfte sie auch bei der Vorbereitung von Referaten verwendbar sein. <p> Abschliessend ist ein Vergleich zu ziehen, was die Pergamon-CD-ROM gegenueber anderen Angeboten fuer Vorteile bringt. Die wohl bekannteste Bilddatenbank mit althistorischem Nutzen ist das Perseus-Projekt, das sowohl auf CD-ROMs als auch im Internet vorliegt.[5] Diese Materialien zur griechischen Geschichte umfassen etliche wichtige Quellen von Herodot bis Pausanias in zweisprachiger Fassung (griech.-engl.) und mit sprachlichen Hilfen. Erlaeuternde Texte und Bilder verschiedenster Art wurden dann mit den Quellen verknuepft. Pergamon ist nur eine von ueber 100 Staedten, die in Perseus genauer charakterisiert werden. Deshalb muss man sich die zugehoerigen Texte und Bilder mit der Suchfunktion zusammenstellen. Sowohl die WWW-Version als auch die CD-ROMs enthalten jeweils mehr als 200 Photographien der Stadt und dazu noch ein paar Muenzbilder. Die Photographien, die auf Seiten zu 16 kleinen Bildern zusammengestellt sind, lassen sich auf ein Format von etwa 550 * 350 Bildpunkten vergroessern. Allerdings sind nicht alle Gebaeude abgelichtet, auf die vielleicht die Sprache kommen koennte. So findet man keine Abbildung des Amphitheaters von Pergamon. Einen Stadtplan oder Gebaeudeplaene findet man in Perseus ebenfalls nicht. Zum Demetertempel allein sind 23 Bilder enthalten. <p> Wenig bekannt ist, dass die CD-ROMs der Produktreihe "Digitale Bibliothek" hervorragende Abbildungen enthalten. Dort liegt beispielsweise die "Propylaeen Weltgeschichte" in digitaler Form vor.[6] Neben dem vollen Text sind Abbildungen und Reproduktionen der Originalausgabe eingebunden worden. Auffaellig ist die schoene Karte des Seleukidenreiches, die aus 2700*1900 Bildpunkten besteht und auch auf einer Folie fuer den Overheadprojektor gute Dienste leisten wuerde. Zudem ist ein Photo des Burgberges von Pergamon und eine dynastische Uebersicht enthalten. Gegenueber der Pergamon-CD faellt die einfache Moeglichkeit des Exportes von Text und Bildern positiv auf. Das seinerzeit von Johannes Irmscher herausgegebene "Lexikon der Antike" liegt ebenfalls in der CD-ROM-Reihe vor.[7] Die dem Buch beigegebenen Tafeln mit vorwiegend schwarz-weissen Abbildungen koennen nun nach Stichworten durchsucht werden. Nuetzliche Bilder wie die Alexanderbueste oder ein Modell des Burgberges von Pergamon, insgesamt 12 Abbildungen, sind zu finden. <p> Recht gutes illustratives Bildmaterial zum Thema Pergamon ist also auf CD-ROM und sogar im Internet verfuegbar ist, aber dieses Material hat fuer wissenschaftliche Zwecke (z.B. Ausschnittsvergroesserungen) mitunter eine zu geringe Aufloesung. Somit ist man mitunter gezwungen, ergaenzendes Material entweder in der Form von Photos oder aber guten Abbildungen in Buechern zu ermitteln und selbst zu digitalisieren. Die Digitalisierung des Materials kann mit handelueblichen Flachbettscannern.[8] oder Digitalkameras[9] erfolgen. Diese Techniken werden allmaehlich immer weiter verbreitet. Warum sollte nicht auch in der Geschichtswissenschaft ein Referat die Gestalt einer Powerpointpraesentation[10] annehmen, wie in der Naturwissenschaften schon recht verbreitet ? Mithilfe der Pergamon-CD-ROM koennen sehr schnell multimediale Elemente in die akademische Lehre eingebracht werden;[11] die fuenfminuetige Einfuehrungssequenz kann dazu dienen, die Lokalisierung von Pergamon, seine Ausdehnung und die wichtigsten Bauten vorzustellen;[12] auch im weiteren Verlauf einer Lehrveranstaltung kann das Bildmaterial gute Dienste leisten--notfalls in Gestalt von Overheadfolien, die aber gegenueber einer CD-ROM den grossen Nachteil haben, dass sie immer nur ein Bild zeigen. <p> Anmerkungen: <p> [1]. Dazu Hans-Joachim SCHALLES: Der Pergamon-Altar zwischen Bewertung und Verwertbarkeit, Frankfurt 1992. <p> [2]. Die Pergamon-CD-ROM war eines der Beispiele meines Vortrages "Althistorische Bilddatenbanken in Forschung und Lehre", den ich im Colloquium von W. Nippel an der Humboldt-Universitaet zu Berlin am 22.11.2000 gehalten habe. Den Diskutanten sei ebenso wie Gregor Staab (Bonn) gedankt, der den Text durchgesehen hat. <p> [3]. Neben CD-ROMs natuerlich auch das Standardwerk von W. Radt: Pergamon, Darmstadt 1999. Pergamon als touristisches Reiseziel wird ebenfalls in etlichen Videofilmen beruehrt, doch eher am Rande. <p> [4]. Den gaengigen Bildverarbeitungsprogrammen liegen solche Hilfsmittel ("screenshot") bei, z.B. Ccapture im Paket Coreldraw. <p> [5]. Zur CD-ROM vgl. http://www.yale.edu/yup/Perseus2.html (Concise edition $ 150; Comprehensive edition $ 350 , mit drei zusaetzlichen Bild-CD-ROM); viele der Daten sind auch im Internet nutzbar, z.B. auf http://perseus.tufts.edu und seinem Spiegelbild http://perseus.mpiwg-berlin.mpg.de. <p> [6]. Propylaeen Weltgeschichte, Digitale Bibliothek 14, Berlin 1999; vgl. Bjoern Hoffmanns Rezension in H-Soz-Kult, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensio/digital/cdrom/datenban/hobj0799.htm. <p> [7]. Lexikon der Antike, Digitale Bibliothek 18, Berlin 2000; vgl. die Beschreibung des Herstellers: http://www.digitale-bibliothek.de/scripts/ts.dll?s=2&id=40758&mp=/art/1618/ . <p> [8]. 600 dpi, guenstig ist 1200 dpi. Beispiele fuer Anwendungsmoeglichkeiten in der Numismatik gibt der Artikel von M. SEHLMEYER: Wissenschaftliches Arbeiten mit digitalisierten antiken Muenzen, in: M. FELL/ W. SPICKERMANN/ L. WIERSCHOWSKI (Hrsg.): Machina computatoria. Zur Anwendung von EDV in den Altertumswissenschaften (Computer und Antike 4), St. Katharinen 1997, S. 106-127. <p> [9]. Ab 1 Million Bildpunkte, fuer wissenschaftliche Zwecke sind 3 Millionen Punkte (2048 x 1536) sinnvoll. Vgl. fuer numismatische Zwecke: H. KOMNICK/ U. PETER: Zur digitalen Fotografie von Gipsabguessen antiker Muenzen. Erste Erfahrungen des "Grie-chischen Muenzwerkes", in: M. HAINZMANN/ C. SCHAEFER (Hrsg.): Alte Geschichte und Neue Medien. Zum EDV-Einsatz in der Altertumsforschung. (Computer und Antike 5), St. Katharinen 2000, S.140-51. <p> [10]. Zur Einfuehrung in dieses Programm, dessen Bildseiten im uebrigen auch auf Folien fuer Overheadprojektor ausgedruckt werden koennen: M. STEINBACH-REIMANN: Praesentation, in: B. BISTE/ R. HOHLS (Hrsg.): Fachinformation und EDV. Arbeitstechniken fuer Historiker, Koeln 2000 (HSR Suppl. 12), S. 310-319. [11] Vgl. das Plaedoyer von A. KOHRING: Multimediales Proseminar mit Tutorium zu einem Thema der Alten Geschichte, in: B. BISTE/ R. HOHLS (Hrsg.): Fachinformation und EDV. Arbeitstechniken fuer Historiker, Koeln 2000 (HSR Suppl. 12), S. 376-79. <p> [12]. Ein nuetzliches Hilfsmittel ist ein sogenannter Beamer, der den Bildschirminhalt an die Wand projiziert. Diese Geraete stehen in Rechenzentren in der Regel zu Verfuegung, doch warum sollte nicht auch eine philosophische Fakultaet ueber ein tragbares Geraet HUMANITIES - SOZIAL- UND KULTURGESCHICHTE <p>
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