Das Rätsel der Kelten vom Glauberg Eine Ausstellung des Landes Hessen. Schirn Kunsthalle.
Reviewed by Rainer Atzbach
Published on H-Museum (June, 2002)
<h4><i>English abstract: The Mystery of the Celts from Glauberg: An exhibition of the federal country Hessia and the Schirn Kunsthalle, Frankfurt, Germany. WWW: http://www.keltenausstellung.de</i> <p> <h4><i> This exhibition shows the famous grave findings of the "Celtic prince of Glauberg" (discovered in 1996) for the first time. It focuses on the presentation of the late Hallstatt period finds and monumental Celtic sculpture. In a very dramaturgical way, the guided tour begins with antique written sources, and then phases into an archaeological workshop (with "real" archaeologists), which includes some aspects of everyday life, including an exhibit of salt production in Bad Nauheim, Hessia and some graves of the prince's people. Finally, the tour leads to the excavations close to the Glauberg itself. After showing the research history, the precious finds from the two "Fürstengräber" are exhibited within the context of collections from nearly all of the principal graves in Central Europe. This is an oppurtinity to study the elaborated art of the period, and the widespread trading relations of early Celtic culture. One climax of the exhibit is a computer-animated reconstruction of the Glauberg burial, which explains the use and location of the finds. In the last room, nearly all of the European Celtic monumental sculptures are assembled. This is spectacular, not only for professional researchers. <p> <h4> It is a pity that neither an English audio guide nor English texts are available, but it is possible to book a guided tour in English or French. Visiting this exhibition is worth it for all people who are interested in the Celtic graveyard from Glauberg and its position within the context of late Hallstatt "Fürstengräber". If the visitor is no expert in Celtic culture and history, she or he should watch the introductory films in the cinema close to the entrance. The catalogue might be of interest only for private or professional researchers in Celtic archaeology, it is written in German without English summary or legends. </h4></i><p> <p>Rezension:<p> Acht Jahre nach Entdeckung des ersten Fuerstengrabes vom Glauberg wird dieser Jahrhundertfund--und darum handelt es sich--erstmals fast vollstaendig der Oeffentlichkeit praesentiert. Die Graeber und der heilige Bezirk in der Wetterau bilden folgerichtig den Bezugspunkt aller Sektionen der Ausstellung. <p> Im Eingangsbereich kommen die antiken Autoren zu Wort: Ihre Charakterisierungen zeichnen--je nach Bedrohungslage-- ein eher abschreckendes oder romantisierendes Zerrbild der Barbaren, die zwar nie ein einheitliches Reich etablierten, aber doch als Kultur- oder Sprachgemeinschaft in den letzten acht Jahrhunderten vor Christus weite Teile der Alten Welt von Grossbritannien ueber Italien bis in die heutige Tuerkei heimsuchten oder besiedelten. <p> Der benachbarte Filmraum zeigt in etwa 30 min einen runden und gelungenen Ueberblick zu Geschichte, Kultur und Religion dieses Volkes, aber auch zu den bedeutenden Funden vom Glauberg und von Hochdorf. Die Filme liefern Rahmen und Hintergrund fuer die Praesentation der Preziosen und sollten gerade von Nichtkennern unbedingt angesehen werden. <p> Der Gang entlang der Rotunde in der Schirn naehrt mit einer Galerie von Roentgenbildern aus dem Fuerstengrab die Neugier auf die eigentlichen Funde; auf halber Strecke ist jedoch eine Schauwerkstatt der Archaeologie selbst gewidmet: Videos und eine leibhaftige Wissenschaftlerin erlaeutern an Originalen die Methoden von Fundbergung und Dokumentation unter Nutzung naturwissenschaftlicher Verfahren--als Sonderfall. Denn hier ist auch eindringlich die Rede vom taeglichen Wettlauf mit dem Bagger und der allgegenwaertigen Vernichtung der Vergangenheit in Deutschland. <p> Der anschliessende Bereich "Die fruehen Kelten in Hessen" wirft ein Streiflicht auf den Alltag: Die Saline von Bad Nauheim, Eisenverarbeitung und Textilherstellung bildeten die Grundlage des Reichtums der Fuersten vom Glauberg. Ihr Volk wird in seinen Grabbeigaben wenigstens andeutungsweise sichtbar. "150 Jahre Forschung am Glauberg" fuehrt zum Thema zurueck und dokumentiert die lange und oft gluecklose Geschichte der Ausdeutungen und Ausgrabungen am prominenten Tafelberg. In Raum 7 beginnt der eigentliche Kernbereich: "Der zweite Mann im Reich des Fuersten vom Glauberg" lag im so genannten zweiten Fuerstengrab. Die Pracht seiner Beigaben gibt einen ersten Eindruck vom Reichtum der Oberschicht und Gelegenheit zur Erlaeuterung der keltischen Mythologie. Es folgt der erste Hoehepunkt der Frankfurter Ausstellung, hier ist der "Prunk der Keltenfuersten" versammelt: fast alle bekannten fruehen Fuerstengraeber der Kelten laden zum Vergleich. Die Inventare spiegeln nicht nur die weitgespannten Beziehungen der Oberschicht, sondern auch die hohe Kunstfertigkeit der einheimischen Handwerker, die aus mediterranen Vorbildern einen eigenstaendigen und formvollendeten Stil entwickelten. <p> Am Ende dieses Bereichs steht schliesslich die "Schatzkammer" des ersten Fuerstengrabs vom Glauberg, das 2500 Jahre von Raubgraebern verschont blieb und seine reiche Ausstattung bewahrte: hochwertiger Goldschmuck, reich verzierte Waffen und Speisebeigaben erhielten sich im Grabhuegel, der von einem "heiligen Bezirk" mit Tempel und Prozessionsstrasse umgeben war. Allein bedauerlich ist die allzu akademische Sprache der Tafeln (die der Audioguide wortreicher wiederholt) und das Fehlen eines beschrifteten (!) Uebersichtsplans. Zudem verzichtet die Ausstellung fast bis zu dieser Station auf Rekonstruktionen: denn hier klaert endlich eine ausgesprochen sehenswerte Animation die Trageweise der verschiedenen Schmuckstuecke am Leichnam und die Lage der Beigaben im Grab. Den Abschluss und zugleich zweiten Hoehepunkt der dramaturgisch inszenierten Ausstellung bildet der letzte Raum des Rundgangs: fast wie in einem "Heiligen Hain" umringen hier nahezu alle bekannten steinernen Grossplastiken der keltischen Fruehzeit die bekannte Skulptur mit der Laubkrone vom Glauberg, ein gelungenes Arrangement nicht nur fuer die Augen der Fachleute. <p> Fazit: Das eigentliche "Raetsel der Kelten" bleibt der Titel der Ausstellung, er folgt offenbar der bedauerlichen Mode, alle Erkenntnisse der Archaeologie als "Raetsel", "Mythos" oder "Sensation" praesentieren zu muessen. Davon abgesehen lohnt der Besuch dieser Landesausstellung fuer alle, die sich ein Bild vom bedeutendsten keltischen Fund in Hessen und seiner Einordnung in die Gruppe der mitteleuropaeischen Fuerstengraeber des 6.-5. Jahrhunderts v. Chr. machen wollen. <p> <cite>2. Die Begleitpublikationen</cite> <p> 2.1 Der Katalog <p> Der Aufsatzteil behandelt die fruehen Kelten in Hessen und Mitteleuropa. Im Mittelpunkt steht die Einordnung der Funde vom Fusse des Glaubergs, wobei auch die Schilderung von Bergung und Restaurierung der Objekte nicht zu kurz kommt. Die zentralen Aufsaetze von O.-H. Frey (S. 172-218) zu den Beigaben und den Statuen sind nicht nur fuer die Forschung von bleibendem Wert. Leider erscheint dagegen der eigentliche Hauptschauplatz, das seit dem Neolithikum besiedelte Plateau des Glaubergs als Fuerstensitz, merkwuerdig schemenhaft. Obwohl 1933-39 und wiederum 1985-98 Ausgrabungen auf diesem Areal stattfanden--die Entdeckung der Fuerstengraeber zu seinen Fuessen war nur ein Nebenprodukt!--, fehlen Ausfuehrungen zu deren Ergebnissen ebenso wie ein aktueller Gesamtplan (stattdessen Reprint des Grabungsberichts von 1959: S. 82-89). Hier muss weiterhin auf das Fuehrungsheftchen (Archaeologische Denkmaeler in Hessen 51) und die Website des Heimatvereins zurueckgegriffen werden (http://www.keltenfuerst.de). <p> Eine wertvolle Ergaenzung zur Ausstellung bilden die Abhandlungen zu Geschichte, Siedlung, Landwirtschaft und Herrschaft, die das Gesamtphaenomen der "Fuerstenherrschaft" am Ende der Hallstattzeit in einen groesseren Zusammenhang stellen. Ein eigener kurzer Abschnitt ist der neu eroeffneten "Keltenstrasse" in Hessen gewidmet, die neben dem Glauberg auch die anderen bedeutenden Fundorte (Oberursel, Friedberg, Bad Nauheim, Butzbach, Duensberg und Buedingen) zur Kultur und Geschichte der Kelten mit Museen und Informationstafeln erschliesst, auch wenn ein Faltblatt als Reisebegleiter sicherlich handlicher waere (Website: http://www.keltenstrasse.de). <p> Der Katalogteil folgt in seinem Aufbau nicht der Ausstellung, sondern stellt die Glaubergfunde den Vergleichsbeispielen voran. Hier ist sehr aergerlich, dass nicht alle Objekte bebildert sind und Farbaufnahmen den Glaubergfunden vorbehalten bleiben. Einmal mehr fehlt auf den Abbildungen eine Binnenbeschriftung und durchgehend der Massstab. <p> Insgesamt gesehen vermittelt der Katalogband ein differenzierteres Bild der Zeit der "Fuerstengraeber"; die Anschaffung--gerade vor dem Hintergrund des Preises--lohnt vor allem fuer jene, die als Hobby oder beruflich in der Keltenforschung taetig sind. <p> <cite>2.2 Keltenguide fuer Schueler</cite> <p> Als Eigenproduktion der Kunsthalle Schirn entstand ein Begleitheft, das sich eigentlich an Schueler wendet. Der reich und durchgehend farbig illustrierte Text ist fluessig geschrieben und verraet die journalistische Erfahrung der Autoren. Dennoch bietet er in komprimierter Form einen guten und facettenreichen Ueberblick ueber Kultur und Alltag der Kelten. Er streift die nur archaeologisch fassbaren Vorkulturen, legt aber klar den Schwerpunkt auf die Fuerstengraeber und die Zeit der historisch bezeugten Gallier, Keltoi und Galater, ohne dass ein Ausblick zum Ende der Festlandkelten mit der roemischen bzw. germanischen Eroberung fehlt. Der anschauliche Einsatz wissenschaftlich abgesicherter Rekonstruktionen belebt gelungen die Objekte der Ausstellung, zugleich ermoeglicht ein gut bestuecktes Literaturverzeichnis auch vertiefende Studien. Deshalb eignet sich diese Schrift nicht nur als Lehrmaterial fuer den Unterricht, sondern ist durchaus auch eine gewinnbringende Lektuere fuer alle Besucher der Ausstellung.
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Rainer Atzbach. Review of , Das Rätsel der Kelten vom Glauberg Eine Ausstellung des Landes Hessen.
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June, 2002.
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