Wolfgang Götz: Beiträge zur Vorgeschichte der Denkmalpflege. Instituts für Denkmalpflege an der ETH Zürich.
Published on H-Soz-u-Kult (April, 2000)
Bei diesem als CD-ROM vervielfaeltigten Buch handelt es sich gleichsam um die durchgesehene und leicht ergaenzte Zweitauflage der unter dem gleichen Titel 1956 maschinenschriftlich vorgelegten Leipziger Dissertation von Wolfgang Goetz, die damals noch den Untertitel trug: "Die Entwicklung der Denkmalpflege in Deutschland vor 1800". <p> Inhalt der CD-Rom ist schlicht und einfach die Textdatei des Buchs im PDF-Format (der Acrobate-Reader 3.01 ist beigefuegt), das ja (leider) auch im Internet mehr und mehr Anhaenger findet. Die technische Ausstattung genuegt in keiner Weise den an eine solche CD-ROM zu stellenden Anspruechen. Zwar darf der Text auszugsweise kopiert und gedruckt werden, doch wurden Seitenverweise, Verweise auf die Endnoten und den umfangreichen Beleganhang sowie auf das Literaturverzeichnis nicht als Verknuepfungen realisiert. Die Benutzung der CD-ROM erfordert also ein staendiges Hin- und Herspringen, was eigentlich unzumutbar ist. Hinzu kommt, dass die Seitenzahlen der PDF-Datei (insgesamt 202 Seiten) nicht identisch mit den Buchseiten (XIII, 189 S.) sind und natuerlich auch nicht mit den Seitenzahlen der maschinenschriftlichen Fassung von 1956 (ich zitiere im folgenden die Buchseiten von 1999). <p> Ein Vorwort von Georg Moersch erlaeutert die Vorgeschichte der vorliegenden, von Brigitt Sigel und Frank Neumann redigierten Publikation, mit der die Arbeit in den "Prozess der wissenschaftlichen Diskussion um Denkmal und Denkmalpflege" gestellt werden soll. In diesem Vorwort waeren auch einige pietaetvolle Saetze ueber den zuletzt in Saarbruecken Kunstgeschichte lehrenden Autor, Professor Wolfgang Goetz (1923-1996), und sein Lebenswerk am Platz gewesen. Goetz selbst, der sich im Saarland auch fuer die praktische Denkmalpflege sehr engagiert hat, steuerte ein 1994 datiertes Vorwort bei, in dem er ueber die seinerzeitige Entstehung der Arbeit unter erschwerten Bedingungen in der DDR[1] und seine Bedenken angesichts des an ihn herangetragenen Wunsches nach einer Wiederveroeffentlichung der nur in schlecht lesbaren Exemplaren kursierenden Arbeit Rechenschaft ablegt. Die beigegebene Bibliographie von Wolfgang Goetz bis 1994 dokumentiert, dass er dem in der Dissertation behandelten Thema bis zuletzt treu blieb. Ueberaus bedauerlich ist, dass die zum Thema vom Autor gesammelten Abbildungen keine Aufnahme in die CD-ROM gefunden haben. Zur Redaktion der Arbeit ist noch anzumerken, dass der Wortlaut der 647 Belege im Anhang offenbar nicht ueberprueft wurde. <p> Die Arbeit von Goetz gilt zu Recht als material- und gedankenreiches Grundlagenwerk, und ihre "Neuauflage" ist daher nur zu begruessen. Es ging Goetz nicht nur um fruehere analoge Beispiele zu moderner Denkmalpflege, deren Entstehung ja gemeinhin in das 19. Jahrhundert verlegt wird, sondern "ganz allgemein um das Verhaeltnis der historischen Epoche zu ihrem kulturellen Erbe auf Grund der ihnen immanenten historischen Bedingungen" (S. 7). Denkmalpflege definierte er als "die schoepferische Auseinandersetzung mit einem ueberkommenen Bestand, den es einzugliedern gilt in das jeweils gegenwaertige Leben durch bewusste Erhaltung, Wiederherstellung oder Ergaenzung unter Beibehaltung seiner charakteristischen Eigenschaften" (S. 7). Noch heute beeindruckt die Weite des Blickwinkels, der Aegypten und die Antike ebenso erfasst wie die italienische Renaissance und die Zeit der Franzoesischen Revolution um 1800. Bewundernswert ist die Materialfuelle, die ueberzeugend das gaengige Vorurteil, vor 1800 habe es so etwas wie Denkmalpflege nicht gegeben, widerlegt. Indem Goetz immer wieder auf den historischen Kontext der Baumassnahmen verweist, gewinnen seine Studien neue Attraktivitaet fuer einen kulturwissenschaftlichen Ansatz, der es unternimmt, aesthetische Phaenomene vor dem Horizont einer vormodernen "Erinnerungskultur" zu lesen.[2] Aus Anlass der bekannten "Echtergotik" formuliert Goetz beispielsweise programmatisch: "Stilwiederaufnahme und Historisieren sind auch fuer das fruehe 17. Jahrhundert nicht isolierte kunstgeschichtliche Erscheinungen, sondern sie fuegen sich ein in jenen gesamthistorischen Zusammenhang, aus dem auch die Denkmalpflege der Zeit erwaechst" (S. 44). <p> Auf den Schultern von Goetz, der seine Ueberlegungen in methodisch ausgerichteten Aufsaetzen zum vormodernen "Historismus" weitergefuehrt hat, ruhen auch die juengsten Ausfuehrungen vom Michael Schmidt zur Denkmalpflege im 16. und 17. Jahrhundert im Rahmen seiner kunsthistorischen Eichstaetter Dissertation ueber architektonische "Historizitaet"[3]--gemeint sind damit historisierende bzw. archaisierende Rueckgriffe, fuer die sich in der Kunstgeschichte der Begriff "retrospektive Tendenzen" quasi etabliert hat.[4] <p> In der Renaissance vollzieht sich nicht nur die Wiederentdeckung der antiken Kunst, es kommt noerdlich der Alpen auch zu einer verstaerkten Aufmerksamkeit fuer die Denkmaeler des eigenen Altertums. Die Verschraenkung der retrospektiven, auf Bewahrung und "Denkmalpflege" abzielenden Dimension der Erinnerung und der prospektiven, am ewigen Nachruhm ("fama") orientierten Dimension, vermag paradigmatisch das "Gedechtnus"-Projekt Kaiser Maximilians I. in den Jahren nach 1500 zu demonstrieren. Dieser liess sich von der antiken Erinnerungskultur inspirieren, als er Reiterdenkmal, Mausoleum und Triumphbogen revitalisieren wollte.[5] Maximilians nicht zuletzt genealogisch motivierten antiquarischen Interessen ordnen sich ein in die Anfaenge und Vorlaeufer jener breiten Bewegung, die man als "Antiquarianismus" zu bezeichnen pflegt und die wesentliches zur Ausformung der modernen Geschichtswissenschaft beigetragen hat.[6] Um nur noch ein weiteres Beispiel herauszugreifen: Die Kunsthistorikerin Ulrike Goetz hat fuer den Freisinger Fuerstbischof Eckher (1696-1727) die Achtung der "antiquitas" als eines der Leitmotive seiner Bautaetigkeit herausarbeiten koennen. Bauliche Traditionspflege und gelehrte Forschung ueber das 1000jaehrige Freising griffen dabei Hand in Hand. Eine Beschreibung von 1724 sagt ueber die Domvorhalle explizit, sie sei "zur Gedechtnus der antiquitet" in ihrem Zustand belassen worden.[7] Es bedarf also in jedem Fall einer interdisziplinaeren Zusammenschau von Texten, Bildern und Monumenten, will man die zeitgenoessischen Bemuehungen um Bewahrung und Stiftung von Erinnerung zum Sprechen bringen. <p> Wer sich fuer die Geschichte von Denkmalpflege und Denkmalschutz[8] interessiert, kommt um die Lektuere der Goetzschen "Beitraege", die nunmehr sehr viel bequemer zugaenglich sind, nicht herum. Doch auch die Forschung zur vormodernen Erinnerungskultur und zum Geschichtsverstaendnis in Mittelalter und frueher Neuzeit kann von dem ausgebreiteten Material und den nach wie vor anregenden Ueberlegungen von Goetz nur profitieren. <p> Anmerkungen: <p> [1]. Wenigstens anmerkungsweise erwaehnt sei, dass Goetz mit seiner Dissertation (von den Gutachtern als "sehr gut" bewertet) Opfer der stalinistischen Wissenschaftspolitik wurde, wie aus dem Nachruf von Gerald Wiemers (in: Universitaet Leipzig H. 2/3, April 1996, S. 24-25) hervorgeht (freundlicher Hinweis des Universitaetsarchivs Saarbruecken). Nachdem Goetz und sein Doktorvater Heinz Ladendorf 1958 die DDR aufgrund der Schikanen der SED verlassen hatten, wurde beiden "Republikfluechtigen" wenig spaeter am 12.3.1958 durch die Philosophische Fakultaet der Doktortitel entzogen, ein Beschluss, der erst 1990 aufgehoben wurde. <p> [2]. Vgl. Klaus Graf, Retrospektive Tendenzen in der bildenden Kunst vom 14. bis zum 16. Jahrhundert. Kritische Ueberlegungen aus der Perspektive des Historikers, in: Mundus in imagine. Bildersprache und Lebenswelten im Mittelalter. Festgabe fuer Klaus Schreiner, hrsg. von Andrea Loether u.a., Muenchen 1996, S. 389-420. <p> [3]. Michael Schmidt, reverentia und magnificentia. Historizitaet in der Architektur Sueddeutschlands, Oesterreichs und Boehmens vom 14. bis 17. Jahrhundert, Regensburg 1999. <p> [4]. Eine regelmaessig aktualisierte Online-Bibliographie zu diesem Thema bietet der Rezensent unter: http://www.uni-koblenz.de/~graf/retro.htm <p> [5], Vgl. juengst Thomas H. von der Dunk, <cite>Das Deutsche Denkmal. Eine Geschichte in Bronze und Stein vom Hochmittelalter bis zum Barock</cite>, Koeln/Weimar/Wien 1999, S. 239. <p> [6]. Vgl. Wolfgang Weber, Zur Bedeutung des Antiquarianismus fuer die Entwicklung der modernen Geschichtswissenschaft, in: Geschichtsdiskurs Bd. 2: Anfaenge modernen historischen Denkens, Frankfurt a. M. 1994, S. 120-135 und die weiteren Beitraege ebenda von Henning Wrede und Wolfgang Ernst. <p> [7]. Ulrike Goetz, Kunst in Freising unter Fuerstbischof Johann Franz Eckher 1696-1727. Ausdrucksformen geistlicher Herrschaft, Muenchen/Zuerich 1992, besonders S. 242-278. Zitat: S. 249. <p> [8]. Hingewiesen sei auf die sorgfaeltige juristische Arbeit von Felix Hammer, Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts in Deutschland, Tuebingen 1995. <p>
If there is additional discussion of this review, you may access it through the network, at: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/.
Citation:
Review of , Wolfgang Götz: Beiträge zur Vorgeschichte der Denkmalpflege.
H-Soz-u-Kult, H-Net Reviews.
April, 2000.
URL: http://www.h-net.org/reviews/showrev.php?id=14967
Copyright © 2000 by H-Net, Clio-online, and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact H-SOZ-U-KULT@H-NET.MSU.EDU.