A History of Romania. Center for Romanian Studies.
Kurt Treptow, ed. A History of Romania. Iasi: Center for Romanian Studies, 1997. xxv + 740 pp. $70.00 (cloth), ISBN 978-973-98091-0-8.
Reviewed by Armin Heinen
Published on HABSBURG (May, 1999)
Revisionismus ohne Fussnoten. Eine Geschichte Rumaeniens auf CD
Fuer einigen Aufruhr sorgte die Library of Congress in Washington, als sie 1996 die im folgenden zu besprechende CD offiziell vorstellen wollte. Vertreter namhafter juedischer Organisationen, vor allem von B'nai B'rith und dem U.S. Holocaust Memorial Museum, protestierten gegen die Einladung des amerikanischen Herausgebers, Kurt Treptow, so dass zum Schluss die Veranstaltung abgesagt wurde. Wie lauteten die Vorwuerfe gegen den Historiker? George Spectre von B'nai B'rith nannte Treptow, der heute in Rumaenien lebt, einen Revisionisten, der die Eiserne Garde ebenso reinwaschen wolle wie er von den rumaenischen Greueltaten waehrend des Zweiten Weltkrieges bewusst ablenke. Andere monierten Treptows Zusammenarbeit mit Gheorghe Buzatu, einem rechtsstehenden rumaenischen Historiker, der die Rehabilitation Antonescus anstrebt. <p> Treffen die Vorwuerfe zu? Um es kurz zu machen: Die Vorhaltungen sind, so scheint es, berechtigt. Dabei haben namhafte Autoren Texte fuer die CD angefertigt. Zu ihnen zaehlen u.a. Florin Constantiniu, Paul E. Michelson, Ioan Scurtu. Andere, wie Larry Watts, der eine hoechst problematische Antonescu-Biographie vorgelegt hat,[1] gehoeren unbestreitbar zum revisionistischen Lager. Welcher der Verfasser fuer die Kapitel konkret verantwortlich zeichnet, verschweigt freilich die Gliederung. <p> Technisch ist die CD recht einfach konzipiert. Sie basiert auf einem Adobe Acrobat Dokument, dessen Inhalt sich durch Hyperlinks erschliesst. Ungefaehr 400 Photos (geringer Aufloesung), 14 Karten (zu klein) und 40 Video-Clips (teils ohne Kommentar und Uebersetzung) lockern die Texte durch multimediale Elemente auf. Indes fehlt ein zentraler Index, so dass die Darstellung nicht als EDV-Lexikon zur rumaenischen Geschichte genutzt werden kann. Jedes der chronologisch gegliederten Kapitel (Altertum, Mittelalter, Fruehe Neuzeit, Neuzeit, 20. Jahrhundert) bietet einen Einstieg nach medialen Gesichtspunkten. Der Nutzer kann demnach waehlen, ob er sich ein Video anschauen, Bilder betrachten, Karten auswerten oder einen Text lesen moechte. Erst in einem zweiten und dritten Schritt findet man schliesslich die gewuenschte Darstellung zu einem bestimmten Thema. Fuer die Navigation innerhalb des Textkorpus bedeutet dies, der Nutzer muss sehr viel klicken. <p> Die Beitraege selbst sind sprachlich und inhaltlich bewusst einfach gehalten. Dennoch bleibt die Frage offen, warum sie auf eine CD-gepresst wurden. Jedenfalls kann von einer dem Medium gerechten Publikation keine Rede sein. Haeufig gilt es, viele Seiten a 16 Zeilen durchzuarbeiten, ohne die Moeglichkeit zu haben, einzelne Textelemente zu markieren und zu kopieren. Offenbar um das Copyright zu schuetzen, wurde die Kopierfunktionen ausgeschaltet. <p> Hat man sich an die umstaendliche Bedienerfuehrung gewoehnt und schliesslich eine Uebersicht ueber den Inhalt der CD gewonnen, so ist schnell deutlich, dass ein vergleichsweise konservatives Geschichtswerk vorliegt in der Tradition rumaenischer Nationalgeschichtsschreibung: Frauengeschichte, Umweltgeschichte, Sozialgeschichte, moderne Kulturgeschichte, alles das kommt nicht vor. Selbst die Geschichte der ethnischen Minderheiten fehlt weitgehend. Ein gesondertes Kapitel waere hier jedenfalls angemessen gewesen. Dafuer gibt es kurze lexikonartige Beitraege zu den rumaenischen Provinzen einschliesslich Bessarabiens. <p> Ueberhaupt entspricht die Argumentationsweise der von unumstoesslichen Aussagen nach dem Muster von Chronologien. Divergierende Interpretationsansaetze bleiben unerwaehnt, sozialwissenschaftlich reflektierende Deutungen (geographische und klimatische Bedingungsfaktoren,[2] Peripherisierung, Modernisierung, Nationalismus, Faschismus ...) fehlen gaenzlich. Fussnoten, welche die Argumentation stuetzen wuerden oder weiterfuehrende Lektuere ermoeglichen koennten, werden nicht geboten. Besonders gefaehrlich ist dies, wie von den Kritikern zurecht angemerkt, im Falle der Eisernen Garde und von Antonescus Judenpolitik. So heisst es ueber Corneliu Zelea-Codreanu, den Fuehrer der faschistischen Legion Erzengel Michael: "(He) rose to become one of the most popular political leaders of inter-war Romania. . . . He later broke with Cuza and formed the Legion of the Archangel Michael in 1927, a right-wing movement that sought the moral and spiritual rejuvenation of Romania, basing its ideology on Romanian tradition, mixed with Orthodox mysticism, and anti-Semitism" (S. 299). Und an anderer Stelle (S. 54f.): "In the spring of 1935, Codreanu, together with World War I military hero General Gheorghe Cantacuzino-Granicerul, laid the foundations for the All for the Country Party. The Legion became an active force in Romanian political life, working within the constitutional system to achieve its ends. Legionaries mobilized the Romanian youth, working to build a sense of civic responsibility among the younger generation." Die Gewalttaten der Legion werden hier heruntergespielt, der faschistische Charakter der Eisernen Garde und ihre phaenomenologische Naehe zum Nationalsozialismus verschwiegen. <p> Geschichtsfaelschung finden wir auch bei der Darstellung des Schicksals der Juden 1940-1944. Zwar weist der Autor (Larry Watts?) auf das schwere Los der juedischen Bevoelkerung hin, macht hierfuer freilich ausschliesslich die Deutschen verantwortlich sowie die Willkuer einzelner rumaenischer Militaers. Antonescu habe alles ihm Moegliche unternommen, um in schwierigen Zeiten die Juden Altrumaeniens und Siebenbuergens zu schuetzen und die als Feinde betrachteten Juden der Bukowina und Bessarabiens vor ungerechtfertigter Verfolgung zu bewahren. Nachdem es immer wieder zu Uebergriffen gekommen sei, habe Antonescu die Deportation der Juden jenseits des Dnjestr verfuegt. Die Befehle, die eine menschliche Behandlung der Juden waehrend des Transports forderten, seien freilich missachtet worden. Doch habe Antonescu in Reaktion hierauf strenge Untersuchungen angeordnet. Insgesamt gelte, dass ohne Antonescu und dessen doppelten Judenpolitik, also der aeusseren Anpassung an die Berliner Forderungen bei gleichzeitiger milder Politik nach innen, die Juden das gleiche Schicksal erlebt haetten wie in Ungarn. Von den mehreren hunderttausend rumaenischen und ukrainischen Juden, die infolge der Politik Antonescus den rumaenischen Holocaust nicht ueberlebten, ist keine Rede. Antonescus Verantwortung fuer die Politik der ethnischen Saeuberung und den Pogrom in Odessa bleibt unerwaehnt. <p> Andere Kapitel berichten unpraetentioes im Sinne einer ausfuehrlichen Chronologie ueber die Geschichte des Landes. So bleibt die Darstellung zum 19. Jahrhundert zwar ganz in den traditionellen Bahnen politischer Geschichtsschreibung, weist aber--um ein Beispiel zu nennen--zurecht darauf hin, dass die Vereinigung zu Grossrumaenien 1918 gleichermassen der Nationalbewegung geschuldet war wie dem Eingreifen der rumaenischen Armee und der internationalen Situation. Wenig inspiriert wirken auch die Ausfuehrungen ueber die Jahre der kommunistischen Machteroberung und Machtentfaltung. Gheorghe Gheorghiu-Dej und Ceausescu stehen ganz im Mittelpunkt, gleichsam als sei Geschichte wirklich das Ergebnis der Entscheidung einzelner. Mit keinem Wort wird nach den gesellschaftlichen Voraussetzungen und den Folgen fuer den Aufbau einer Zivilgesellschaf gefragt.[3] Andererseits geben die Ausfuehrungen zu den sich wandelnden wirtschaftspolitischen Konzepten und deren Konsequenzen einen guten Einblick in die sich verengende politische Basis fuer die Diktatur. Am ueberzeugendsten fand ich den Abschnitt ueber die Jahre der Transformation nach 1989. Hier wird tatsaechlich einsichtig, warum der Weg in die moderne westliche, europaeische Demokratie fuer Rumaenien so schwierig ist-- wirtschaftlich, kulturell, sozial und politisch--und wie ueberraschend viel angesichts dieser Ausgangslage schon erreicht worden ist. <p> Fassen wir zusammen: Die vorliegende CD kann weder technisch noch inhaltlich voll ueberzeugen. Die Chancen einer multimedialen Praesentation rumaenischer Geschichte wurden vertan. Ein ausfuehrlich gegliedertes Buch mit angefuegten Videoelementen ist noch keine elektronische Publikation, sondern immer noch ein langer Text, der gelesen sein will. Die von mir monierten Ausfuehrungen ueber die Eiserne Garde und Antonescus Judenpolitik begruenden hinsichtlich der betroffenen Abschnitte den Verdacht revisionistischer Geschichtsklitterung. <p> Anmerkungen: <p> [1]. Larry L. Watts, <cite>Romanian Cassandra: Ion Antonescu and the Struggle for Reform, 1916-1941</cite>. Boulder: New York: East European Monographs; distributed by Columbia University Press, 1993. <p> [2]. Karl Kaser, <cite>Suedosteuropaeische Geschichte und Geschichtswissenschaft: Eine Einfuehrung</cite>. Wien/Koeln: Boehlau, 1990. <p> [3]. Vgl. Eniko Baga, Melanie Tatur, "Rumaeniens Sonderweg in Mitteleuropa. Ein Beitrag zu den zivilgesellschaftlichen Ressourcen der Transformation in Mitteleuropa," in <cite>Comparativ</cite> 4 (1997), Heft 3, 1997, S. 114-35.
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Citation:
Armin Heinen. Review of , A History of Romania and
Treptow, Kurt, ed., A History of Romania.
HABSBURG, H-Net Reviews.
May, 1999.
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